Inschriftenkatalog: Stadt Halberstadt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 86: Halberstadt (Stadt) (2014)

Nr. 192(†) Kommisse † / Städtisches Museum 1596, 1613–1615, 1726

Beschreibung

Portal der sog. Kommisse, ehemals Holzmarkt 439–441 bzw. 20, innerhalb des Giebels befand sich das Wappen des postulierten Halberstädter Bischofs, des Herzogs Heinrich Julius von Braunschweig,1) unterhalb des Giebelgebälks zu beiden Seiten eines Löwenkopfes die Wappenbeischrift samt Jahreszahl (A), im Giebelfeld oberhalb beiderseits des Wappens angeordnet das Renovierungsdatum (B). Die Inschrift A vielleicht im Jahre der Renovierung nachgezogen oder neugestaltet. Die Fragmente des Wappenfrieses (C–F2); der ehemals an der Fassade „neben der Eingangstür“2) der Kommisse angebracht war, seit den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts in der Nordwestecke des Domkreuzganges aufbewahrt, zuletzt im Lapidarium im Untergeschoß des Südturmes des Domes;3) Sandstein, hell, farbig gefaßt. Es handelt sich um fünf Bruchstücke mit Schriftleisten sowie acht Wappentafeln von je ca. 54 ^* 54 cm Größe und zwei möglicherweise zugehörige Hermenpilaster mit Beschlagwerkornamentik; mindestens zwei Fragmente fehlen,4) alle Stücke bestoßen, Farbfassung und Vergoldung der Buchstaben verblaßt bzw. abgeblättert. Der Fries war von einem profilierten Wasserschlag nach oben abgeschlossen, darunter standen die erhaben ausgehauenen Wappenbeischriften (C–F2) in eingetieften Inschriftenfeldern.

Text (A, B) nach Foto MBI Nr. 88 305, Ergänzungen nach BKD (A, B) und Arndt (C–F2).

Maße: H. 113 cm (C), 119 cm (D), 94,7 cm (E), 66,7 cm (F1), 102,5 cm (F2), B. 16,3 cm (C), 16 cm (D, E, F1, F2), T. 12,5 cm (C), 20 cm (D), 15,5 cm (E), 15,5 cm (F1), 19,5 cm (F2), Bu. 2,8–3,4 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

SAW Leipzig, Inschriftenkommission (Wolfgang Huschner) [1/5]

  1. A †

    VON . GOTTES . GNADEN . HENRICVS // IVLIVS POSTVLIRTER BISCHOFF / DES . STIFFTSa) . ZV . HALBERSTADT . // HEERZOG . ZV . BRAVNSW(EIG)b) V(ND)c) LVNEB(VRG)d) 1596

  2. B †

    RENOVA // TVMe) 1726

  3. C

    [M(AGISTER)]f) . IOANN(ES)g) GEORG(IVS)h) . A . SCHVLEN(BVRCH)i) / [SEN(IOR)]j) CELLAR(IVS)k) // IOACHIMVSl) . ERNESTVS . A . BIEREN / PRAEP(OSITVS)m) S(ANCTI)n) . PAVLI .

  4. D

    CASPARVS WRAMPE ·· // LVDOVICVS · A · LOCHAW · / SCHOLAST(ICVS)o) PRAEP(OSITVS)p) B(EATAE)q) . M(ARIAE) . V(IRGINIS) .

  5. E

    [ABRAHAMVS . A . RINETORF . EITELr) IO]//HANNESs) . AB . HOLLA . // ERNESTVS . AB . HOPPENKO[RF] . / THESAVR(ARIVS)t)

  6. F1

    A[RNOLDVS]u) . SPIGELv) / A . PICKELSHEIM . // IOHAN .

  7. F2

    LE/VIN(VS) A . BENDESSEM / PRAE/P(OSITVS)w) WALBECEN(SIS)x) // HENRICVS . A . LOCHAW .

Übersetzung:

B: Renoviert 1726. C: Magister Johann Georg von der Schulenburg Senior, Cellarius; Joachim Ernst von Bieren, Propst von St. Paul. D: Caspar Wrampe. Ludwig von Lochow, Scholaster, Propst der seligen Jungfrau Maria (Liebfrauen). E: Abraham von Rintorf. Eitel Johannes von Holle. Ernst von Hopkorff, Thesaurar. F1/2: Arnold Spiegel von Pickelsheim. Johann Levin von Bennigsen, Propst von Walbeck. Heinrich von Lochau.

Wappen:
Heinrich Julius von Braunschweig5)Schulenburg6)Byern7)Wrampe8)Lochow9) Rintorf10)Hopkorff11) Bennigsen12) Lochow13)

Kommentar

Einige Buchstaben der erhaltenen Inschriften (C–F2) etwa B oder S werden auf dem Rand über dem Inschriftenfeld fortgesetzt, der obere Bogen ist dann nur aufgemalt. Der untere, etwas größere Bogen des B steht leicht nach links über den Schaft über. C weist teilweise an beiden Bogenenden, teils nur am unteren einen Sporn auf. E ist als Epsilon-E ohne Sporen an den Bogenenden gestaltet. Das kapitale E weist einen verkürzten oberen und mittleren Balken auf, der untere ist stark verlängert. Die Sporen an den Balkenenden sind wie üblich ausgezogen. H ist sehr breit proportioniert. Der Balken ist breiter angelegt als die Hasten. Die obere Haste des K verläuft gerade und ist kürzer, während die untere nach rechts durchgebogen wird. Der Bogen des P ist so groß, daß für den unteren Schaftteil kaum Platz verbleibt. Der vergrößerte Buchstabe im Namen PICKELSHEIM ist unter den Schaft verlängert und endet ohne Sporn. Die Cauda des R ist geschwungen, im Wort ARNOLDVS unter die Zeile gezogen. Als Worttrenner, Trennzeichen und Kürzungszeichen fungieren meist Quadrangel, einmal Virgeln.

Die Kommisse hatte der postulierte Bischof Heinrich Julius von Braunschweig-Lüneburg im Jahr 1596 – angeblich für 72.000 Taler – an Stelle von drei Brauhäusern, die er gekauft hatte, als Schloß erbaut, in dem höhere Gäste untergebracht werden sollten.14) Im Jahr 1604 wurde das Gebäude gegen den Widerstand von Domkapitel, Stadtrat und den Gilden erheblich erweitert.15) Nach dem Tod von Herzog Heinrich Julius 1613 hat es sein Nachfolger als Herzog von Braunschweig-Lüneburg, Herzog Friedrich Ulrich, dem Domkapitel geschenkt, weil dieses die Schulden des Landesherrn übernommen hatte.16) Zur Belohnung für die Wahl eines Braunschweigers – Heinrich Julius’ jüngsten Sohnes – zum postulierten Bischof hatte auch die Kommisse gehört.17) Ob der Bau des Gebäudes auf den fürstlichen Baumeister Paul Francke zurückgeht, weiß man nicht.18)

Die Wappenbeischriften (C–F2) können frühestens um 1613 oder eher noch kurz danach entstanden sein, wie aus der Reihenfolge der Domherren hervorgeht.19) Da zumindest einer der genannten Domherren, Ernst von Hopkorff (1552–1615)20), wenige Jahre nach der Schenkung nicht mehr lebt, muß die Wappenreihe zwischen 1613 und 1615 entstanden sein. Offensichtlich fehlten von Anfang an die Wappen des Domdekans Matthias von Oppen und dreier weiterer Domherren: Ernst von Arnstedt, Joachim von Treskow, Leopold von Rössing. Ein Grund dafür ist nicht bekannt. Trotz der Auslassung ihrer Namen kann der Zeitpunkt für die Anbringung deshalb nicht erst in die Jahre nach 1621 gefallen sein, als der Domdekan Matthias von Oppen (vgl. zu ihm: DI 75 (Halberstadt Dom), Nr. 255) gestorben war. Im Jahr 1624 oder danach war Leopold von Rössing verstorben, der im Ende 1623 noch gelebt hatte (vgl. DI 75 (Halberstadt Dom), Nr. 258 †). Über die Schicksale der anderen Domherren sind keine verläßlichen Nachrichten überliefert.

Textkritischer Apparat

  1. STIFFTS] Der letzte Buchstabe unklar. Er wirkt wie ein deutsches Z, steht aber m. E. für S.
  2. BRAVNSWEIG] Durch einen Punkt gekürzt. Braunschweig Scheffer; Bravnschw. Arndt.
  3. VND] Durch einen Punkt gekürzt.
  4. LVNEBVRG] Lüneburg Scheffer; Lvneb. Arndt.
  5. RENOVATVM] Renov. Scheffer.
  6. MAGISTER] M. Arndt.
  7. IOANNES] Gekürzt durch nachgestellten Doppelpunkt.
  8. GEORGIVS] Kürzungszeichen fehlt.
  9. SCHVLENBVRCH] Gekürzt durch nachgestellten Doppelpunkt. Schreibweise der Auflösung nach zeitgenössischem Brauch.
  10. SENIOR] Arndt verzeichnet hier einen Worttrenner. Vielleicht handelte es sich um ein nicht erkanntes Kürzungszeichen.
  11. CELLARIVS] Gekürzt durch nachgestellten Doppelpunkt.
  12. IOACHIMVS] Joachmus (Sic!) Arndt.
  13. PRAEPOSITVS] Gekürzt durch nachgestellte, vertikal übereinandergestellte Virgeln.
  14. SANCTI] Kürzungszeichen fehlt.
  15. SCHOLASTICVS] Gekürzt durch nachgestellten Doppelpunkt.
  16. PRAEPOSITVS] Gekürzt durch nachgestellten Doppelpunkt.
  17. BEATAE] Dieses und die beiden folgenden Wörter durch nachgestellte Punkte auf der Grundlinie gekürzt.
  18. EITEL] So Arndt. Auf dem Wappenfries von 1613 in der Neuenstädter Kapelle lautet die Namensform IDEL, vgl. DI 75 (Halberstadt Dom), Nr. 252.
  19. IOHANNES] Das H beschädigt; Johannes Arndt.
  20. THESAVRARIVS] Gekürzt durch nachgestellten Doppelpunkt; fehlt Arndt.
  21. ARNOLDVS] Nur noch die rechte Schräghaste des ersten Buchstaben vorhanden. Diese Namensform bei Arndt und DI 75 (Halberstadt Dom), Nr. 252. Nr. 233 hat die Form ARNDT.
  22. SPIGEL] Sic! Spiegel Arndt.
  23. PRAEPOSITVS] Gekürzt durch nachgestellten Doppelpunkt.
  24. WALBECENSIS] Gekürzt durch nachgestellten Doppelpunkt.

Anmerkungen

  1. BKD, S. 451.
  2. Arndt 1910 a, S. 101 f.
  3. Erfassungskarte vom 1. 11. 1967 von Karin Iffert, Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig, Inschriftenkommission, Halle, Archiv.
  4. Die beiden Wappentafeln des Eitel Johannes von Holle und des Arnold Spiegel von Pickelsheim.
  5. Abweichend von Siebmacher St, S. 144 mit Taf. 227.
  6. Vgl. auch DI 75 (Halberstadt Dom), Nr. 252; Siebmacher Han, S. 16 mit Taf. 17; ebd. Pr S. 368 mit Taf. 417; ebd. ThüA, S. 83 mit Taf. 65. Das Wappen ist linksgewendet, die Tinkturen sind teilweise verwischt, die Helmzier fehlt.
  7. Vgl. DI 75 (Halberstadt Dom), Nr. 252; Siebmacher Pr, S. 104 mit Taf. 137; ebd. PrE, S. 35 mit Taf. 29. Die Tinkturen sind erloschen.
  8. Vgl. DI 75 (Halberstadt Dom), Nr. 252; Siebmacher SaA, S. 191 mit Taf. 124; ebd. SaAE, S. 33 mit Taf. 26 (abweichend). Die Tinkturen sind erloschen.
  9. Vgl. DI 75 (Halberstadt Dom), Nr. 252; Siebmacher Pr, S. 243 mit Taf. 293; ebd. AnhA, S. 38 mit Taf. 21 (abweichend).
  10. Vgl. DI 75 (Halberstadt Dom), Nr. 252; Siebmacher BraA, S. 75 mit Taf. 44; ebd. AnhA, S. 49 mit Taf. 28. Die Tinkturen sind erloschen.
  11. Vgl. DI 75 (Halberstadt Dom), Nr. 252; Siebmacher SaA, S. 77 mit Taf. 48. Die Tinkturen sind erloschen.
  12. In Blau ein goldener schräggelegter Armbrustschaft, HZ: über Helmwulst zwei Armbrustschäfte nach rechts und links gelehnt. Vgl. auch DI 75 (Halberstadt Dom), Nr. 252; Siebmacher AnhA, S. 73 mit Taf. 42 mit abweichenden Tinkturen.
  13. Wie Anm. 9. Die Tinkturen sind erloschen.
  14. Scheffer 1864, S. 20; BKD, S. 450.
  15. Ebd.
  16. Scheffer 1864, S. 20; BKD, S. 450. Diese Schenkung ist jedoch 1685 als Teil des bischöflichen Tafelgutes von den Finanzbehörden rechtlich angefochten worden und 1696 an den Kurfürsten Friedrich III. von Brandenburg abgetreten worden.
  17. Vgl. Opel 1869, S. 388; Mülverstedt 1894, S. 171 f., 175, 340, 454.
  18. Seeleke 1940, S. 50.
  19. Vgl. DI 75 (Halberstadt Dom), Nr. 252; vgl. auch Scheffer 1864, S. 22 f., der die Wappen und die Inschriften an Dompropstei (siehe unten Nr. 233), Kommisse und Rentamt (die sich heute wohl in der Neuenstädter Kapelle des Halberstädter Doms befinden, vgl. DI 75 (Halberstadt Dom), Nr. 252) zu einer Reihe zusammenfaßt, so daß nicht mehr eindeutig zu erkennen ist, welche Reihe die Grundlage für seine Äußerungen bildete. Über der Wappenreihe stand in einer Zeile die Inschrift W · I · E · D · E · R · H · E · R · G · E · S · T · E · L · L · T · I · M · J · A · H · R[- - -].
  20. Bünting/Letzner 1722 Bd. 2, S. 1074.

Nachweise

  1. Scheffer 1864, S. 21–23 (A, B).
  2. BKD, S. 451 (A, B).
  3. Arndt 1910 a, S. 101 f.
  4. MBI, Foto Nr. 88 305 (A, B).

Zitierhinweis:
DI 86, Halberstadt (Stadt), Nr. 192(†) (Hans Fuhrmann), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di086l005k0019206.