Inschriftenkatalog: Stadt Göttingen
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 19: Stadt Göttingen (1980)
Nr. 77 Göttingen-Nikolausberg, Kirche um 1500–1638
Beschreibung
Namen von Pilgern und Kirchenbesuchern an den Chorwänden und am nw. Vierungspfeiler. Aus der Zahl der noch sichtbaren Namen1) werden nur diejenigen bis 1650 mitgeteilt. Bei den Namen ohne Angabe des Jahres diente die Schriftform als Kriterium der Datierung.
Die Namen sind mit Rötel geschrieben, nur F) ist in die Wand geritzt. Inschriften A)–F) an der südlichen Chorwand, G)–I) an der nördlichen Chorwand, K)–M) am nordwestlichen Vierungspfeiler. Mehrere Namen, die offensichtlich von einer Hand geschrieben wurden, sind unter einem Buchstaben zusammengefaßt.
Die Inschriften aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts zeigen Merkmale der Kursive.
Maße: 1. H. 16. Jh., Minuskel (Kursive), Bu. (n) 0,7 cm. (A) 1. H. 16. Jh., Minuskel (Kursive), Bu. (n) 0,4 cm. (B) 1. H. 16. Jh., Minuskel (Kursive), Bu. 0,5 cm (Durchschnittswert). (C) 1. H. 16. Jh., Minuskel (Kursive), Bu. (n) 0,7 cm. (D) Der Schrifttyp läßt sich nicht genau festlegen, einige Wörter mit Fraktur-Versalien (H, K, J). Bu. (n) 2,5 cm. (E) Renaissance-Kapitalis, Bu. (N) 1 cm. (F) 1. H. 16. Jh., Minuskel (Kursive), Bu. (n) 0,5–0,7 cm. (G) Minuskel (Kursive), Bu. (n) 2 cm. (H) Minuskel (Kursive), Bu. (n) 1 cm. (I) 1. H. 16. Jh., Minuskel (Kursive), Bu. (n) 0,5–2 cm. (K) 1. H. 16. Jh., Minuskel (Kursive), Bu. 0,7 cm (Durchschnittswert). (L) 1. H. 16. Jh., Minuskel (Kursive), Bu. 1 cm (Durchschnittswert) (M).
1. Südliche Chorwand
- A)
hir sint Johannes [. . . . . .]Walburg Achterma[nn]a)hat diß geschrieben
- B)
Christopherus [. . . . . . . . . . .][. . . . . . . . . . . .] den 3 may
- C)
Ha(n)s raff [. . . . .][. . . .] vxor ei(us)ha(n)s vab) [. . . . .][. . . .] vxor
- D)
Hic [fuit] cvstos Johan(nes) Bokeleman
- E)
Hic fuit Hans Koleffc) in Die Jo(hann)is baptist[e]Anno · 1 · 5 · 60 ·
- F)
IOH. TVTENI.d) MONN[ACH(US)?]e)M. DC. XXX VIII.
2. Nördliche Chorwand
- G)
[. . . . . . . .] hentzen[. . . . . . . . . . . . . . . . .][. . . . . . . . . . . . . . . . . .]J(er)o(n)i(m)o? [. . . . . . . .][. . . . . . . . . . . . . . .]Valenti(nus)[. . . . . . . . . . . . . . .]Petrus [. . . . . . . .]Bertold(us) [. . . . .] hier [. . . . .][. . . . .] jahres
- H)
Johannes Farber(us)Gottingensis1594
- I)
He(n)ri[c](us) [. . .] ne [. . .] Northemea(nn)o 1633
3. Nordwestlicher Vierungspfeiler:
- K)
Hic fuitf) thomas maysterma[nn](us)g) sexta feriaante vigilia (!) pasce anno M 5[. . .]2Conradus Wilke [. . . .]Wilhelmußh)Joha(n)nesBartoldusHinric(us) ewe [. . . .]
- L)
Nicolaus [. . . .][. . . . . . . . . . . . .]
- M)
he[nri]c(us)i)
Übersetzung:
Der Küster Johannes Bockelmann ist hier gewesen.
Hier ist Hans Koleff am Tag Johannes d. T. im Jahre 1560 gewesen.
Thomas Meistermann ist hier gewesen am Freitag vor dem Tag vor Ostern im Jahre 15[. . .]2.2)
Textkritischer Apparat
- Die Ergänzung ist wahrscheinlich, zumal der Name Achtermann im 16. Jahrhundert in Göttingen und der näheren Umgebung öfter nachzuweisen ist, vgl. R. Zoder, Familiennamen in Ostfalen I, Hildesheim 1968, 147.
- oder: vo.
- oder: Roleff.
- Genitivname.
- O unsichere Lesung.
- Lesung nicht eindeutig.
- Lesung nicht eindeutig.
- ß steht für Schaft-s und geschwänztes z.
- Statt e ist möglicherweise a zu lesen.
Anmerkungen
- Unter dem Wandputz sollen noch sehr viel mehr Namen stehen, vgl. Junge, Die Nikolausberger Kloster- und Wallfahrtskirche 38.
- Es kommen alle Karfreitag von 1502–1592 als Datum in Frage: 25. März (1502); 9. April (1512); 18. April (1522); 29. März (1532); 7. April (1542); 15. April (1552); 27. März (1562); 4. April (1572); 13. April (1582); 24. März (1592).
- H.-W. Krumwiede (Hrsg.), Die mal. Kirchen- und Altarpatrozinien Niedersachsens, Göttingen 1960, 310ff.
- Letzner, Chronik 1190. Zum Besitz des Klosters Weende s. O. Fahlbusch, Vom Kloster und Dorf Weende bei Göttingen, in: Neues Archiv für Niedersachsen 20 (1950) 683–695, hier 686ff. Vgl. ferner: H. Junge, Die Nikolausberger Kloster- und Wallfahrtskirche 38. H. Lücke, Aus der Geschichte von Nikolausberg 16.
- ZGB Göttingen I 2, S. 24f. Der Bericht der ZGB Göttingen folgt Letzner, Chronik 1190, wo vor allem skandinavische Länder und eine Reihe deutscher Bistümer aufgezählt werden, aus denen Pilger nach Nikolausberg gekommen sein sollen.
- A. Brenneke, Die Reformationsgeschichte von der Visitation ab und das Klosterregiment Erichs d. J. 41.
Nachweise
- A. Fehler, Nikolausberg 448 (allgemeine Erwähnung).
- H. Junge, Die Nikolausberger Kloster- und Wallfahrtskirche 38 (allgem. Erwähnung).
- H. Wille, Die Kloster- und Wallfahrtskirche zu Nikolausberg 12 (allgem. Erwähnung).
- H. Lücke, Klöster im LK Göttingen 36 (allgem. Erwähnung).
Zitierhinweis:
DI 19, Stadt Göttingen, Nr. 77 (Werner Arnold), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di019g001k0007708.
Kommentar
Die Verehrung des hl. Nikolaus erreichte im späteren Mittelalter ihren Höhepunkt. Allein in den Gebieten Niedersachsens waren ihm über 300 Patrozinien geweiht.3) Entsprechend groß scheint die Zahl der Wallfahrer nach Nikolausberg gewesen zu sein. Jedenfalls waren die Opfergaben der Pilger und die Schenkungen des benachbarten Landadels eine Haupteinnahmequelle des Klosters Weende, dem Nikolausberg unterstand.4) Die Pilger kamen vor allem am Nikolaustag und am Sonntag Trinitatis. Die ZGB Göttingen schreibt über die Wallfahrten zur Zeit vor der Reformation: „Unter welchen insonderheit die, welche am Fest der heiligen Dreyfaltigkeit gehalten worden, merckwuerdig gewesen ist, als um welche Zeit, fast aus allen Reichen von gantz Europa, eine unzehlige Menge Leute zu Roß, Wagen und Fuße dahin kommen, und viele reiche Opfer und milde Gaben mit sich gebracht haben. Viele Gebrechliche, welche sich unter diesen befunden, sollen schleunige Huelffe erlanget haben.“5)
Die noch zu lesenden Namen lassen nicht erkennen, daß sich Ausländer unter den Pilgern befunden haben. Die überlieferten Ortsbezeichnungen (Göttingen, Northeim) weisen eher auf das Gegenteil. Allerdings stammt ein großer Teil dieser Inschriften aus der Zeit nach der Einführung der Reformation. Vermutlich ist die Zahl der Wallfahrer damals stark zurückgegangen. Die „reiche(n) Opfer und milde(n) Gaben“ wurden bei der Visitation 1542 in mehreren Wagenladungen fortgebracht.6) Es ist zweifelhaft, ob es sich bei den späteren Kirchenbesuchern zum größeren Teil überhaupt noch um Wallfahrer gehandelt hat.
Über die in den Inschriften genannten Personen läßt sich nichts mitteilen.