Inschriftenkatalog: Stadt Hannover

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 36: Stadt Hannover (1993)

Nr. 110† Marktkirche 1558

Beschreibung

Epitaph der Herzogin Elisabeth von Braunschweig-Lüneburg (Calenberg). Das Epitaph befand sich im Chor. Vermutlich wurde es bei der Umgestaltung des Kircheninnern in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts beseitigt.

Inschriften nach Ising.

  1. A

    Illustriss(imae) D(omi)n(ae) Elisabethae Bruns(vicensi) et Luneb(urgensi) Ducissae

  2. B

    Funde pias lacrymas quisquis legis ista viatorMaestaque lugubri pectora plange manu.Edita Marchionum generoso stemmate ElysaDux Brunsvigii clara parensque lociHeu jacet egelidae mortis confixa sagittisQuamque sit haec fallax vita brevisque docet.Illa Deum summa pietate fideque colebatQuem flexit sancto saepius igne precum.Constanter servans verbum coeleste ministrosChriste pios fovit religiosa tuos.Invexit templis cum verbi lumine ritusAtque reformatae religionis opes.Qui legis haec tantaea) dic sancta quieta parentiEt disce humanas lector amare vices.1)

  3. C

    Majorem non parat urnamPrincipibus quam pauperibus rudibusque bubulcis.

Übersetzung:

Der erlauchten Dame Herzogin Elisabeth von Braunschweig-Lüneburg. (A)

Wanderer, wer auch immer du (bist, der) dies liest, vergieße fromme Tränen und schlage mit klagender Hand auf die trauernde Brust. Elisabeth, hervorgegangen aus dem edlen Geschlecht der Markgrafen (von Brandenburg), berühmte Herzogin von Braunschweig und Landesmutter, ach, sie liegt hier durchbohrt von den Pfeilen des kalten Todes, und sie lehrt, wie trügerisch und kurz dieses Leben ist. Jene verehrte Gott mit größter Frömmigkeit und größtem Glauben, den sie oft durch das heilige Feuer ihrer Gebete rührte. Das himmlische Wort beständig bewahrend, förderte die Gottesfürchtige deine frommen Diener, Christus. Sie führte in den Kirchen mit dem Licht des Wortes die heiligen Bräuche und den Reichtum des erneuerten Glaubens ein. Der du dies liest, sprich für die so bedeutende Landesmutter fromme, stille (Worte) und lerne, Leser, die menschlichen Wechselfälle zu lieben. (B)

(Gott) bereitet den Fürsten keine größere Urne als den armen und ungebildeten Ochsenknechten. (C)

Versmaß: Elegische Distichen (B); Hexameter (C), die erste Zeile die 2. Hälfte eines Hexameters.

Kommentar

Herzogin Elisabeth wurde 1510 als Tochter des Kurfürsten Joachim von Brandenburg geboren.2) Sie heiratete 1525 Erich I. von Braunschweig-Lüneburg (vgl. Nr. 68) und übernahm noch zu dessen Lebzeiten die Herrschaft im Fürstentum Calenberg. Nach dem Tod Erichs I. regierte sie 1540–1546 für ihren unmündigen Sohn, Erich II. Bei der Einführung der Reformation im Fürstentum Calenberg spielte Elisabeth eine entscheidende Rolle; 1542 erließ sie die von Antonius Corvinus (vgl. Nr. 95) verfaßte Kirchenordnung. Die deutlichen Sympathien Erichs II. für den katholischen Glauben und seine Parteinahme für die kaiserliche Seite führten zu Spannungen zwischen Mutter und Sohn während dessen Regierungszeit. Nach der verlorenen Schlacht von Sievershausen 1553 war der – inzwischen zum katholischen Bekenntnis übergetretene – Herzog Erich II. gezwungen, seine Mutter in die Verbannung zu schicken, um im Besitz seines Fürstentums zu bleiben. In zweiter Ehe hatte Elisabeth 1546 den Grafen Poppo XII. von Henneberg (vgl. Nr. 104) geheiratet. Sie starb 1558 in Ilmenau; beigesetzt wurde sie in der Abtei Veßra bei Schleusingen. Das Epitaph in der Marktkirche hatte daher nur den Charakter eines Denkmals und keinen Bezug zu einer Grablege. In ihm – wie schon in der Gedenkinschrift, die Elisabeth bei ihrem Weggang aus Hannover in der Marktkirche anbringen ließ (Nr. 105) – drückt sich das enge Verhältnis der Stadt zu der ehemaligen Landesherrin aus. Deren Zuneigung für Hannover gründete sich vor allem darauf, daß sich hier früh und konsequent die Reformation durchsetzte, für die Elisabeth kämpfte, solange sie politische Macht besaß.

Textkritischer Apparat

  1. tantae] ante Redecker.

Anmerkungen

  1. Bei Ising folgt hier ein Einschub: NB. Sterben ist allen Menschen gemein. / Und ist schöne geredet der Todt. Ob die beiden Zeilen Bestandteil der Inschrift waren, geht aus dem Zusammenhang nicht hervor.
  2. Zur Biographie Elisabeths vgl. NDB 4, S. 443f., u. Patze, Geschichte Niedersachsens, Bd. 3, 2, S. 24ff.

Nachweise

  1. Ising, S. 36f.
  2. Redecker, Bd. 1, fol. 263v/264r (A, B).
  3. Mithoff, Kunstdenkmale, S. 70.

Zitierhinweis:
DI 36, Stadt Hannover, Nr. 110† (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di036g006k0011001.