Inschriftenkatalog: Stadt Hameln

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 28: Hameln (1989)

Nr. 98 Osterstr. 3 1599

Hinweis: Die vorliegende Online-Katalognummer ist im Vergleich zum gedruckten Band mit Ergänzungen und Korrekturen versehen. Sie finden diese am Ende des Artikels. [Dorthin springen]

Beschreibung

Hausinschriften. Giebelständiges, dreigeschossiges Fachwerkhaus. 1. Obergeschoß sieben Gefache, 2. Obergeschoß sechs Gefache breit. Die Ständerbalken des Dachgeschosses sind ornamental verziert. Inschrift A befindet sich auf dem Deckbalken des 2. Obergeschosses, gold auf rotem Grund hervorgehoben. Sie hat vielleicht eine Fortsetzung auf dem Deckbalken des 1. Obergeschosses gehabt1), die aber wohl schon zu Zeiten Herrs 1761 verdeckt war. Inschrift B befand sich nach Angaben Herrs über der Tür2). Sie ist nicht mehr erhalten.

Inschrift B nach Herr.

Maße: Bu.: ca. 12 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

Julia Zech [1/4]

  1. A

    WIE · MAN · TAVSENT · FVNFHVNDERT · GESCHRIEBENa) ·DER · WEINIGERb) · ZAHL · NEVNZIG · SIEBEN ·VND · IN · NEGSTFOLGENDEc) · ZWEEd) · IAHRN ·HAT · MAN · VIER · GROSSE PLAGE ERFAHRENe)[. . . . .]

  2. B

    [Thiele RömerAnna Breyer1599]

Kommentar

Von den vier in Inschrift A erwähnten Plagen lassen sich in Hameln für die Jahre 1597–1599 nur zwei – Pest und Hungersnot – nachweisen3).

Der in Inschrift B genannte Thiele Römer hat mit seiner Ehefrau Anna Breyer, Tochter des Harmen Breyer (vgl. Nr. 88), das Haus Osterstr. 3 seit 1582 bewohnt. In diesem Jahr taucht sein Name zum ersten Mal in den Schoßlisten an der einschlägigen Stelle auf4). Im Jahr 1590 war er Vorsteher des Krameramts (vgl. Nr. 93). Thiele Römer ist zwischen 1620 und 1623 gestorben5). Das Epitaph der Familie Römer befand sich ehemals an der Südwand des Münsterkirchhofs (vgl. Nr. 106). Anna Breyer ist zwischen 1634 und 1648 gestorben6).

Textkritischer Apparat

  1. GESCHRIEBEN] schrieben Herr, Rothert, Meissel.
  2. WEINIGER] wenigren Meissel; wenig’ren Rothert; fehlt Herr.
  3. NEGSTFOLGENDE] nachfolgende Herr; negstfolgenden Rothert, Meissel.
  4. ZWEE] zwölf Herr; 12 Rothert, Meissel.
  5. Die letzten drei Buchstaben sind aus Platzgründen unter die Zeile gesetzt worden.

Anmerkungen

  1. Vgl. Meissel, Inschriften, S. 41.
  2. Die Inschrift wird von Herr nur erwähnt: „Beyder Eheleute Namen stehen noch über der Thür desselben mit der Jahreszahl 1599.“
  3. Vgl. Nr. 96.
  4. Sta Hameln, Schoßliste von 1582. Das Haus Osterstr. 3 steht unter den ersten Eintragungen im Osterquartier.
  5. In der Schoßliste von 1623 ist sein Name mit dem Zusatz R (= Relicta) versehen, folglich hat seine Witwe den Schoß bezahlt.
  6. Die Ungenauigkeit der Angabe erklärt sich dadurch, daß die Schoßlisten der dazwischenliegenden Jahre fehlen.

Nachweise

  1. Herr, S. 176.
  2. Rothert, S. 28.
  3. Meissel, Inschriften, S. 40f. (nur A).
Addenda & Corrigenda (Stand: 23. August 2019):

Nachdem der Schwellbalken des 1. Obergeschosses am Haus Osterstr. 3 bei einer Restaurierung im Jahr 2005 freigelegt wurde,7) lässt sich die Inschrift wieder komplett lesen. Sie lautet im Zusammenhang:

  1. WIE · MAN · TAVSENT · FVNFHVNDERT · GESCHRIEBENa) · DER · WEINIGERb) · ZAHLf) · NEVNZIG · SIEBEN · VND · IN · NEGSTFOLGENDEc) · ZWEE · IAHRN · HAT · MAN · VIER · GROSSE PLAGE ERFAHRENe) // DAN · ERSTLICH · FIEL · EIN · HVNGERS · NOTT · DRAVF · FOLGTE · DIE · PEST · MIT · SCHNELLEN · TODT IM [KRIEG BEVTGANG VNS ENG]STEN · SEHR · MACHS · DOCH · EIN · END · O · GODT · VN(D) · [HERR]

Übersetzung:

Als man 1500 geschrieben hat und die mindere Zahl 97 hinzukam, da hat man in den folgenden zwei Jahren vier große Plagen erfahren: als erstes eine Hungersnot, darauf folgte die Pest mit einem schnellen Tod, im Krieg ängstigten uns dann die Plünderungen. Mach [diesem] doch ein Ende, oh Gott und Herr.

Vers 4 der Inschrift kündigt zwar vier Plagen an, im Folgenden werden allerdings nur drei genannt. Es scheint sich daher eher um eine allgemeine Zeitklage zu handeln, als um die Bezugnahme auf konkrete historische Ereignisse in Hameln.

Textkritischer Apparat

  1. WEINIGER ZAHL meint die Minderzahl, d. h. die Zehner und die Einer der Jahreszahl, vgl. Hermann Grotefend, Zeitrechnung des deutschen Mittelalters und der Neuzeit. 2 Bde. Hannover 1891-1898. Neudruck Aalen 1997, S. 123 s. v. „Mindere Zahl“.

Anmerkungen

  1. 7.Vgl. DEWEZET vom 23. Juni 2005, S–9.

Zitierhinweis:
DI 28, Hameln, Nr. 98 (Christine Wulf), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di028g004k0009807.