Inschriftenkatalog: Stadt Freising

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 69: Stadt Freising (2010)

Nr. 365 Domkreuzgang 1608

Beschreibung

Epitaph für den Domherrn Johannes Lechl. Im Nordflügel zwischen dem neunten und zehnten Joch an der Südwand. Ursprünglich wohl ebenfalls im Nordflügel, seit 1716 am heutigen Standort. Adneter Kalkstein. Oben querrechteckiges Feld mit gerundeten Schmalseiten, darin die Stiftungsinschrift (I), in den Zwickeln je eine Rosette. Unten querrechteckiges Feld mit der zentriert gesetzten Grabinschrift (III). Im Mittelfeld Darstellung des vor einem Altar knienden Verstorbenen mit Chorgewand und Almucia, in den zum Gebet gefalteten Händen ein Rosenkranz, vor ihm sein Birett am Boden; auf der Altarmensa ein Kruzifixus mit Titulus (II), an dessen Sockel ein Totenschädel, daneben ein aufgestelltes Buch und ein Stundenglas; auf der Seitenfläche des Altarblocks das Vollwappen des Verstorbenen; im Hintergrund von ionischen Pilastern gegliederte Wand, die Wandflächen im oberen Drittel in Rundbogenfenster geöffnet mit Ausblick auf eine Stadtansicht. Im oberen Drittel quer durchlaufender Bruch, linker Rand der unteren Schrifttafel beschädigt, dazu mehrere kleine Schadstellen auf der gesamten Oberfläche.

Maße: H. 205 cm, B. 98,5 cm, Bu. 3 cm (I, III), 1,5 cm (II).

Schriftart(en): Kapitalis.

© BAdW München, Inschriftenkommission [1/1]

  1. I.

    ADMODVMa) R(EVEREN)dob) CLARISSIMOQVE VIRO D(OMI)NO / IOANNI LECHELIO TETNANGENSI ACRONIANOc) / I(VRIS) V(TRIVSQVE) LICENTIATO CATHEDRA(LIS) ECCLESIAE FRISING(ENSIS) / CANONICO ATQVE R(EVERENDI)ssimid) S(ERENI)ssimiq(ue)e) ARCHIEPIS(COPI) / COLONIENS(IS) ERNESTI ETf) C(ETERA) CONSILIARIO / MOESTI COGNATI HOC POSVERVNT

  2. II.

    INRI

  3. III.

    PATREMa) INOPES LVGENT MVSAE LACRIMANTVR ALVMNVM,LECHELIOQVÈ SVO FLENT LICVISSE MORI .ERRO, MORI HAVD LICVIT MORS ILLVM TOLLERE NESCIT;ANTE SVAM MORTEM QVI VITYS MORITVR.OBYT ANNO CHRISTI NATI MDC〈VIII, XXIII MAY〉 / AETATIS SVAE 〈LXIV〉.

Übersetzung:

Dem überaus hochwürdigen und berühmten Mann, Herrn Johannes Lechl von Tettnang1) am Bodensee, Lizentiat beider Rechte, Kanoniker der Freisinger Domkirche und Rat des hochwürdigsten und durchlauchtigsten Erzbischofs von Köln Ernst usw. setzten dieses (Denkmal) die traurigen Verwandten. (I)

Den Vater betrauern die Armen, den Zögling beweinen die Musen und weinen darüber, daß ihr Lechl sterben konnte. Ich irre: Nicht war (ihm) erlaubt zu sterben, der Tod kann jenen nicht dahinraffen, der vor seinem Tod den Lastern gestorben ist. Er starb im Jahr nach Christi Geburt 1608 am 23. Mai im 64. Lebensjahr. (III)

Versmaß: Distichen. (III Z. 1-4)

Wappen:
Lechl2).

Kommentar

Zu den Schriftformen s. Einleitung CXV.

Das Todesdatum wurde nachgetragen, wie sich an der veränderten Schrifthöhe ablesen läßt.

Das Epitaph wird dem Umkreis des Weilheimer Bildhauers Philipp Dirr zugewiesen3), der von 1612 bis 1633 in Freising tätig war. Philipp Dirr war maßgeblich an der ersten großen Domrenovierung beteiligt und entwarf wohl auch mehrere Grabdenkmäler, s. Nr. 395, 400, 411, 418, 438. Ähnlichkeiten in Aufbau und Gestaltung des Bildfeldes bestehen dabei besonders gegenüber dem Epitaph des Georg Fuermann († 1621, Nr. 400), ungeachtet dessen qualitativ höherstehender Ausführung.

Johannes Lechl wurde um 1544 als Sproß einer schwäbischen Bürgerfamilie aus Tettnang4) geboren. 1567 immatrikulierte er sich an der Universität Ingolstadt5), wo er auch 1572 als Präzeptor des Markgrafen Philipp von Baden nachweisbar ist6). 1575 erlangte er ein Kanonikat am Domstift Freising7). 1588 wird er als Pfarrer zu Petershausen erwähnt8).

Über der Platte befindet sich eine gemalte Tafel mit Inschrift von 1716, die voraussichtlich 2011 nach kopialer Überlieferung erneuert wird: IOANNES LECHEL LICENTIAT(VS) CAN(ONICVS) / O(BIIT) A(NN)O 1608. 23 MAIJ.9).

Textkritischer Apparat

  1. Alle Versalien vergrößert.
  2. do hochgestellt.
  3. O am Wortende aus Platzmangel stark verkleinert.
  4. ssimi hochgestellt.
  5. ssimiq(ue) hochgestellt.
  6. et-Ligatur in Form von &.

Anmerkungen

  1. Tettnang, Bodenseekreis, Baden-Württemberg.
  2. Ein mit zwei Stierköpfen belegter Schrägbalken.
  3. Benker, Philipp Dirr 118, 156.
  4. BSB Cgm 1716 Catalogus Canonicorum fol. 25v; Tettnang, Bodenseekreis, Baden-Württemberg.
  5. Echtler, Quellen (15. Feb. 1936) 8; Matrikel LMU I Sp. 906 Z. 33, Oktober 1567.
  6. Mederer, Annales I 968.
  7. BSB Cgm 1716 Catalogus Canonicorum fol. 25v.
  8. BayHStA HL Freising Nr. 661 fol. 343r; Mayer/Westermayer, Erzbisthum Freising III 69. Petershausen, Lkr. Dachau.
  9. Vgl. AEM H 482a p. 499; BSB Cgm 1718 1 vor p. 226; AEM H 465 fol. 135r.

Nachweise

  1. BSB Oefeleana 10 IV p. 146f.; BSB Cgm 1717 p. 450; AEM H 482a p. 499, 501; BSB Cgm 1718 p. 225f., 1 vor p. 226; AEM H 76 p. 327; AEM 465 fol. 134v, 135r; AEM H 64 p. 663; HVO Ms. 318 fol. 82r; AEM H 477 p. 761; AEM H 61 p. 216; HVF U XI 11 p. 18 Nr. 130; Schlecht, Inschriften V 24f. Nr. 35; Glaser, Grabsteinbuch 370 Nr. 194.

Zitierhinweis:
DI 69, Stadt Freising, Nr. 365 (Ingo Seufert), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di069m012k0036504.