Inschriftenkatalog: Stadt Hameln

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 28: Hameln (1989)

Nr. 132† St. Bonifatii 1626

Beschreibung

Epitaph des Ambrosius Glandorf, ehemals auf dem an der Stadtmauer gelegenen Teil des Kirchhofs1).

Inschrift nach Herr.

  1. A

    Cygnea cantio spectabilis doctrinae ornamentis rerumque usu praestantis viri domini Ambrosii Glandorpii quam ipse cum paulo post anno 1612 IX. calend(as) octob(ris)2) inter secundam et teriam pomeridianas / placide pie et constanter in Christo obdormiret cecinit

  2. B

    Afflictum podagra prius hydrops perdidit annosdum numero vitae septuaginta meaePone cubat corpus quod erat mortale sepulchrospiritus aetherea vivit in arce poli5Innocuus vixi, non ullum crimine laesivita licet non ut debuit esse fuit.Magnarum non appetii molimina rerumcontento paucis vita quieta fuitSi quis es in populo livore adspersus amaro10nil tibi hic ascriptum nosce viator abia)

  3. C

    Exstruebatur ex ordinatione pie defuncti procurantibus Jodoco Johanne et Ambrosio Glandorpiis filiis filius Ambrosius peste corruptus 1626

Übersetzung:

Schwanengesang des Herrn Ambrosius Glandorf, eines durch die Zierden der Gelehrsamkeit bekannten und in der praktischen Tätigkeit hervorragenden Mannes. Er hat ihn selbst gesungen, kurz bevor er am 23. September 1612 zwischen der zweiten und dritten Stunde nachmittags friedlich, fromm und unerschüttert in Christo entschlief. (A)

Nachdem ich schon vorher von der Gicht geplagt wurde, hat mich schließlich die Wassersucht zugrunde gerichtet, als ich siebzig Jahre zählte. Da hinten liegt der Körper, der sterblich war, im Grabe, der Geist lebt in der hohen Himmelsburg. (5) Unbescholten habe ich gelebt, niemanden habe ich mit einer Untat verletzt, mag es auch sein, daß das Leben nicht so war, wie es hätte sein sollen. Nicht habe ich danach gestrebt, große Unternehmungen ins Werk zu setzen, [mein] ruhiges Leben ist mit kleine Dingen zufrieden gewesen. Wenn du, Wanderer, jemand im Volk bist, der mit bitterem Neid beschmutzt ist, (10) so wisse, daß hier nichts für dich aufgeschrieben ist, und geh weg. (B)

[Das Grabmal] wurde errichtet nach Anweisung des in Frömmigkeit Verstorbenen. Die Söhne der Familie Glandorf, Jodocus, Johannes und Ambrosius trugen Sorge dafür. Der Sohn Ambrosius starb 1626 an der Pest. (C)

Versmaß: Distichen (B).

Kommentar

Ambrosius Glandorf, Sohn des Humanisten Johann Glandorf und Mitherausgeber seiner Werke3), absolvierte das Studium der Rechte in Wittenberg4) und war anschließend Justitiar im Dienste der Armgard von Rottorf auf Schloß Hülsede am Nordostrand des Süntel. Seit 1583 war er Stadtvogt in Hameln. 1604 legte er wegen Auseinandersetzungen das Rates mit Herzog Julius um die Verpfändung der Vogtei sein Amt nieder5).

Textkritischer Apparat

  1. abi] Die beiden vollständigen Handschriften im Stadtarchiv überliefern obi, die Teilhandschrift im Münsterkirchenarchiv (Herr 4) abi.

Anmerkungen

  1. Vgl. Herr, S. 175.
  2. 23. September.
  3. Vgl. ADB, Bd. 9, Art. ‚Johann Glandorf‘, S. 208–210, spez. S. 209.
  4. Matrikel Wittenberg, Bd. II, 64a, Z. 30. Eintrag vom 23. April 1564.
  5. Vgl. Neukirch, S. 81 und S. 105.

Nachweise

  1. Herr, S. 175.

Zitierhinweis:
DI 28, Hameln, Nr. 132† (Christine Wulf), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di028g004k0013203.