Inschriftenkatalog: Stadt Freising

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 69: Stadt Freising (2010)

Nr. 101 Domkreuzgang 1457

Beschreibung

Figurale Grabplatte für den Domdekan Johannes Türndl von Schalldorf. Im Nordflügel im ersten Joch an der Nordwand. Ursprünglich in der Benediktuskirche1), seit 1716 am heutigen Standort. Adneter Kalkstein. Umschrift, nach innen gerichtet, die linke Längsseite nicht ganz ausgefüllt. Im Mittelfeld unter einer Fünfpaßarkade, deren Zwickel mit je einer Blüte gefüllt sind, Darstellung des nach links gewandten Verstorbenen im Meßgewand, in seiner Linken ein Kelch, die Rechte darüber segnend erhoben. In den Ecken der Platte die vierfache Ahnenprobe mit Wappenschilden in Drei- und Fünfpaß-Medaillons, die Schriftleiste unterbrechend. Das untere Viertel der Platte mit zahlreichen Schadstellen, die beiden unteren Wappen unkenntlich.

Ergänzt nach AEM H 482a.

Maße: H. 212 cm, B. 108 cm, Bu. 8,5 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versalien.

© BAdW München, Inschriftenkommission [1/1]

  1. Anno · d(omi)ni · Mo a) · cccco b) · // 〈· lvii〉 · ob(iit) · ven(erabi)lisc) · p(ate)r · et · d(omi)n(u)s · Ioh(ann)es · Tvrendeld) · dec(re)t(o)r(um)e) · doctorf) // Ca(nonicus) · E[t · decan(us)]g) // Eccl[(es)ie] · frising(e)n(sis) · 〈i(n) die · gerdrvdis · virginish) ·〉

Übersetzung:

Im Jahre des Herrn 1457 starb der ehrwürdige Vater und Herr Johannes Türndl, Doktor des Kirchenrechtes, Kanoniker und Dekan der Freisinger Kirche, am Tage der Jungfrau Gertrud.

Datum: 1457 März 17.

Wappen:
Türndl2), Brandt3).

Kommentar

Die Grabplatte wird von Volker Liedke der Münchner Werkstätte der Haldner zugewiesen4). Die Schrift weist jedoch wenig nennenswerte Gemeinsamkeiten mit der Haldnerschen Werkstatt auf, vgl. Einleitung XCVIII. Auch die bildliche Darstellung weicht von den vorangegangenen Grabplatten ab. Der Faltenwurf des Gewands und die Ausprägung der Hände sind am ehesten mit der Darstellung des Nikolaus Schlegel (Nr. 103) verwandt, nicht jedoch die Schriftgestaltung.

Johannes Türndl von Schalldorf entstammte einem bayerischen Adelsgeschlecht. Er war der Sohn des Hofmeisters Albrecht Türndl und der Dorothea, geb. Brandt von Aibling5). Seit 1408 war er Domherr, ab 1411 Domicellar und seit 1413 Kapitular am Domstift Freising6). Weitere Pfründen erlangte er 1417 bis 1418 mit der Propstei von Schliersee7) und ab 1420 mit der Pfarrei Kirchbichl8). 1421 bis 1431 war er Propst der Kollegiatstiftskirche St. Andreas in Freising9), außerdem ab ca. 1428 Richter des Domkapitels10), ab 1435 Generalvikar, ab 1447 Domscholaster und ab 1451 Domdekan11). Türndl veranlaßte Meßstiftungen an die Domkirche12) sowie je eine Jahrtagsstiftung nach St. Veit13) und nach St. Georg14).

Über der Platte befindet sich eine gemalte Tafel mit Inschrift von 1716, die voraussichtlich 2011 nach kopialer Überlieferung erneuert wird: IOANNES TYRNDL NOBILIS ET D(OCTO)R DECANVS / PRAEPOS(ITVS) AD S: ANDREAM O(BIIT) A(NN)O 1457. 17 MART(II)15). Außerdem gibt es in der Benediktuskirche im Mittelschiff eine quadratische Bodenplatte aus der Zeit von Bischof Eckher mit der Inschrift: + / IOAN(NES) / TÜRNDL. DEC(RETORUM DOCTOR) / O(BIIT) 1457. / 17. MAR(TII) / +16).

Oefele zitiert ohne nähere Angaben eine weitere Inschrift: Johan(nes) Tyrndl de Schaltorf decanus et praepos(itus) in Schliers obyt 145717).

Textkritischer Apparat

  1. Hochgestellte o später ergänzt.
  2. Nach dem folgenden Worttrennzeichen getilgtes Zahlzeichen l; nachfolgend Unterbrechung durch Wappenmedaillon.
  3. lis hochgestellt, Punkt über dem Schaft des i später ergänzt.
  4. Sic! Erstes e zwischen r und n hochgestellt.
  5. Worttrennzeichen vom Textbeginn bis zum Ende dieser Zeile quadrangelförmig.
  6. tor hochgestellt; nachfolgend Unterbrechung durch Wappenmedaillon.
  7. Nachfolgend Unterbrechung durch Wappenmedaillon.
  8. Punkt auf den letzten beiden Schäften des i später ergänzt; Worttrennzeichen dieser Zeile paragraphenförmig.

Anmerkungen

  1. BSB Cgm 2268 V fol. 134r; BSB Cgm 1716 Catalogus Canonicorum fol. 60v.
  2. BayA1 188 (Tafel 191).
  3. BayA3 18 (Tafel 11).
  4. Liedke, Haldner 24f.
  5. BSB Cgm 2268 V fol. 133v, 134r; BSB Cgm 1716 Catalogus Canonicorum fol. 60v.
  6. BSB Cgm 2268 V fol. 134r; BSB Cgm 1716 Catalogus Canonicorum fol. 60v.
  7. BSB Cgm 1716 Praepositi in Schliersee fol. 44r; AEM FS 118 p. 377; Schliersee, Lkr. Miesbach.
  8. Deutinger, Schulwesen 508; Kirchbichl, Pol. Bez. Kufstein, Tirol, Österreich.
  9. BSB Cgm 1716 Praepositi Andreae Frisingae fol. 19r: 1426–1437; AEM FS 118 p. 3a; Prechtl, St. Andreas 75f.; Hartig, Oberbayerische Stifte II 75, führt ihn im Amt des Propstes von St. Andreas bis 1436.
  10. Deutinger, Schulwesen 508.
  11. BSB Cgm 2268 V fol. 134r; BSB Cgm 1716 Decani Frisingensis Ecclesiae Maioris ad fol. 7 p. 4, fol. 13r, Catalogus Canonicorum fol. 60v; Bugniet, Versuch 71f.; Baumgärtner, Meichelbeck’s Geschichte 606 Nr. 39; Deutinger, Schulwesen 508.
  12. BayHStA HL Freising Nr. 569 p. 11, 30, 46, 52; BayHStA HL Freising Nr. 570 fol. 24r, 30r, 30v; BayHStA HL Freising Nr. 573; AEM H 80 p. 11, 38; Bugniet, Versuch 71; Deutinger, Schulwesen 508; MGH Necrologia III Liber Oblagiorum 88.
  13. BayHStA KL Freising – St. Veit Nr. 62 fol. 19v; BayHStA KL Freising – St. Veit Nr. 9 p. 194; BayHStA KL Freising – St. Veit Nr. 63 fol. 37v.
  14. Prechtl, St. Georg 6 Nr. 14.
  15. Vgl. BSB Oefeleana 10 IV p. 135; AEM H 482a p. 967; BSB Cgm 1718 1 nach p. 484; AEM H 64 p. 609, hier Ergänzung von et vor Praepositus; AEM H 464 fol. 259r.
  16. Vgl. BSB Oefeleana 10 IV p. 206; AEM H 76 p. 297, 321; Schlecht, Inschriften IV 111 Nr. 31.
  17. BSB Oefeleana 10 IV p. 135. Es handelt sich nicht um eine Beischrift auf einer der beiden (verschollenen) Eckherschen Wappentafeln, vgl. Schlecht, Inschriften VI 89-114, 126-132.

Nachweise

  1. BSB Cgm 2268 V fol. 134r; BSB Cgm 1716 Decani Frisingensis Ecclesiae Maioris fol. 13r, Catalogus Canonicorum fol. 60v; BayHStA HL Freising Nr. 648 p. 38 Nr. 40; BSB Cgm 1724 p. 253 Nr. 17; AEM H 58 p. 51 (P, -); BSB Oefeleana 10 IV p. 135f.; BSB Cgm 1717 p. 918; BSB Cgm 2290 XXV fol. 401v; AEM H 602 p. 148; AEM H 482a p. 967, 970; BSB Cgm 1718 1 nach p. 484, 486; AEM H 76 p. 320; AEM H 59 p. 50; AEM H 60 p. 84; AEM H 64 p. 19; Bugniet, Versuch 72; HVO Ms. 318 fol. 57r; AEM H 477 p. 746; AEM H 61 p. 63; AEM H 465 fol. 259r, 259v; AEM H 466; HVO Geissiana 454 p. 8 Nr. 52; Deutinger, Schulwesen 508; HVF U XI 11 p. 6 Nr. 53; Schlecht, Inschriften V 4f. Nr. 2, Taf. XXVI; Liedke, Haldner 24f., Abb.12, 164; Glaser, Grabsteinbuch 338f. Nr. 106.

Zitierhinweis:
DI 69, Stadt Freising, Nr. 101 (Ingo Seufert), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di069m012k0010108.