Inschriftenkatalog: Stadt Halberstadt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 86: Halberstadt (Stadt) (2014)

Nr. 280 St. Johannes 1640

Beschreibung

Kelch; Silber, vergoldet; gut erhalten, einige leichte Dellen, Vergoldung teilweise etwas abgerieben; über einem Standring mit Hohlkehle, der anschließend nach oben gewölbt zu der sehr schmalen Zarge führt, die, von zwei Hohlkehlen gefaßt, eine Prägung von Rauten und doppelten Längsstrichen zeigt, erhebt sich der Sechspaßfuß mit flach gerundeten Blättern, einer der Pässe ist mit einer aufgesplinteten, gegossenen Kreuzigungsgruppe geschmückt, auf dem Schriftband am oberen Kreuzende der Kreuztitulus (B), der sechseckige Anlauf ist steil, der Übergang zum Schaftring ist mit vier Graten verziert, zwischen Nodus und Schaft nur jeweils mit einem Grat, zwischen Schaft und Kuppa eine Doppelkehle, die Zungen des flachen Nodus sind mit durchbrochenen Maßwerkfenstern verziert, die Schaftseiten zeigen Kreuzblüten, auf den durch Doppelkehlen abgesetzten Rotuli erhaben ausgeführt die Anrufung (A), in die Unterseite des Standrings graviert der Stifter- oder Goldschmiedename mit Jahres- und Gewichtsangabe (C). Alle Inschriften graviert.

Maße: H. 24,4 cm, D. 13,8 cm (Kuppa), 15,8 cm (Fuß), Bu. 1,2 cm (A), 0,1 cm (B), 0,3 cm (C).

Schriftart(en): Kapitalis (A–C), Schreibschrift (letztes Wort von C).

SAW Leipzig, Inschriftenkommission (Hans Fuhrmann/Marion Gronemann) [1/1]

  1. A

    I//H//E//S//V//S//a)

  2. B

    I(HESVS) N(AZARENVS) R(EX) I(VDEORVM)1)

  3. C

    ANDREAS · SCHMEDT · ANNO · 1640 · WIGET · 48 · lott

Übersetzung:

B: Jesus aus Nazareth, der König der Juden.

Kommentar

Die Buchstaben in der Inschrift A wirken wie von frühhumanistischer Kapitalis beeinflußt. Die Schrift zeichnet sich durch verbreiterte Schaft-, Balken- und Bogenenden aus. E ist retrograd. Der Bügel des H weist nach oben. I hat einen Nodus in der Schaftmitte. Es stellt sich die Frage, ob man aus diesen Formen auf einen möglichen Vorgängerkelch schließen darf, der als Vorbild gedient haben könnte? Inschrift C ist teilweise in Konturschrift ausgeführt. An den Enden von Schäften, Balken und Bögen schließen feine Serifen die Buchstabenteile ab. Der linke Schrägschaft des spitzen A ist einfach ausgeführt. Er weist eine Schlinge am Ansatz auf. Diese Inschrift gleicht ein wenig derjenigen an einer Oblatendose aus St. Moritz (Nr. 281), die eine Inschrift aus demselben Jahr trägt.2) Deshalb sollen die beiden Stücke aufgrund ihrer Schrift hier als Produkte einer „Halberstädter Goldschmiedewerkstatt von 1640“ verstanden werden.

Da keiner der bekannten Pfarrer der Johanneskirche den Namen Andreas Schmedt oder einen ähnlichen trug, könnte es sich um den Namen eines Kirchvaters oder, wie auch der Anbringungsort der Inschrift nahelegt, des Goldschmiedes handeln, der den Kelch gefertigt hat.

Textkritischer Apparat

  1. IHESVS] Das E retrograd.

Anmerkungen

  1. Io 19,19.
  2. Vgl. Nr. 281.

Nachweise

  1. BKD, S. 374.

Zitierhinweis:
DI 86, Halberstadt (Stadt), Nr. 280 (Hans Fuhrmann), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di086l005k0028006.