Inschriftenkatalog: Stadt Hameln

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 28: Hameln (1989)

Nr. 136† St. Bonifatii (vor 1632 ?)

Beschreibung

Epitaph der Katharina und des Justus Murmann. Nach Herrs Beschreibung befanden sich die Inschriften auf einer Tafel, die an einem Pfeiler im Kircheninneren befestigt war. Im Bildteil des Epitaphs war die Kreuzigung dargestellt, darunter die „Historie als Jonas vom Walfisch verschlungen wird, ingleichen der Vater mit fünf Söhnen und die Mutter nebst drei Töchtern“1). Die Inschriften waren in goldenen Buchstaben ausgeführt.

Inschriften nach Herr.

  1. A

    Epitaphium Justi Murmanni infelici casu aqua submersi et necati B. O. H. P. F. F.a)2)Heu quod fata premunt quicquid blanditur in orbeperpetuumque nihil mors truculenta sinitb)Resc) hominum fugiunt fugit huius gloria mundiet citius puncto quae valuere ruunt5Ipse simul ducens sanctae primordia lucisdesuper a superis quam cito transit homod)Qui modo constantis censebat lumina vitaelabitur et celeri funere raptus obitExemplo monstrat Justus Murmannus iniquo10quem glacie falsum fluminis unda necatsed perit obsequiis prompte quae praestitit illisa quibus allectus damna cruenta tulitTantus erat candor virtus et gratia tantaut sociis vestes et sua quaeque daret15Hic licet incautus sub mole fiat aquarumcorde tamen Christi sperate) anhelus opemEt postquam sensit labi per viscera mortemcommendat Christo cor animamque DeoFidere nam Christo constanti noverat actu20et fuerat verbi mens animusque tenaxMortuus ergo fide vitam moriendo perennemingressus iustus sanguine Christe tuoOssa tenent gratum patriae defuncta cubilesurgere quo debent conspicienda cito25Mittite vos igitur lacrymas gemitusque parentesNam sine divino numine nemo peritIllius arbitrio vester quoque gnatus olympumsortitus coeli gaudia vera capit

  2. B

    Epitaphium Catharinae MurmanniQuaef) monumenta vides gert. Murman candide lectordefunctae uxori cordis amore deditNam pietate gravis rara virtute modestaomnibus aequa domi sedula Martha fuit5Huius et e vultu probitas constantia candoret pudor et splendor luxit et alma fidesPauperibus viduisque parens verbique ministrisqui gemitu et lacrymis talia fata dolentLarga benigna manu cunctis promtissima factis10est quibus in christum testificata fidemNemo fuit ronchis dictisque infensior atrisin verbo melior pectore nemo fuitQuinque virum natis auxit tribus atque puellisquorum tres coeli regna beata colunt15Singula quid referam nihil haec urbs clarius intersensit foemineos hameliana chorosErgo cara Deo dilecta viro carissima natiset consanguineis vera corona suisNunc sua morte vivensg) pietash) post funera virtus20fulget et in coelis gaudia multa capit

Übersetzung:

Epitaph des Justus Murmann, der durch einen Unglücksfall ertrunken ist.

Ach, daß das Schicksal alles, was verlockend ist in der Welt, niederdrückt und daß der grimmige Tod nichts ewig dauern läßt. Der Besitz des Menschen vergeht, der Ruhm dieser Welt vergeht, und was eben noch stark war, bricht schneller als in einem Augenblick zusammen. (5) Ja auch der Mensch selber, der doch den Ursprung seines heiligen Lichts vom Himmel herleitet, wie schnell geht er dahin. Wer eben noch seine Tage für die eines gesicherten Lebens hielt, bricht mit einem Mal zusammen und stirbt, vom plötzlichen Tod dahingerafft. Das zeigt uns mit einem schlimmen Beispiel Justus Murmann, (10) den das Eis täuschte und dem das Wasser des Flusses das Leben nahm. Doch ging er zugrunde durch den Dienst, den er jenen bereitwillig erwies, von denen angelockt er den grausamen Schaden davontrug. So groß war seine Redlichkeit, so groß seine Tugend und seine Erkenntlichkeit, daß er den Gefährten seine Kleider und all seinen Besitz gab. (15) Mag er auch in seiner Arglosigkeit von den Wassermassen in die Tiefe gerissen worden sein, so hoffte er bis zu seinem letzten Atemzug doch noch in seinem Herzen auf die Hilfe Christi. Und als er schon spürte, daß der Tod von seinem Inneren Besitz nahm, empfahl er sein Herz Christus und seine Seele Gott. Denn auf Christus zu vertrauen, hatte er in beständigem Wirken gelernt, (20) und sein Geist und Sinn hing fest am Wort [Gottes]. So starb er im Glauben und ging sterbend in das ewige Leben ein, gerecht durch dein Blut, Christus. Seine toten Gebeine haben in der Vaterstadt eine willkommene Ruhestätte, von der sie bald sichtbar auferstehen sollen. (25) Laßt nun, ihr Eltern, die Tränen und Seufzer, denn ohne den Willen Gottes stirbt niemand. Nach seiner Entscheidung hat euer Sohn den Himmel erlangt und besitzt die wahren Freuden des Himmels. (A)

Epitaph der Katharina Murmann. Das Grabmal, das du, freundlicher Leser, hier siehst, hat Gert Murmann seiner verstorbenen Gattin aus herzlicher Liebe gewidmet. Denn sie war ehrfurchtgebietend durch ihre Frömmigkeit und bescheiden bei außergewöhnlicher Tugend, allen [gegenüber] gerecht und im Hause eine fleißige Martha. (5) Aus ihrem Antlitz leuchtete Rechtschaffenheit, Standhaftigkeit, Redlichkeit, Schamhaftigkeit wie Schönheit und gesegneter Glaube. Den Armen und Witwen war sie eine Mutter, ebenso den Dienern des Wortes, die mit Seufzen und Tränen solch ein Schicksal betrauern. Freigebig war sie und gütig im Geben, in höchstem Maße bereit zu allem Tun, (10) mit dem sie ihren Glauben an Christus bezeugte. Niemand war erbitterter gegen Verspottungen und böse Reden, niemand war gütiger im Wort und im Herzen. Fünf Söhne schenkte sie ihrem Mann und drei Mädchen, und von ihren Kindern bewohnen schon drei die seligen Gefilde des Himmels. (15) Was soll ich noch Besonderes sagen: nichts Leuchtenderes hat diese Stadt Hameln unter den Scharen ihrer Frauen wahrgenommen. Darum auch war sie Gott teuer, von ihrem Mann geliebt, herzlich lieb den Kindern und für die Verwandten eine wahre Krone. Nun lebt ihre Frömmigkeit durch den Tod, und ihre Tugend erstrahlt noch nach ihrem Dahinscheiden, und sie genießt vielfache Freuden des Himmels. (B)

Versmaß: Distichen.

Kommentar

Der in der Inschrift als Stifter des Epitaphs genannte Gert Murmann ist mit der Jahreszahl 1588 als Vorsitzender des Krameramts auf dem Kramer-Willkomm (vgl. Nr. 93) verzeichnet. Von 1576 bis 1631 ist er zunächst mit einem, ab 1613 dann mit zwei Häusern im Bäckerquartier in den Schoßlisten eingetragen3). 1632 erlischt die Eintragung, so daß dies Jahr als sein mögliches Todesjahr und als Terminus ante quem für die Errichtung des Epitaphs anzusehen ist.

Textkritischer Apparat

  1. P. F. F.] C. F. F. Herr 4.
  2. sinit] finit Herr 1, 2.
  3. Res] Pes Herr 1, 2.
  4. homo] honor Herr.
  5. sperat] spirat Herr.
  6. Quae] Tuae Herr.
  7. vivens] iuvens Herr.
  8. pietas] pictus Herr 1, 2.

Anmerkungen

  1. Vgl. Herr, S. 141f.
  2. B. O. H. konnte nicht aufgelöst werden, P. F. F. wahrscheinlich: P. FIERI Fecit.
  3. Sta Hameln, Schoßliste u.a. 1576; 1578; 1585 fol. 28v; 1631 fol. 7r. – Die Auswertung der Eintragungen in den Schoßlisten ist in diesem Zusammenhang nicht zweifelsfrei, da neben Gert Murmann auch eine Catharina Murmann als Hauseigentümerin auftaucht. Unter der Voraussetzung, daß die in der Inschrift genannte Trägerin dieses Namens die vor dem Ehemann verstorbene Gattin ist, kann die in den Schoßlisten genannte nicht mit dieser identisch sein, da die in den Schoßlisten eingetragene Catharina Murmann im Jahr 1634, also nach dem für Gert Murmann erschlossenen Todesdatum, noch lebte. Es muss sich wohl um zwei Personen gleichen Namens handeln.

Nachweise

  1. Herr, S. 141f.

Zitierhinweis:
DI 28, Hameln, Nr. 136† (Christine Wulf), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di028g004k0013601.