Inschriftenkatalog: Landkreis Hildesheim

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 88: Landkreis Hildesheim (2014)

Nr. 107 Sillium, Burg Wohldenberg 1518

Beschreibung

Bildstock, sog. „steinerner Jakob“.1) Stein. Der ursprüngliche Bildstock aus dem Jahr 1518 besteht aus einem in der Grundfläche rechteckigen Schaft und einer leicht vorspringenden Sockelzone. Er wurde 1704 mit einem ausladenden, bankartigen Sockel, einem neuen Kapitell und einer Bekrönung aus Kugel und Kreuz versehen.2) Am Schaft auf jeder Seite zwei Bildfelder übereinander, das obere leicht vorspringend gerahmt, das untere ungerahmt. Auf der östlichen Breitseite oben eine Kreuzigungsgruppe, am Kreuz der Titulus A; unten ein an einer Schlaufe hängender Wappenschild rechts und links flankiert von den Inschriften B, in der östlichen Sockelzone in zwei Zeilen Inschrift C. An der westlichen Breitseite oben Anna selbdritt (stark verwittert), darunter die möglicherweise später angebrachten Initialen D; unten zwei gegeneinander gelehnte Vollwappen und die zweizeilige Inschrift E, in der Sockelzone Inschrift F. Die nördliche Schmalseite zeigt oben die Apostel Petrus und Paulus, unten Andreas, die Beischrift G in der Sockelzone. Auf der südlichen Schmalseite oben Christophorus und unten die heilige Barbara mit dem Turm, die zugehörige Inschrift H in der Sockelzone. Alle Inschriften sind eingehauen und zum Teil stark verwittert.

Maße: H.: 195 cm; Bu.: 1,5 cm (A), 5–6,5 cm (B), 8,5 cm (C), 6,5 cm (D), 4 cm (E), 6 cm (F), 4,5 cm (G), 8 cm (H).

Schriftart(en): Frühhumanistische Kapitalis (A, G), gotische Minuskel mit Versalien (B, C, F, H), Kapitalis (D), gotische Minuskel (E).

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Christine Wulf) [1/2]

  1. A

    I(ESVS) N(AZARENVS)a) R(EX) I(VDAEORVM)3)

  2. B

    As[. . .]n va(n) Bor[.]feltb) // lene va(n) [R]ede(n) sine hus·frwe

  3. C

    Got trosste · / alle criste(n) sele

  4. D

    H + W

  5. E

    help hilge frwe [. .]c) / name s an(n)e s·drid

  6. F

    Anno · m° · vc ·/ · xviii · ·e

  7. G

    S ANDREASa) / BIDDE VO(R)f) VNSa)

  8. H

    S Barba/Ra Bid(d)e / vor vnsz

Wappen:
Bortfeld/Reden I4)
Bortfeld*, Reden I*

Kommentar

Die frühhumanistische Kapitalis der Inschrift G vermittelt eher den Eindruck einer Mischschrift aus Minuskeln und Kapitalis-Formen als einer ästhetisch einheitlichen Schrift. Zu vermerken sind unziales D, halbunziales B, aus dem Minuskel-Alphabet übernommenes r und retrogrades N.

Die Säule wurde von dem letzten Pfandinhaber der Burg Wohldenberg, Asche (Aschwin) von Bortfeld, und seiner Frau Magdalene von Reden gestiftet. Der Anlass der Stiftung ist unklar; in einer Nachricht vom Ende des 16. Jahrhunderts heißt es, dass Aschwin von Bortfeld „ein erhabenes steinernes Kreuz vor dem Hause Wohldenberg aus sonderbarer (= besonderer) Andacht hat setzen lassen, daran die Wappen zu sehen sind.“5) Vermutlich hat also der Schaft ursprünglich ein Kreuz getragen. Im 18. Jahrhundert hatte der Bildstock die Funktion einer Prozessionsstation.6)

Textkritischer Apparat

  1. N retrograd.
  2. Befund in der Mitte des Namens nicht eindeutig.
  3. Vielleicht bi.
  4. Auflösung unsicher, vielleicht ist mit Blick auf den ikonografischen Kontext der Anna selbdritt ein Wort i. S. v. ‚selbdritt‘ zu denken.
  5. Zwischen den beiden Hochpunkten ein unklarer Ziffern- oder Zeichenbefund, vielleicht ein Kürzel für et cetera.
  6. r-Haken über O

Anmerkungen

  1. Der Ursprung dieser Bezeichnung ist unklar. Ebenfalls unklar ist, warum der Bildstock als „Pestsäule“ bezeichnet wird, so u. a. Zimmermann/Kensche, Burgen und Schlösser, S. 81. Die typischen Pestheiligen fehlen, lediglich Christophorus als Beschützer vor einem plötzlichen Tod und vielleicht Barbara als Nothelferin könnten als Beschützer in Pestnot gelten.
  2. Um den Sockel verläuft eine jüngere Inschrift: ANNO 1704 / D(IE) 17. APRIL(IS) // STATVAM HANC ANTIQVITATE CLARAM REPARARI FECIT // IOHANNES FRIDERICUS ANTONIUS / DE BOCHOLTZ // ECCLESIAE CATHEDRALIS HILDESIEN/SIS CANONICUS / SATRAPA IN WOLDENBERG ‚Im Jahr 1704 am 17. Tag des April ließ Johann Friedrich Anton von Bocholtz, Kanoniker der Hildesheimer Domkirche und Drost in Wohldenberg, diese wegen ihres Alters berühmte Statue reparieren.‘
  3. Io. 19,19.
  4. Wappen Bortfeld/Reden I (quadriert, 1 und 4 Bortfeld*, 2 und 3 Reden I*).
  5. Vgl. Maria Behnke, Burg Wohldenberg in Vergangenheit und Gegenwart. Hildesheim 1967, S. 18.
  6. Mithoff, Kunstdenkmale Fürstenthum Hildesheim, S. 248.

Nachweise

  1. Kdm. Kreis Marienburg, S. 205.
  2. Zimmermann/Kensche, Burgen und Schlösser, S. 81.

Zitierhinweis:
DI 88, Landkreis Hildesheim, Nr. 107 (Christine Wulf), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di088g016k0010703.