Inschriftenkatalog: Stadt Helmstedt
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 61: Stadt Helmstedt (2005)
Nr. 436† St. Stephani 1711
Beschreibung
Grabschrift des Johann Werlhof. Der Text gehört zu der auf S. 26f. der Einleitung vorgestellten Gruppe von Grabschriften, deren inschriftliche Ausführung nicht bezeugt ist, aber nach den Überlieferungsumständen mit hoher Wahrscheinlichkeit angenommen werden kann. Der Standort St. Stephani ergibt sich aus den Angaben der Leichenpredigt1).
Inschrift nach Cm 324.
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D(EO O(PTIMO) M(AXIMO) S(ACRVM) ET AETERNAE MEMORIAE IOANNIS VVERLHOFII QVEM NATVM LVBECAE IN HOLSATIS IVLIA IVVENIS INGENII DOTES ET VARIAE DOCTRINAE IN IMMATVRA AETATE MATVRITATEM MIRATA INTER DOCTORES DEMVM SVOS CLARISSIMOS NVMERAVIT PHILOSOPHVM PRACTICVM INSIGNEM IVRECONSVLTVM EXCELLENTEM ET RELIGIOSISSIMVM HISTORICVM ET REIPVBLICAE GERMANICAE NOTITIA INCOMPARABILEM POETAM IVXTA AC ORATOREM FELICISSIMVM ET EXTEMPORALEM AD HAEC PIETATE INTEGRITATE VITAE CANDORE ANIMI OFFICIIS ET COMITATE BONIS OMNIBVS2) PROBATVM NEMINI GRAVEM SED TOT ORNAMENTA EHEV QVVM IAM NON MAGIS VOCE QVAM VICTVRIS IN OMNE AEVVM MONVMENTIS EGREGIVM PVBLICVM3) DEMERERI SATAGERET ET OMNIVM OPTIME POSSET DIES XXV APRILIS MDCCXI HAVD REPARABILI STVDIORVM IACTVRA INTERCEPIT POSTQVAM CIVILEM IVXTA AC LEGITIMAM PRVDENTIAM ANNIS XXVI MAXIMO ADPLAVSV DOCVISSET ORDINIS SVI ANTECESSOR PRIMARIVS ET CONSILIARII INSVPER AVLICI DIGNITATE A PRINCIPE HONORATVS VIXISSET ANNOS LI MENSEM I DIES XIII MARITO DESIDERATISSIMO PARENTI OPTIMO VIDVA MOESTISSIMA MARIA DOROTHEA HEVGELIAa) ET LIBERI SVPERSTITES TENERRIMO ADFECTV SED CONTRA VOTVM HOC MONVMENTVM POSVERVNT
Übersetzung:
Gott, dem Besten und Größten, geweiht und dem ewigen Andenken an Johann Werlhof, geboren in Lübeck in Holstein. Seines jugendlichen Geistes Gaben, die Reife seiner vielfältigen Bildung in noch unreifem Lebensalter hatte die Julia bewundert, dann ihn schließlich zu ihren berühmtesten Lehrern gezählt als hervorragenden praktischen Philosophen, vorzüglichen und mit gewissenhafter Sorgfalt urteilenden Rechtsgelehrten, als Geschichtsforscher, einmalig auch in seiner Kenntnis des deutschen Staatsrechtes, als gleichermaßen erfolgreichen Dichter und Redner, der auch zu improvisieren verstand, dazu als Mensch, der mit seiner Frömmigkeit, seinem integren Lebenswandel und seiner reinen Sinnesart, Gefälligkeit und Leutseligkeit von allen Redlichen geschätzt wurde und niemandem unsympathisch war. Aber so viele Vorzüge raffte, weh, als Werlhof sich schon weniger durch mündlichen Vortrag als mit in alle Ewigkeit existierenden schriftlichen Zeugnissen hinreichend um den Ruhm des Staates verdient gemacht hatte und unter allen den größten Einfluß besaß, der Tag des 25. April 1711 dahin, ein unersetzlicher Verlust allen wissenschaftlichen Strebens, nachdem Werlhof sechsundzwanzig Jahre lang unter größtem Beifall Staats- ebenso wie Rechtswissenschaft unterrichtet hatte, seiner Fakultät Erster Rechtslehrer gewesen und darüber hinaus vom Fürsten mit der Würde eines Hofrates geehrt worden war und nachdem er einundfünfzig Jahre, einen Monat und dreizehn Tage gelebt hatte. Dem schmerzlichst vermißten Gatten, dem besten Vater ließen die tieftraurige Witwe Maria Dorothea Heigel und die hinterbliebenen Kinder in zärtlichster Anhänglichkeit, aber gegen ihren Willen dieses Denkmal setzen.
Textkritischer Apparat
- HEVGELIA] Gebräuchlich ist die Namensform Heigel statt Heugel, vgl. Nr. 311.
Anmerkungen
- F. Weise, Leich- und gedächtnüs-predigt Welche .. bei Des .. Johan Werlhofs .. Beerdigung .. vorgetragen .. wurde, Helmstedt o. J..
- Zu BONIS OMNIBVS vgl. S. 37f. der Einleitung.
- EGREGIVM PVBLICVM nach Tacitus, Annalen 3,70.
- Lebensdaten nach Weise, wie Anm. 1. Vgl. auch ADB 42, S. 15f. und Ahrens, Lehrkräfte, S. 248.
- Kundert, Katalog, S. 148 und S. 155.
- Vgl. dazu Kundert, Katalog, S. 41ff.
- J. C. Böhmer, Abdankungs=Rede, o. O. und J.; Programma memoriae .. Ioannis Werlhofii, o. O. und J., beide in Cm 324.
- Böhmer und Programma memoriae, wie Anm. 7. Er liegt gedruckt vor unter dem Titel: Epithalamium .. Hispaniarum regis .. Caroli III et .. principis Brunsvico-Luneburgicae Elisabethae Christinae, Helmstedt 1708.
- Zu ihm U. Benzenhöfer, Der hannoversche Hof- und Leibarzt Paul Gottlieb Werlhof (1699–1767), Aachen 1992.
Nachweise
- Nieders. Landesbibliothek Hannover, Cm 324, Trauerschriften J. Werlhof, letzter Beitrag.
Zitierhinweis:
DI 61, Stadt Helmstedt, Nr. 436† (Ingrid Henze), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di061g011k0043606.
Kommentar
Johann Werlhof wurde am 12. März 16604) als Sohn des früh verstorbenen Johann Werlhof und der Dorothea Elisabeth Meibom, einer Schwester des Helmstedter Professors Heinrich Meibom d. J. (vgl. Nr. 355) in Lübeck geboren. Sein Studium in Helmstedt ab 1675 wurde betreut von diesem Onkel und dem Mediziner und Staatswissenschaftler Hermann Conring. Am Rande einer großen, vorwiegend universitätsorientierten Bildungsreise u. a. über Straßburg, Basel, Genf, Lyon, Marseille, Paris, Leiden, Utrecht und Franecker erwarb er am 16. Juli 1683 in Orléans den Titel eines Lizentiaten der Rechte. 1686 wurde er Nachfolger seines Lehrers Hermann Conring auf dem Lehrstuhl für Politik in der philosophischen Fakultät. Seit 1696 auch ordentlicher Professor der Rechte, lehrte er seit 1698, inzwischen in Erfurt zum Dr. iur. promoviert, nur noch in der juristischen Fakultät5). Er starb am 25. April 1711 als Inhaber der Ersten juristischen Professur, des Lehrstuhls für den Codex, als Senior seiner Fakultät und als Hofrat des Herzogs Anton Ulrich. Berufungen nach Altdorf, Tübingen und Kiel hat er abgelehnt. Werlhof gehört in eine längere Reihe von Helmstedter Juristen, die von den Lehrstühlen der Ethik und der Philosophie aus auf einen juristischen Lehrstuhl überwechselten und die Notwendigkeit einer Verbindung der „praktischen“ oder Moralphilosophie mit der positiven Jurisprudenz vertraten6). Die Inschrift nimmt darauf Bezug, wenn sie Werlhof als PHILOSOPHVM PRACTICVM bezeichnet und sein Lehrgebiet umschreibt als CIVILEM IVXTA AC LEGITIMAM PRVDENTIAM. Die von der Inschrift hervorgehobenen reichsrechtlichen Kenntnisse Werlhofs dürften u. a. auf Arbeiten zum Zustand des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation zu beziehen sein, die Werlhof nach Auskunft der Funeralschriften unvollendet und ungedruckt hinterließ7). Als lateinischer Dichter – wie in der Inschrift erwähnt – hat sich Werlhof hervorgetan, als er neben zahlreichen anderen Gelegenheitsgedichten einen Panegyrikus auf die Hochzeit der Braunschweiger Prinzessin Elisabeth Christine mit dem späteren Kaiser Karl VI. verfaßte und öffentlich rezitierte8).
Werlhof war seit dem 13. November 1690 verheiratet mit Maria Dorothea, Tochter des Professors der Theologie und Mathematik Paul Heigel (vgl. Nr. 311). Aus der Ehe gingen drei Söhne und zwei Töchter hervor, von denen eine als Kind verstarb (vgl. Nr. 336). Der jüngste Sohn Werlhofs, Paul Gottlieb, erlangte als Arzt und Dichter Bekanntheit9). Johann Werlhofs Name findet sich auch auf der Universitätsglocke von 1694 (Nr. 331).