Inschriftenkatalog: Stadt Goslar
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 45: Stadt Goslar (1997)
Nr. 7 St. Peter und Paul zum Frankenberge 1235–1250
Beschreibung
Wandmalereien auf Gipsstuck an den Langhauswänden und an beiden Seiten der Westwand über den Arkaden der Nonnenempore, 1875 entdeckt und 1879 restauriert, dabei überfaßt und offenbar teilweise überdeckt. Ein zweites Mal fanden Renovierungs- und Restaurierungsarbeiten 1956 statt. Ein Teil der Malereien wurde dabei (erneut) freigelegt und einige fehlerhafte Ergänzungen des 19. Jahrhunderts rückgängig gemacht1). Auch die Inschriften wurden im Zuge dieser Arbeiten offenbar überfaßt. Die heute sichtbaren Malereien des Langhauses beruhen auf den anläßlich der Aufdeckung im 19. Jahrhundert angefertigten Umrißpausen und wurden auf erneuerten Putz aufgetragen.
Westwand. Direkt oberhalb der Arkaden im Rundbogenfeld über der Öffnung der Nonnenempore zum Mittelschiff hin sind farbig gefaßte, alttestamentarische Vorbilder des Meßopfers dargestellt: links Abraham und Isaak, rechts Melchisedek mit zwei weiteren Männern, wohl Kain und Abel, die ein Ährenbündel und ein Lamm tragen. Im Scheitel des Bogenfeldes ist ein Brustbild Christi (Christus Pantokrator) mit plastisch modelliertem Nimbus angebracht; in seiner linken Hand ein geöffnetes Buch (A)2), links und rechts neben seinem Nimbus die Inschrift B. Die Buchstaben von Inschrift A sind in dunkler Farbe auf den hellen Untergrund aufgetragen, diejenigen von Inschrift B in heller Farbe auf dunklen Untergrund. Die ebenfalls mehrfarbigen Malereien des von der Empore aus sichtbaren Bogenfeldes sind wesentlich schlechter erhalten bzw. im 19. Jahrhundert wohl nicht überfaßt worden. In der Mitte befindet sich (ähnlich wie an der Gegenseite der Wand) eine Darstellung der Maiestas Domini. Christus, auch hier mit plastisch ausgeführtem Nimbus, hält ein aufgeschlagenes Buch in seiner linken Hand, auf den Buchseiten die in dunkler Farbe aufgetragene Inschrift C; links davon eine Verkündigungsszene und die Auferstehung Christi. Rechts der Mitte ist die Kreuzigung mit zwei Figuren (wohl Maria und Johannes) dargestellt3). Am Kreuz war noch im 19. Jahrhundert der Titulus D zu erkennen.
Oberhalb des Bogenfeldes der Nonnenempore zum Mittelschiff hin ist eine in rotbraunen Umrißlinien ausgeführte Darstellung des Christus Pantokrator angebracht. In seiner Linken hält er die aufgeschlagene Bibel, auf deren Seiten in rotbrauner Farbe Inschrift E aufgemalt ist; seine rechte Hand ist segnend erhoben4). Neben ihm schwebt ein Engel mit einer Posaune. Zu seiner Rechten sitzt Petrus mit Kreuzstab und Krone, daneben kniet die gekrönte Maria, zur Linken Christi knien Paulus mit dem Schwert und Maria Magdalena mit dem Salbgefäß. Die griechischen Buchstaben Α und Ω in den Inschriften B, C und E weisen aufgesetzte Kreuze auf.
Langhaus, Obergaden. Die Malereien sind ebenfalls in rotbraunen Umrißlinien ausgeführt. An der Südwand ist Maria im Strahlenkranz mit Kind, Krone und Zepter zu sehen, rechts etwa in Schulterhöhe die in dunkler Farbe ausgeführte Inschrift F, darüber in einem Medaillon vermutlich der Erzengel Gabriel mit Lilienstab und Weltkugel5).
Inschrift D nach Hase.
Schriftart(en): Majuskelbuchstaben (A, C–E), griechische Großbuchstaben (B, C, E, F).
- A
EGO SUM / VIA VERI/TAS ET VI/TA6)
- B
Α Ω
- C
E(GO) S(UM) / Α (et)a) Ωb)7)
- D
INRI
- E
E(GO) S(UM) / Α Ωb)
- F
M(A)R(I)Ac)
Übersetzung:
Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. (A)
Ich bin Alpha und Omega. (C, E)
Textkritischer Apparat
- (et)] Schlingenförmige et-Kürzung, vielleicht in Anlehnung an die kursive et-Ligatur.
- Ω ] Griechischer Großbuchstabe Omega mit Kreuz, dessen unterer Arm bis auf die Grundlinie reicht, so daß der Eindruck eines symmetrischen offenen unzialen M mit beidseitig nach außen aufgebogenen Bogenenden entsteht.
- MPA mit Kürzungsstrich.
Anmerkungen
- Vgl. den Datenerfassungsbogen ‘Wandmalereien in Niedersachsen’ zur Frankenberger Kirche, NLVwA-IfD; auch Griep, Kunstwerke 1 N, S. 46. Der ebd., S. 48, angeführte Artikel in der Braunschweiger Zeitung vom 26.6.1956 war nicht zu finden. Vgl. aber Hans-Günther Griep, Die Restaurierung in der Frankenberger Kirche, Goslarsche Zeitung 21.9.1956. Die Inschriften in den Fensternischen und auf dem Schriftband bei einem Heiligen an der Südwand der Apsis konnten bei ihrer Aufdeckung nicht ergänzt werden und sind verloren.
- Vgl. Abb. bei Griep, Kunstwerke 1 H, S. 8; Hase, Bl. 158 ‘Bogenfeld über den Arkaden der Westwand. Innere Seite’.
- Vgl. Abb. bei Griep, Kunstwerke 1 H, S. 9; Hase, Bl. 158.
- Der Nimbus Christi ist nicht plastisch ausgeführt. Hase, S. 284f, datierte deshalb diese Darstellung später als die Malerei im Rundbogenfeld der Empore und brachte sie in einen Zusammenhang mit heute nicht mehr erhaltenen Heiligenfiguren, die an den Mittelschiffwänden angebracht und auf Christus ausgerichtet waren.
- Vgl. Abb. bei Griep, Kunstwerke 1 H, S. 7. Hase, Bl. 159 ‘Westliches Feld der südlichen Langhauswand’.
- Io. 14,6.
- Apc. 1,8.
- So Hase, Sp. 97: Die Gemälde kommen „im Dachboden oberhalb der Gewölbe wieder zum Vorschein“; vgl. Lange, S. 132. Zur Datierung der Einwölbung vgl. Hölscher, Forschungen, S. 81.
- Griep, Kunstwerke 1 H, S. 9.
- Vgl. Magin, S. 16. Auch Graf, Kap. I.3. ‘Die Entstehung der Pfarreien’, Kap. II.1.4. ‘Die Pfarrechte der Stifts- und Klosterkirchen’.
Nachweise
- Hase, Bl. 158, ‘Bogenfeld über den Arkaden der Westwand. Innere Seite’ (D).
- Kdm. Stadt Goslar, S. 188 (E).
- Griep, Kunstwerke 1 H, Abb. S. 7 (F), S. 8 (A–C).
Zitierhinweis:
DI 45, Stadt Goslar, Nr. 7 (Christine Magin), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di045g008k0000708.
Kommentar
Es ist davon auszugehen, daß die Buchstabenformen anläßlich der Restaurierung der Kirche im 19. Jahrhundert und vielleicht auch 1956 verändert wurden. Eine Schriftbeschreibung auf der Grundlage des jetzigen Zustands der Malereien ist daher nicht sinnvoll.
Da das vorher flachgedeckte Langhaus um 1250 oder bald danach eingewölbt wurde und die Malereien teilweise von Gewölbeansätzen verdeckt werden8), müssen sie vor der Einwölbung entstanden sein. Gleiches gilt für die Malereien der Westwand: Die der oberen Zone werden um 1240, die der Rundbogenfelder um 1250 datiert9). Die Darstellung der Maria Magdalena läßt zunächst darauf schließen, daß die Malereien der beiden Bogenfelder auf beiden Seiten der Westwand nach der Gründung des Klosters und dessen Übergabe an die Schwestern vom Orden der Magdalenerinnen (1234 bzw. 1236)10) angebracht wurden. Weiterhin deutet die farbige Fassung dieser Malereien im Gegensatz zu denen oberhalb des Bogenfeldes und im Langhaus darauf hin, daß sie nicht gleichzeitig entstanden sind. Darauf weisen wohl auch die plastisch ausgeführten Nimben Christi in den Bogenfeldern im Gegensatz zum nur aufgemalten Nimbus oberhalb des Bogenfeldes hin.