Inschriftenkatalog: Stadt Halberstadt
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 86: Halberstadt (Stadt) (2014)
Nr. 108 Liebfrauen 1535
Beschreibung
Grabdenkmal für den Dekan Johannes Stutz und den Stiftsherrn Tilmann Nauen;1) an der Südwand des Langhauses auf 31 cm hohem Steinsockel; Sandstein (oder Kalkstein?), hell; verwittert, bestoßen, Ausbrüche an der Schriftleiste, Schriftverlust; Relief, im Inneren unter Architekturbögen aus Blattranken zwei Kleriker, frontal stehend, beide in Albe, Kasel, von Agraffen gehaltene, pelzverbrämte, an den Säumen mit Pelztroddeln besetzte Almutie, deren Verschlußschnüre vor der Körpermitte herabhängen, und Birett gekleidet, zu Füßen des rechten ein Wappen, am Rand zwischen eingetieften Linien einzeilig umlaufend die eingehauenen Sterbevermerke.
Maße: H. 198 cm, B. 140 cm, T. 27,5 cm, Bu. 8,7–9cm.
Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versalien in gotischer Majuskel.
Anno · d(omi)ni · [1]460a) die · 14 · febrvarij · / ven(erabi)lesb) · viri · d(omi)ni · iohannes · Stvcz · decanvs · Et · 15/35 · die · 28 · marcij · Tilomanvs / [....]ec) · decan(vs)d) go[slari]en(sis)e) · h(vivs) eccl(es)ie · ca(n)o(n)ici · o(bierv)ntf) q(vorvm)g) · a(n)i(m)e · req(viescant)h)
Übersetzung:
Im Jahre des Herrn 1460 am 14. Tag des Februar starben die ehrwürdigen Männer, Herr Johannes Stucz, Dekan, und 1535, am 28. Tag des März Tilman [.....]e Goslarer Dekan, Stiftsherren dieser Kirche. Ihre Seelen mögen ruhen.
unbekannt2) |
Textkritischer Apparat
- 1460] Die ersten beiden Ziffern wie auch das voranstehende Wort beschädigt.
- venerabiles] Die letzten drei Buchstaben hochgestellt. Der Anfang des Wortes leicht beschädigt.
- [...]e] Die Form des Namens Nauen, wie er sich wohl auf der Platte befand, kann nicht rekonstruiert werden.
- decanvs] Die Buchstaben beschädigt.
- goslariensis] Die Buchstaben beschädigt.
- obiervnt] Die letzten beiden Buchstaben beschädigt.
- qvorvm] Das o übergeschrieben, die rum-Kürzung angehängt.
- reqviescant] Kürzungszeichen fehlt.
Anmerkungen
- Das Grabdenkmal erwähnt BKD, S. 351 Nr. 9 als „Zwei Dekane 1526 bzw. 1537“.
- Ein gestummelter Ast mit drei Blättern.
- LHASA Magdeburg, U8A, Nr. 392; ebd., U5 I, Nr. 29; ebd., IX, Nr. 188; ebd., XIII, Nr. 2; RG VI, Nr. 3627; UB S. Bonifacii et S. Pauli, Register S. 588; Haber 1737, S. 27.
- RG VI, Nr. 3627.
- Ebd.
- Ebd.
- RG VIII, Nr. 3857; vgl. auch Nr. 56 †.
- Meier 1967, S. 190 Nr. 300, S. 193 Nr. 38; S. 67, Nr. 114.
- Tilmann Nauen wird von Meier mehrfach erwähnt, jedoch mit Rücksicht auf eine zukünftige, aus heutiger Sicht nie erfolgte Veröffentlichung in einem Band der Germania Sacra werden die Angaben nicht mit Quellenzitaten belegt; vgl. dazu Meier 1967, S. 194 f.
- Wie Anm. 8.
- Ebd., S. 67.
- Ebd., S. 133 f., 137.
- Ebd., S. 135.
Zitierhinweis:
DI 86, Halberstadt (Stadt), Nr. 108 (Hans Fuhrmann), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di086l005k0010809.
Kommentar
Die oberen Schaftenden der Buchstaben werden nach links abgeknickt, während die unteren öfter zu Quadrangeln reduziert werden. Die Schaftenden der Buchstaben mit Oberlängen ragen oft über den Rand hinaus und sind eingekerbt bzw. leicht gespalten. Es kommen nur wenige Buchstaben mit Unterlängen vor, der Bogen des h, der Schaft des q, das Schaft-s, das g jedoch fast nicht. Der linke Teil des oberen gebrochenen rechten Bogens des a ist zu einem gebogenen Haken reduziert, der geknickt in den oberen Bogenteil übergeht. Der Bogen des b bleibt im Mittelband. Der obere Bogenabschnitt des c ist oft nicht gebrochen, sondern nur nach rechts abgeknickt. Der linke gebrochene Bogenteil des d endet oben stumpf, der rechte, zur Schräghaste gewordene, ist verhältnismäßig lang. Der Balken des e wird dünn ausgeführt, verläuft geschwungen und wird nicht zum Schaft geführt. Der untere Balken des f ist sehr kurz und kräftig. Der untere Bogen des g ist zum Balken umgeformt und nur nach links abgeknickt. Der Schaft des q endet stumpf knapp unter der Grundlinie. Als Fahne des r dient ein losgelöstes Quadrangel. Gleiche Zeichen wurden für z und die arabische Ziffer 2 benutzt; daneben kommt der Buchstabe auch in der Form der arabischen 3 vor. Als Worttrenner dienen gegenläufig ausgezogene Quadrangel. Als Majuskeln kommen ein vollrundes A vor, dessen gebogener Deckbalken Schaftverdoppelung zeigt, der Querbalken ist geschwungen. Das unziale E ist durch einen breiten Abschlußstrich geschlossen. Außerdem findet sich unziales T mit dünnem Balken, der auf einem kräftigen Bogen ruht, sowie ein S mit starken Sporen an den Bogenenden. Werkstatt der Halberstädter Grabplatten H5?
In den Jahren 1438 bis 1441 fungierte Johannes Stutz als Offizial des Halberstädter Bischofs, später wird er Dekan des dortigen Liebfrauenstiftes.3) Er war im Kirchenrecht promoviert.4) 1453 wurde ihm eine Dispens erteilt, sodaß er die Einkünfte zweier eigentlich unvereinbarer Pfründen nutzen konnte.5) 1455 hatte er sich um ein weiteres Kanonikat in Magdeburg bemüht, das sich in seiner Verwaltung jedoch nicht nachweisen läßt.6) Nach seinem Tod wird am 1. April 1460 Jordan Heynen mit der Würde des Dekans an Liebfrauen providiert.7) Bei dem zweiten Kleriker, für den das Grabdenkmal geschaffen wurde bzw. der es wohl schaffen ließ, wird es sich um den Goslarer Dekan bürgerlicher Abkunft Tilmann Nauen gehandelt haben. Nach Rudolf Meier ist Tilmann Nauen zwar im selben Jahr noch am 27. Januar belegt, also zwei Monate und einen Tag früher als auf der Grabplatte erwähnt.8) Leider ist Meiers Quelle nicht zu verifizieren.9) Tilmann Nauen war seit vor 1504 II 25 Kanoniker in St. Simon und Juda in Goslar, seit 1524 IX 30 bis nach 1535 I 27 dortiger Dekan.10) Er entstammte einer Goslarer Ratsfamilie,11) hatte zwischen 1504 und 1509 in Erfurt, Leipzig und Wittenberg studiert12) und war wohl vor 1509 in Leipzig zum Magister in artibus promoviert worden.13) Neben dem Goslarer Dekanat scheint er, nach dem Grabdenkmal zu urteilen, auch ein Kanonikat in der Halberstädter Liebfrauenkirche inne gehabt zu haben.