Inschriftenkatalog: Stadt Halberstadt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 86: Halberstadt (Stadt) (2014)

Nr. 322† Liebfrauen E. 13. Jh.–17. Jh.?

Beschreibung

Glocke; Bronze; mit einer versifizierten Funktionsangabe als Glockenrede, die Glockentugenden aufzählt.

Text nach Haber.

  1. En ego campana nunquam denuncio vana Laudo DEUM verum plebem voco congrego clerum

Übersetzung:

Wohlan, ich, als Glocke, künde niemals nichtige [Dinge] an. Ich lobe den wahren Gott, rufe das [Kirchen]volk, versammle die Geistlichkeit.

Versmaß: Zwei Hexameter, zweisilbig rein leoninisch gereimt.

Kommentar

Die einzige Nachricht über drei sonst nirgends erwähnte Glockeninschriften findet sich im „Kirchenführer“ zur Liebfrauenkirche von Conrad Matthias Haber aus dem Jahr 1737 unter der lapidaren Überschrift: „An den Glocken stehen diese Schriften“.1) Die betreffenden Inschriften befanden sich jedoch nicht mehr an den Glocken der Liebfrauenkirche, die Nebe im Jahr 1876 publizierte.2) Deshalb ist anzunehmen, daß die Glocken mit den nur von Haber überlieferten Inschriften zwischenzeitlich verlorengegangen sind.3) Über das Alter dieser Glocke läßt sich nur spekulieren, weshalb sie auch methodisch korrekt an das Ende des Bearbeitungszeitraums zu setzen ist. Nach der o. g. Inschrift könnte die Glocke sowohl schon im 13. Jahrhundert als auch noch am Anfang des 18. Jahrhunderts entstanden sein. Vergleichsbeispiele für den ersten Hexameter sind in den Jahren 1279 und 1511 in Österreich, 1499 und 1584 in Schlesien4) sowie 1513 in Bretzenheim (Lkr. Bad Kreuznach)5) belegt. Der zweite Vers kommt seit 1278 bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts in vielen Glockeninschriften in Mittel- und Nordeuropa vor und wird schon bei Johannes Gerson erwähnt.6)

Anmerkungen

  1. Haber 1737, S. 25.
  2. Nebe 1876, S. 293–295.
  3. Vgl. auch die Chorglocken des Domes; DI 75 (Halberstadt Dom), Nr. 28, 29, 30.
  4. Walter 1913, S. 190 mit Anm. 2.
  5. DI 34 (Lkr. Bad Kreuznach), Nr. 243.
  6. Walter 1913, S. 186 f. jeweils mit Anm. 1; DI 29 (Stadt Worms), Nr. 91 †, DI 49 (Odenwaldkreis), Nr. 135 sowie in Langen (Lkr. Offenbach), vgl. Walter 1913, S. 187.

Nachweise

  1. Haber 1737, S. 25.

Zitierhinweis:
DI 86, Halberstadt (Stadt), Nr. 322† (Hans Fuhrmann), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di086l005k0032209.