Inschriftenkatalog: Stadt Freising

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 69: Stadt Freising (2010)

Nr. 120 Domkreuzgang 1478

Beschreibung

Figurale Grabplatte für den Domherrn Johannes Heller. Im Ostflügel im zweiten Joch an der Westwand. Ursprünglich in der Kollegiatstiftskirche St. Andreas in der Dreifaltigkeitskapelle1), im Herbst 1803 ausgebaut, danach im Seminargarten, später in der Martinskapelle2), seit ca. 1901 am heutigen Standort. Adneter Kalkstein. Erhaben gearbeitete Umschrift zwischen zwei Leisten, nach innen gerichtet (I). Im Mittelfeld unter einem gotischen Kielbogen Darstellung des Verstorbenen im Chorgewand mit Almucia, auf dem Kopf ein Birett, die Hände zum Gebet gefaltet; im Hintergrund schachbrettartiges Flechtmuster, die Standfläche der Figur in Form dreieckiger Fliesen mit Blattdekor, seitlich schmale Sockel mit Stabrippen, nach oben zum Kielbogen laufend; dieser mit drei Fialen besetzt, dazwischen je ein Engel mit einem zweizeiligen Schriftband (II) vor der Brust. In den unteren Ecken der Platte je ein Wappenmedaillon, die Schriftleiste unterbrechend. Der Randbereich der Platte besonders in der unteren Hälfte beschädigt.

Maße: H. 212 cm, B. 105 cm, Bu. 9 cm (I), 5 cm (II).

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versalien.

© BAdW München, Inschriftenkommission [1/1]

  1. I.

    Hic · vtrivsq(ue) · ivris · doctor · / mag(iste)r · Joha(n)nes · Heller · Can(oni)c(vs)a) · eccl(es)ie · fris(ingensis) · sva · ossab) // sepeliri · deleg(it) · qui//cu(m)q(ve)c) · p(er)spexe(ris) · ei(vs) · me(m)oria(m) · cole · an(n)o · d(omini) · mo · cccco · lxx8 vita m(a)r(tii)d)

  2. II.

    Ave · mari(a) / gracia p(lena)e) // Miserere · / mei ·

Übersetzung:

Der Doktor beider Rechte, Magister Johannes Heller, Kanoniker der Freisinger Kirche, hat verfügt, daß seine Gebeine hier bestattet werden. Wer auch immer du bist, der (das Grab) erblicken wird, ehre sein Gedenken. Im Jahre des Herrn 1478 am sechsten Tag des März. (I) Gegrüßet seist du, Maria, voll der Gnade. Erbarme dich meiner. (II)

Datum: 1478 März 06.

Wappen:
Heller3), Heller3).

Kommentar

Die Grabplatte wird von Volker Liedke in den Einflußbereich der Münchner Werkstätte der Haldner gerückt4). Dies trifft jedoch allenfalls auf bildliche Elemente zu (Flechtmuster, Blendarkade mit Kielbogen), während sich die Schriftgestaltung nicht mit der Haldner-Werkstätte in Einklang bringen läßt, vgl. Einleitung C.

Johannes Heller entstammte einer Münchner Bürgerfamilie. Seine Eltern waren Heinrich und Margareth Heller5). 1437 und 1438 wirkte er als Magister regens an der Artistenfakultät der Universität Wien6), erlangte wenig später ein Kanonikat in Neumünster zu Würzburg und studierte 1448 an der Universität Bologna7). 1451 bis 1459 war er Generalvikar und Visitator, 1456 bis 1475 bischöflicher Offizial des Bistums Eichstätt, wo er auch ein Kanonikat zugesprochen bekam8). 1453 erhielt er die Pfarrei Königsdorf, die er bis zu seinem Tode innehatte9). 1458 wurde er Chorherr des Freisinger Kollegiatstifts St. Andreas10), schließlich 1461 auch Freisinger Domherr11). 1476 ist er als Konsistorialrichter erwähnt12). Heller veranlaßte Meßstiftungen an die Freisinger Domkirche13) sowie nach St. Johannes Baptist14), St. Andreas15) und St. Veit16).

Textkritischer Apparat

  1. c(vs) hochgestellt.
  2. Nachfolgend Unterbrechung durch Wappenmedaillon.
  3. i-Schaft verschmilzt mit Rahmung für das Wappen. Unterbrechung durch Wappenmedaillon.
  4. r hochgestellt. Worttrennzeichen quadrangel- bis rautenförmig.
  5. Nachfolgend Unterbrechung durch Kreuzblume.

Anmerkungen

  1. BSB Oefeleana 10 IV p. 275.
  2. Prechtl, St. Andreas 18f.
  3. Eine Weinrebe, aus deren Stiel zwei Blätter wachsen.
  4. Liedke, Haldner 148.
  5. AEM Nachlaß Boegl Nr. 33 (Domherren 3).
  6. Aschbach, Wiener Universität I 594, 608.
  7. Knod, Studenten 193 Nr. 1398.
  8. Sax, Eichstädt 519f.; Knod, Studenten 193 Nr. 1398; Schlecht, Hieronymus Rotenpeck 73.
  9. Deutinger, Päpstliche Urkunden 160; Genghamer, Königsdorf 193; Königsdorf, Lkr. Bad Tölz-Wolfratshausen.
  10. BayHStA KL Freising – St. Andreas Nr. 162 p. 55; Prechtl, St. Andreas 115.
  11. BSB Cgm 1716 Catalogus Canonicorum fol. 18r.
  12. Mayer/Westermayer, Erzbisthum München-Freising III 94.
  13. BayHStA HL Freising Nr. 569 p. 10, 41, 52; BayHStA HL Freising Nr. 570 fol. 21v, 30v; MGH Necrologia III Liber Oblagiorum 88.
  14. BayHStA KL Freising – St. Johann Collegiatstift Nr. 30 fol. 3v; BayHStA KL Freising – St. Johann Collegiatstift Nr. 31 fol. 3r.
  15. BayHStA KL Freising – St. Andreas Nr. 163a fol. 5v, 25r, 29r, 29v; BayHStA KL Freising – St. Andreas Nr. 161 fol. 352r, 352v; AEM H 484 p. 389 Nr. 49.
  16. BayHStA KL Freising – St. Veit Nr. 62 fol. 8r; BayHStA KL Freising – St. Veit Nr. 9 p. 127; BayHStA KL Freising – St. Veit Nr. 63 fol. 8v.

Nachweise

  1. BayHStA KL Freising – St. Andreas Nr. 162 p. 671; BSB Oefeleana 10 IV p. 273, 309; BSB Cgm 1717 p. 345; AEM H 118 p. 476; AEM H 270; Schlecht, Inschriften III 78 Nr. 47, Taf. XIX.

Zitierhinweis:
DI 69, Stadt Freising, Nr. 120 (Ingo Seufert), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di069m012k0012004.