Inschriftenkatalog: Stadt Halberstadt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 86: Halberstadt (Stadt) (2014)

Nr. 118 Liebfrauen 1547

Beschreibung

Grabplatte für Johannes Mensing, Bischof von Akkon;1) der Verstorbene hatte sich testamentarisch einen Platz an der östlichen Türe der Kirche erbeten,2) heute befindet sich die Grabplatte als fünfte von Westen an der Nordwand des Langhauses; Sandstein, hell, durch Erosion vor allem in den unteren zwei Dritteln stark beschädigt, die unteren Evangelistenmedaillons fast ganz zerstört, Schriftausfall; Relief, in leicht eingetieftem Innenfeld, ein Bischof leicht seitlich stehend, bekleidet mit bestickter Mitra, Pluviale, Rochett und Pontifikalhandschuhen, ein Bischofskreuz umgelegt, das Pedum mit Panisellus in der Linken haltend, die Rechte segnend erhoben, zu Füßen ein Wappen, am Rand einzeilig umlaufend die eingehauene Sterbeinschrift (A), in den Ecken unterbrochen von Medaillons mit den Evangelistensymbolen, auf deren Spruchbändern einzeilig erhaben die Tituli (B) angebracht sind.

Maße: H. 185 cm, B. 102,2 cm, T. ca. 20 cm, Bu. 8,5–9 cm (A), 3 cm (B).

Schriftart(en): Kapitalis mit Elementen frühhumanistischer Kapitalis und eingestreuten Buchstaben in gotischer Minuskel sowie Versalien in gotischer Majuskel.

SAW Leipzig, Inschriftenkommission (Markus Scholz) [1/2]

  1. A

    ANNOa) · D(OMI)NI · 1 · 5 · 47 // 8 · AVGVSTIb) O(BIIT)c) · R(EVERENDVS) D(OMI)N(V) [S ... .....]NGKd) E[..]e) // ACCON[ENSIS]f) [- - -] // [- - -]ORH[.]E(VS)g) · CAN(ONICVS)h) · C(VIVS) · A(NIMA) · R(EQVIESCAT) · I(N) · P(ACE)

  2. B

    S(ANCTVS) // MATTEVS // S(ANCTVS) // MARCVS

Übersetzung:

A: Im Jahre des Herrn 1547 am 8. August starb der ehrwürdige [- - -]ngk B[ischof] von Akkon [- - -] Senior? Kanoniker? Seine Seele ruhe in Frieden. B: Der heilige Matthäus. Der heilige Markus.

Wappen:
Mensing3)

Kommentar

Die ausgeprägten Serifen an den Schaftenden der Inschrift A sind in der oberen und rechten Leiste am oberen Ende stark verbreitert, im unteren rechten Abschnitt sind sie dünner ausgeführt, oder die Oberfläche ist etwas vergangen. An den Buchstabenenden finden sich hier gegabelte Sporen. Beide Schäfte des Initial-A verlaufen lotrecht, der Balken setzt waagerecht in der Mitte des rechten Schafts an und wird links ohne den linken Schaft zu berühren von einem s-förmig geschwungenen Zierstrich begrenzt. Statt eines Deckbalkens verbindet ein Bogen die beiden Schäfte. O ist an beiden Enden gleichmäßig spitz gebrochen und somit ein Buchstabe, der aus dem Alphabet der gotischen Minuskel herrührt. Die Bogenenden des D stehen links über den Schaft über. Die Cauda des G ist angesetzt. Der Balken des H weist einen Bügel nach oben auf. Als Worttrenner werden Rauten, Quadrangel und Dreispitze benutzt. Schaft-, Balken- und Bogenenden der Inschrift B sind verbreitert, abgesehen vom E finden sich keine echten Serifen. Die Schrift wirkt wesentlich gedrungener als die in A. S ist sehr steil geschwungen mit einer Bogenschwellung im mittleren Bogenabschnitt. Werkstatt der Halberstädter Grabplatten H6?

Der aus den Niederlanden stammende, promovierte Theologe Johannes Heinricus Mensing, seit 1495 Dominikaner, hatte zwischen 1515 und 1518 in Wittenberg und Frankfurt (Oder) studiert und seit 1519 das Studium des Ordens in Magdeburg geleitet, wo er schon selbst ausgebildet worden war. 1522 fungierte als Prior des dortigen Klosters und Domprediger und hatte dort weitere Ämter inne, später erscheint er als Hofprediger in Dessau und seit 1529 war er Theologieprofessor in Frankfurt an der Oder, zwischen 1534 und 1539 Provinzial seines Ordens.4) Schon seit 1533 war er Kanoniker des Liebfrauenstiftes in Halberstadt gewesen.5) Aktiv betrieb er die geistige Auseinandersetzung mit dem Luthertum. 1539 wurde er durch Kardinal Albrecht von Brandenburg zum Titularbischof von Akkon und zum Magdeburger und Halberstädter Weihbischof berufen. 1541 erlitt er während eines Aufenthalts in Regensburg einen Schlaganfall. Am 5. August 1547 errichtete er sein Testament, das erhalten ist.6) Siehe zum Werkstattzusammenhang Nr. .92 und Nr. .111.

Textkritischer Apparat

  1. ANNO] Der letzte Buchstabe der Form nach gotische Minuskel, hier jedoch wegen der angepaßten Größe als Majuskelbuchstabe transkribiert.
  2. AVGVSTI] Die Buchstaben leicht beschädigt.
  3. OBIIT] Der Buchstabe der Form nach gotische Minuskel, hier jedoch wegen der angepaßten Größe als Majuskelbuchstabe transkribiert.
  4. [.....]NGK] Zu ergänzen zu: MENSINGK. Ob und in welcher Form der Vorname angebracht war, läßt sich nicht mehr rekonstruieren.
  5. E[..] Vermutlich zu ergänzen zu EPS als Abkürzung für EPISCOPVS.
  6. ACCONENSIS] Der vierte Buchstabe der Form nach gotische Minuskel, hier jedoch wegen der angepaßten Größe als Majuskelbuchstabe transkribiert.
  7. [- - -]ORH.EVS] Die Buchstaben beschädigt. Der zweite erhaltene Buchstabe der Form nach gotische Minuskel, hier jedoch wegen der angepaßten Größe als Majuskelbuchstabe transkribiert.
  8. CANONICVS] Die erhaltenen Buchstaben beschädigt.

Anmerkungen

  1. BKD, S. 351 Nr. 11.
  2. Löhr 1939, S. 228.
  3. Der vordere Teil des Wappens ist nicht mehr erkennbar: gespalten, vorne, ?, hinten, drei in einem Ring spitz zusammenstehende Nägel. Vermutlich wie bei Heinrich Lencker (vgl. Nr. .111) das persönliche Wappen Johannes Mensings als Titularbischof von Akkon.
  4. Vgl. dazu und zum Folgenden Gatz 1996, S. 468 (Josef Pilvousek); NDB Bd. 17, S. 88 f. (Remigius Bäumer); Schrader 1973 a, S. 58 f.; Löhr 1939, S. 223 f.; Eubel 1910, S. 367 unter dem Namen Joannes Monsaugis (Monsingen); LThK2 Bd. VII, Sp. 302 (R[emigius] Bäumer); LThK3 Bd. 7, Sp. 137 f. (Heribert Smolinsky). Dort die weiterführende Literatur.
  5. Löhr 1939, S. 225, allerdings ohne Stimme im Kapitel und Stallum im Chor, und auch nicht wie ebd., Anm. 8 angenommen „am Domkapitel St. Marien in Halberstadt“.
  6. Das Testament abgedruckt bei ebd., S. 224–229.

Zitierhinweis:
DI 86, Halberstadt (Stadt), Nr. 118 (Hans Fuhrmann), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di086l005k0011805.