Inschriftenkatalog: Stadt Hameln

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 28: Hameln (1989)

Nr. 141 Wendenstr. 8 1638

Beschreibung

Hausinschriften. Das giebelständige Haus ist dreigeschossig und hat zwei Dachgeschosse. Erdgeschoß und erstes Obergeschoß sind sieben Gefache, das zweite Obergeschoß acht Gefache breit. Alle Geschosse kragen leicht vor. Die beiden unteren Geschosse sind mit zwei Utluchten versehen, dazwischen das zurückliegende Bogenportal. Die Ornamentik der Fassade betont die Horizontale: Über dem Schwellbalken des zweiten Obergeschosses und des ersten und zweiten Dachgeschosses Ornamente im Beschlagwerkstil. Die Füllungen zwischen den Knaggen mit ebensolchen Ornamenten. In der Giebelspitze zwei vogelähnliche Tiergestalten. Inschrift A an der linken Haushälfte am Schwellbalken des ersten Obergeschosses, Inschrift B an der rechten Haushälfte am Schwellbalken des ersten Obergeschosses. Über der Tür Inschrift C, zweizeilig. Inschrift D befindet sich am Schwellbalken des zweiten Obergeschosses. Alle Inschriften sind erhaben ausgeführt und farbig gefaßt.

Maße: L.: 250 cm, B.: 20 cm; Bu.: 14 cm (A).L.: 340 cm; B.: ca. 20 cm; Bu.: ca. 14 cm (B).L.: 245 cm; B.: ca. 40 cm; Bu.: 14 cm (C).L.: 1080 cm; B.: 30 cm; Bu.: 18 cm (D).

Schriftart(en): Kapitalis.

Christine Wulf [1/1]

  1. A

    ZV GODT ALLEIN · DIE HOFNVNG MEIN:

  2. B

    HENNI WICHGMANa) · ANNO · 1638 MAGDALENA SWARTZEb)

  3. C

    DER HERR BEWAHRc) DEINEN EINGANG VND /d) AVSGANG VON NVN AN BIS IN EWICHKEIT1).

  4. D

    PSAL. 126 WO DER HERR NICHT DAS HAVS BAWET SO ARBEITEN VMBSONST DIE DRAN BAWEN · WO DER HERR NICHT DIE STADT BEHVTET SO WACHT DER WACHTER · VMBSONSTe)2)

Kommentar

Der in der Inschrift B genannte Henni Wichmann ist im Jahr 1613 aus Aerzen nach Hameln übergesiedelt3). In dieser Zeit zogen einige Kaufleute aus der Umgebung nach Hameln, um sich in der Stadt niederzulassen. Anlaß für diesen Zuzug von außen war eine gewisse Stagnation im städtischen Handel, da von den alteingesessenen Hamelner Kaufleuten niemand mehr „gehumoriert und geschickt“ war, erfolgreich Handel zu betreiben4). Zugezogene, wie der Kornhändler Wichmann, konnten es daher zu einigem Reichtum bringen. Wichmann erwarb insgesamt drei Häuser: eins im Jahr 1618 in der Bäckerstraße, wahrscheinlich im Zusammenhang mit seiner zweiten Heirat im selben Jahr. Während der Belagerung durch Tilly kaufte er das zweite, ebenfalls im Bäckerquartier gelegene Haus, 1638 baute er dann das Haus Wendenstraße 8.

Henni Wichmann war in erster Ehe mit Ilse Potthast verheiratet, die wohl bald nach der Übersiedlung in Hameln starb. 1618 heiratete er Magdalene Schwartze, die Tochter einer alteingesessenen Hamelner Kaufmannsfamilie. Das Todesdatum Wichmanns konnte nicht ermittelt werden, wahrscheinlich ist er nach 1663 gestorben, da das Türkensteuerregister des Jahres 1664 dem Namen den Vermerk s. H. (= sein Haus) hinzusetzt, wo noch im Jahr zuvor nur sein Name stand5). Anhand des im Stadtarchiv befindlichen Kirchenbuchregisters war keine nähere Festlegung seines Todesdatums möglich, da sowohl 1664 als auch 1668 ein Träger des Namens Henni Wichmann gestorben ist.

Textkritischer Apparat

  1. A ohne Mittelbalken.
  2. Z ist als kleiner Buchstabe mit dem voraufgehenden T verbunden.
  3. BEWAHR] A ohne Mittelbalken; segne Rothert.
  4. Nach VND zwei kurze schrägparallele Striche.
  5. VMBSONST] umsonst 1638 Rothert.

Anmerkungen

  1. Ps. 121, 8.
  2. Ps. 127, 1f. Der Nachweis der zitierten Stelle, den die Inschrift gibt, ist falsch, legt man die Psalterzählung der Lutherbibel zugrunde. Er stimmt aber, wenn man die aus der Vulgata herübergenommene Zählung des Gallicanums zugrunde legt. Angesichts der Entstehungszeit der Inschrift 1638 ist es als merkwürdig festzuhalten, daß sich die alte Zählung so lange bewahrt hat.
  3. Zum folgenden vgl. Heinrich Spanuth, Die Wichmanns in der Wendenstraße. Ein Kaufmann schwimmt gegen den Strom. In: Jahrbuch 1967, S. 46–49.
  4. Vgl. Neukirch, S. 112. – Neukirchs Darstellung gründet sich auf Akten des Staatsarchivs Hannover, Cal. Des. 8. Ham. Nr. 46. Zitat nach Neukirch, S. 112.
  5. Sta Hameln, Türkensteuerregister von 1663 und 1664.

Nachweise

  1. Rothert, S. 18 (A, C, D).
  2. Meissel, Inschriften, S. 52.

Zitierhinweis:
DI 28, Hameln, Nr. 141 (Christine Wulf), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di028g004k0014102.