Inschriftenkatalog: Stadt Halberstadt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 86: Halberstadt (Stadt) (2014)

Nr. 157† Gerberstraße 1 † 1575, 1614

Beschreibung

Eckhaus Gerberstraße/Wassertor, ehemals Haus Nr. 1095; an einer Eckkonsole im Untergeschoß war ein Küfer zu sehen, der einen Reifen um ein Faß schlug,1) am westlichsten Balkenkopf befand sich die fragmentierte Zahl (A), am westlichen Beginn des Schwellbalkens die Jahreszahl (B), im weiteren Verlauf das Bibelzitat (C), am Nebenhaus zum Wassertor hin sah man die historische Nachricht (D) und als Bauinschrift den Namen mit dem Tagesdatum (E).2) Die Inschriften A–C waren wohl eingetieft angebracht.3)

Text nach Arndt.

  1. A

    47

  2. B

    1575a)

  3. C

    Psalm 121 . Sieh der Hveter Jsraehll slept noch sclvmet nicht . Der Herr behvete deinen Avsgang vnt Eingang van nvn an bis in Ewiket .4)

  4. D

    Anno 1574 ist in diesen Havse der erste Breyhan gebravwet .

  5. E

    Andreas Westphaleb) Annoc) 1614 den 20 . Jvnivs

Übersetzung:

C: Psalm 121. Siehe der Hüter Israel schläft und schlummert nicht. Der Herr behüte deinen Ausgang und Eingang von nun an bis in Ewigkeit.

Kommentar

Andreas Westphal ist tatsächlich als Brauberechtigter in Halberstadt für das Jahr 1574 mit der Bezeichnung „Broyhanbrauer in Halberstadt“ genannt.5) Inschrift D scheint Scheffer entweder entgangen zu sein, weil sie sich am Nebenhaus zum Wassertor hin befand, wie Arndt berichtet, der sie noch gesehen haben will, oder aber es handelte sich um eine historisierende Inschrift, die erst zwischen 1864 und 1910 aus Lokalpatriotismus angebracht worden ist.6) Jedoch beschreibt auch Niemann im Jahr 1824, daß in der „Andr. Westphalschen Wohnung 1574 zuerst Broihan in Halberstadt gebraut worden“ sei.7) Ebenfalls berichtet Elis in seiner Chronik 1859, daß „in dem Eckhause an der Gerberstraße nach dem Wasserthor hin gebraut, wie man im Bauholze dies noch eingeschnitten lesen kann.“8) Scheffer nahm sie dort nachweislich nicht wahr.9)

Textkritischer Apparat

  1. 1575] 1535 Scheffer. Das ebd. erschlossene Distichon: Grandia si summo fierent convivia coeli / Breihanum superis Jupiter ipse daret (Wenn im hohen Olymp große Gelage veranstaltet würden, so würde Jupiter selbst den Göttern Broihan vorsetzen.), war dort wohl nie ausgeführt gewesen. Scheffer stellt auch keine Reste dieser Inschrift fest, deren Anbringung offensichtlich ganz seiner Phantasie entsprungen zu sein scheint. Das Distichon findet man in Johann Georg Theodor Grässes Sagenbuch des Preußischen Staates, Bd. 1, S. 337 f., das aber erst zwischen 1868 und 1871 erschienen ist, wo die Geschichte zu Erfurt gestellt wird. Danach soll das Broihan genannte Weißbier ein „Conrad Breyhan, der es zu Stöcken, einem bei Hannover gelegenen Dorfe, im Jahre 1526 erfand“, zuerst gebraut haben. Vgl. auch Krünitz 1787, S. 162. Frantz 1853, S. 186 erwähnt das Brauhaus und nennt das Jahr; außerdem zitiert er vor Scheffer die Gedichtzeilen mit der ausdrücklichen Hinzufügung „wie das in der vaterländischen Geschichte vorkommende Distichon lehrt.“ Vermutlich hatte Scheffer daher – er zitiert Frantz im Zusammenhang mit dem Gebäude – seine Kenntnis der Verse.
  2. Westphale] Westphal Scheffer, BKD.
  3. Anno] Fehlt Scheffer, BKD.

Anmerkungen

  1. Niemann 1824, S. 16, nennt die Gerberstraße wie „noch im Volksmund“ Weberstraße; die Straße führte in zwei Teilen unterschiedliche Namen, vgl. Elis 1859, S. 41 f.; Scheffer 1864, S. 27 f.; BKD, S. 480.
  2. Arndt 1910 a, S. 96, 105.
  3. Elis 1859, S. 42.
  4. Ps 121, 4–5; vgl. auch Luther Heilige Schrifft Deudsch, S. 1077.
  5. Bandau 1932, S. 52.
  6. Vgl. Scheffer 1864, S. 27 f.; Arndt 1910 a, S. 96.
  7. Niemann 1824, S. 16.
  8. Elis 1859, S. 41 f.
  9. Scheffer 1864, S. 27.

Nachweise

  1. Scheffer 1864, S. 27 f. (A, B, E).
  2. BKD, S. 480 Anm. 2 (E).
  3. Arndt 1910 a, S. 96 (A–D), 105 (E).

Zitierhinweis:
DI 86, Halberstadt (Stadt), Nr. 157† (Hans Fuhrmann), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di086l005k0015702.