Inschriftenkatalog: Stadt Helmstedt
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 61: Stadt Helmstedt (2005)
Nr. 25† St. Marienberg 1480
Beschreibung
Glocke. Die sog. Große Glocke des Klosters St. Marienberg wurde 1622 auf Befehl des Herzogs Friedrich Ulrich von Braunschweig-Wolfenbüttel nach Wolfenbüttel gebracht und 1625 im Turm der neu erbauten Kirche Beatae Mariae Virginis aufgehängt. Sie sprang 1641, wurde eingeschmolzen und lieferte die Glockenspeise für ihre 1659 gegossene Nachfolgerin1). Die Entfernung der Glocke aus St. Marienberg wurde Anlaß für einen sich über mehrere Jahre hinziehenden Streit zwischen Kloster und Herzog. Der Schriftwechsel hierzu enthält u. a. eine undatierte, unsignierte Beilage. Darin wird – wohl vom Geistlichen des Klosters – die Inschrift der Glocke wiedergegeben und in einer predigtähnlichen Abhandlung gedeutet2).
Inschrift nach Ms. Wolfenbüttel.
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Consolor uiua Fleo mortua Pello nociua3)
Übersetzung:
Ich tröste, was lebt, beweine, was gestorben ist, und vertreibe, was Schaden bringt.
Versmaß: Zweisilbig gereimter leoninischer Hexameter.
Anmerkungen
- Vgl. G. Spies, Geschichte der Hauptkirche B.M.V. in Wolfenbüttel, Wolfenbüttel 1914 (Quellen und Forschungen zur Braunschweigischen Geschichte Bd. 7), S. 64ff. und K. Steinacker, Die Bau- und Kunstdenkmäler der Stadt Wolfenbüttel, Wolfenbüttel 1904, S. 69. Im Zusammenhang mit der gewaltsamen Entführung der Glocke 1622 kam es zu einem Aufruhr empörter Bürger gegen die herzoglichen Abgesandten in der zu St. Marienberg eingepfarrten Neumark.
- NStA Wolfenbüttel 11 Alt Marbg. Nr. 102. Teile des Schriftwechsels auch in 11 Alt Marbg. Nr. 4.
- Vgl. Walther, Proverbia 1, Nr. 3193b.
- Wenig glaubwürdig ist dagegen die Bemerkung von Domina und Konvent in einem Schreiben an Friedrich Ulrich vom 6. 9. 1623, NStA Wolfenbüttel 11 Alt Marbg. Nr. 4, die Glocke sei an die zwey Hundert Jahr in Gebrauch gewesen.
- Vgl. dazu DI 35 (Stadt Braunschweig I), Nr. 237. Zur Verbreitung: Walter, Glockenkunde, S. 207 nennt dreiundfünfzig Beispiele zwischen 1318 und 1556. Die Glocken von Braunschweig und Helmstedt kennt er nicht.
Nachweise
- NStA Wolfenbüttel 11 Alt Marbg. Nr. 102.
Zitierhinweis:
DI 61, Stadt Helmstedt, Nr. 25† (Ingrid Henze), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di061g011k0002503.
Kommentar
Das Jahr des Glockengusses war an der Glocke inschriftlich notiert. Dies geht aus einem der Gedichte hervor, die in dem o. g. Schriftstück der Glocke gewidmet sind: Als Tausent undt vierhundert Jahr, Darzu achtzig die Jahrzahl war, Unsere große Glocke gegoßen ist, Wie ein jeder an derselben wol liest 4). Der in der Inschrift wiedergegebene Spruch ist als Glockeninschrift außerordentlich verbreitet. Etwa gleichzeitig findet er 1483 an einer Glocke von St. Michaelis in Braunschweig Verwendung5), hier in gotischer Minuskel mit Versalien. Dieses Schriftbild wird auch durch die Schriftform der Marienberger Quelle nahegelegt.