Inschriftenkatalog: Stadt Helmstedt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 61: Stadt Helmstedt (2005)

Nr. 437 St. Marienberg 1711

Beschreibung

Epitaph der Maria Elisabeth Ladey, verheiratete Köhler. Marmor, Alabaster1). Am westlichsten der südlichen Mittelschiffpfeiler. Der Mittelteil in Form einer Ädikula aufgebaut. Der Bereich des Sockelgesimses reich verziert mit Engelsköpfen, Blattornamenten, Voluten und einem Wappen in der Mitte. Im Hauptgeschoß schwarze, hochrechteckige Schrifttafel mit Inschrift A, flankiert von korinthischen Säulen. Außen neben den Säulen sitzend je eine trauernde weibliche Figur. In der Bekrönung wohl ehemals ovales Bild der Verstorbenen, jetzt unkenntlich. An den Seiten Voluten. Auf dem Gesims des geschwungenen Giebels links und rechts die beiden Teile von Inschrift B. Darüber je ein sich lagernder Putto, der eine runde Scheibe hält und mit dem Finger auf sie verweist. In den Scheiben im Halbrelief links ein bis auf einen wehenden Lendenschurz nackter gekrönter Mann, der auf einem Hügel kniet und beide Arme im Anbetungsgestus nach oben hält. Auf dem Scheibenrand Inschrift C. Rechts auf einem ähnlichen Hügel ein geflügeltes Herz, dem oben Flammen (oder Blumen?) entsprießen. Auf dem Scheibenrand Inschrift D. In der Giebelspitze ein Vollwappen. Inschriften A und B leicht eingetieft und farbig gefaßt, weiß auf schwarzem Grund, Inschriften C und D gemalt, dunkel auf hellem Grund. Die u tragen übergeschriebene Schlängel oder Häkchen.

Maße: B.: 185 cm; H.: 350 cm; Bu.: ca. 3–5 cm (A), ca. 6 cm (B), ca. 3 cm (C, D)2).

Schriftart(en): Fraktur mit Antiqua (A), Kapitalis (B), Fraktur (C, D).

Jutta Brüdern, Braunschweig [1/1]

  1. A

    Nach rühmlich=über standener Vnruhe dieses Lebens / ruhet alhie / eine rechtschaffene Christin getreüe Ehegattin sorgfältige Mutter / kluge Hauszhälterin und Liebreiche Gutthäterin / Fr(au) Maria Elisabeth Köhlerin / gebohrne Ladeÿen / welche / als sie 53 Jahr, 5 Monath, 12 tage / gelebet / nicht ihr sondern dem Herrn / Durch deszen Gnade sie der ihrigen Lust und trost / derer fremden, insonderheit derer armen, Freüde u(nd) hülffe geworden / verschiede sie sanfft und seelig / a(nn)o 1711 den 28t(en) junÿ Morgends üm 3 Uhr / Dero wolverdie(n)ter Ruhm und Grabschrifft ist eingeschrieben / mit heiszesten thränen / allen Hertzen die sie Gekan(n)t haben. / Vornemlich des betrübten wittwers derer 9 noch lebenden kinder / und säm(m)tlicher anverwandsena) / Jedoch auch / Zum Öffentlichen Zeügenisz eines Danctbahrnb) Gemüthes / für die von Gott, in der seelig verstorbene Eehe-fraun, ihm erwiesenen / Groszen Gnade / Hat dieses denckmahl, über den Begräbnisze wehmüthigst / auffrichten Laszen / Johann Peter Köhler / Königl(ich) Preuszl(ischer) Ober-ambtmann Zu wantzleben / auch Fürstl(ich) br(aunschweig) Lün(eburgischer) ambtman(n) Zu Süpplingburg / und des Closters hieselbst. etc(etera)

  2. B

    NON // OBRVOR

  3. C

    Ringet dar Na[ch]c)

  4. D

    mit den Hertzen u(nd) gedanekend)

Übersetzung:

Ich gehe nicht unter. (B)

Wappen:
Köhler3), Ladey4)

Kommentar

Die Verstorbene, geboren am 16. Januar 1658 in Schöningen5), war eine Tochter des dortigen Bürgermeisters Henning Ladey. Verheiratet war sie von 1672 bis 1684 in erster Ehe mit dem Schöninger Salzgewerker Johann Kaspar Hueten, in zweiter Ehe seit 1685 mit dem das Epitaph setzenden Marienberger Klosteramtmann Johann Peter Köhler. Von den genannten neun lebenden Kindern – vierzehn hatte sie insgesamt geboren – stammten drei aus der ersten und sechs aus der zweiten Ehe. Maria Elisabeth Köhler ist in der Kirche vor dem Tauffsteine unter den Mannesstühlen beigesetzt6). Die Männerstühle befanden sich an der Südseite des Mittelschiffes, der Taufstein anders als heute im Westen des Mittelschiffs7). In Verbindung mit der Angabe der Inschrift A dieses denckmahl, über den Begräbnisze bedeutet dies, daß das Epitaph, das sehr nahe am Begräbnisort hängt, noch den ursprünglichen Platz innehat.

Die Inschriften B–C stehen innerhalb eines emblematischen Kontextes. Direkte Vorlagen lassen sich nicht auffinden. Inschrift B hat die Form des sentenzhaft kurzen Mottos in der 1. Person des Passivs, wie sie zahlreich Daniel Cramer, Emblemata sacra, Frankfurt 1622, verwendet8). Beigegeben ist dort in der Regel ein Herz. Trägt es Flügel und Flämmchen wie hier zu Inschrift C, deutet dies auf seine Sehnsucht und Liebe zu Gott9). Der deutsche Text von Inschrift C greift mit Ringet dar nach eine bekannte Wendung aus der Lutherbibel auf10). Das dazugehörige Bild zeigt einen die Arme gen Himmel hebenden Mann. Die Variation bzw. Weiterverarbeitung derartigen Materials zu einem neuen emblematischen Zusammenhang erfolgte möglicherweise in Helmstedt selbst. Zu denken ist an den amtierenden Propst von Marienberg und Professor für Orientalistik, Hermann von der Hardt, dessen Interesse an Emblemen und versteckten Aussageformen dokumentiert ist (vgl. Nrr. 430, 431, 479).

Textkritischer Apparat

  1. anverwandsen] Wohl Restaurierungsfehler, für anverwandten.
  2. Danctbahrn] Für Danckbahrn.
  3. Na[ch]] Schwer einsehbar. Die letzten beiden Buchstaben ergänzt nach Meier.
  4. gedaneken] Für gedanken.

Anmerkungen

  1. Vgl. die Beschreibung bei Meier, Kunstdenkmäler, S. 51f.
  2. Wegen der Höhe alle Angaben geschätzt.
  3. Wappen Köhler: drei Wolfsangeln. Vgl. Meier, Kunstdenkmäler, S. 51.
  4. Wappen Ladey: drei Ähren. Vgl. Meier, Kunstdenkmäler, S. 52.
  5. Lebensdaten nach J. C. Lasdorff, Der .. Marien Elisabeth Ladeyen .. zu einem Ehren=Gedächtniß, Helmstedt o. J. (1711).
  6. NStA Wolfenbüttel 1 Kb 578, S. 1044.
  7. Vgl. den Grundriß der Kirche von J. M. Schüttelöffel von 1792, NStA Wolfenbüttel K 20036.
  8. Beispiele: S. 77 Redimor Ich werd errett; S. 97 Absolvor Ich werde loß gesprochen; S. 101 Non laedor Es schad mir nichts.
  9. Beispiele: S. 25 mit Beischrift alta peto; S. 29 mit Beischrift amo.
  10. Beispiele: Lk. 13,24 Ringet darnach, daß ihr durch die enge Pforte eingehet; 1. Th. 4,11 Ringet darnach, daß ihr stille seid.

Nachweise

  1. Meier, Kunstdenkmäler, S. 52 (B–D).

Zitierhinweis:
DI 61, Stadt Helmstedt, Nr. 437 (Ingrid Henze), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di061g011k0043703.