Inschriftenkatalog: Stadt Freising

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 69: Stadt Freising (2010)

Nr. 250 Dom Mariä Geburt und St. Korbinian 1559

Beschreibung

Figurale Grabplatte für Bischof Leo Lösch von Hilgertshausen. In der Vorhalle an der Südwand. Ursprünglich nahe der Grabstätte beim Justinus-und-Oswald-Altar im Boden, wohl seit 1701 oder 1723–1724 am heutigen Standort1). Adneter Kalkstein. Erhaben gearbeitete Umschrift (I), nach innen gerichtet, die Schrift mit schwarzer Farbe hervorgehoben. Im Mittelfeld Darstellung des Verstorbenen im Pontifikalornat, der Kopf auf einem mit Quasten besetzten Kissen ruhend, die Rechte vor die Brust erhoben, in der Linken der Bischofsstab, auf dem Pannisellus ein Jesus-Monogramm (II). In den unteren Ecken des Mittelfeldes je ein Vollwappen, in den oberen Ecken verdrehtes Astwerk. Die Platte ist mehrfach durchgebrochen und in der oberen Hälfte etwas abgetreten.

Maße: H. 265 cm, B. 131 cm, Bu. 7,5 cm (I), 3 cm (II).

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versalien.

© BAdW München, Inschriftenkommission [1/1]

  1. I.

    Annoa) Dominib) M.D.LVIIII / die · VIII mensis Aprilis . obijtc) reuerendissimus in Christo pater ac / Dominus . dominusd) Leo Lösch / huius ecclesiae Episcopus cuius anima requiescat in pace Amene) ·

  2. II.

    ie(su)sf)

Übersetzung:

Im Jahre des Herrn 1559 am achten Tag des Monats April starb der hochwürdigste Vater in Christus und Herr Herr Leo Lösch, Bischof dieser Kirche. Seine Seele möge in Frieden ruhen, Amen. (I)

Wappen:
Hochstift Freising2), Lösch3).

Kommentar

Die Grabplatte wird dem Umkreis der Hering-Werkstätte zugeschrieben. Als Steinmetz kommt Sebald Hering, Sohn des Thomas Hering, in Betracht4). Die Schriftanalyse zeigt, daß der Grundbestand der Schriftformen aus der Werkstatt seines Vaters stammt, sich aber in einzelnen Elementen weiterentwickelt hat5). Besonders deutlich wird das bei dem Versal A bei Aprilis, dessen linker geschwungener Schaft der vollrunden Grundform in einer markanten Schlinge endet, die bereits in der Schrift seines Vaters auf der Grabplatte der Anna Lösch (Nr. 202), der Mutter des Verstorbenen, verwendet wurde. In der Gestaltung der Innenkontur des A gelangt Hering aber zu einer anderen Lösung. Unter den Minuskelbuchstaben zeigt der Buchstabe p eine bisher nicht angewandte Form. Der mittlere Teil des gebrochenen Bogens endet in dem Schnittpunkt zwischen Schaft und unterem Bogenabschnitt, nicht gemäß dem Formenkanon am rechten Ende des unteren Bogenabschnitts. Auch das runde s weicht insofern vom Kanon der Werkstätte ab, als es eine vollkommen geschlossene Form bildet, die die Enden des oberen und unteren Bogens mit dem Mittelteil durch einen kurzen Abschlußstrich verbindet. Zur Schriftgestaltung s. auch Einleitung CVI.

Leo Lösch kam als zweiter Sohn des herzoglich bayerischen Kanzlers Augustin Lösch und seiner Frau Anna, geb. von Thann, 1501 oder 1502 zur Welt6). 1516 erscheint er als noblis monacensis in den Matrikeln der Universität Ingolstadt, wo er das Studium beider Rechte aufgenommen hatte7). 1522 und 1524 weilte er an der Universität in Bologna, 1524 auch in Siena, wo er am 29. Mai zum Doktor beider Rechte promoviert wurde8). Noch 1524 erhielt er ein Kanonikat am Freisinger Domstift und wurde 1525 Domkapitular9). 1517 bis 1552 bekleidete er außerdem das Amt des Propstes im Stift Moosburg10) sowie von 1524 bis 1552 das des Propstes zu Isen11), dazu kamen Pfründen als Domherr in Passau von 1526 bis 155212) sowie die Pfarrstellen von St. Peter in München 1524 bis 152513), Oberföhring 154114) und Altenlack in Krain 1540 bis 154515). In Freising wurde er 1540 Scholastikus16), 1545 Koadjutor des Dompropstes17) und 1551 Dompropst18). Am 15. Februar 1552 wählte ihn das Freisinger Domkapitel – nicht ohne Druck von Seiten des bayerischen Herzogs Wilhelm V. – zum 49. Bischof von Freising. Die päpstliche Bestätigung der Wahl datiert vom 11. Mai 1552, seine Bischofsweihe wurde am 12. Juni 1552 vollzogen19). Aufgrund der vom Vorgänger übernommenen prekären Haushaltslage, u. a. hervorgerufen durch die Türkenkriege, war der finanzielle Handlungsspielraum des Bischofs gering. Zu seinen politischen Erfolgen zählt das Zustandekommen des sog. Landsbergschen Bündnisses, benannt nach dem Vertragsort Landsberg a. Lech, wonach sich die Bischöfe von Freising, Eichstätt, Augsburg, Würzburg, Bamberg, Regensburg, Passau sowie die Reichsstädte Nürnberg und Augsburg dazu verpflichteten, im Verteidigungsfall einander Beistand zu leisten20). In seine Amtszeit fielen außerdem die zweite Tagungsperiode des Konzils von Trient 1551/52 und die von 1553 bis 1555 in Mühldorf21) abgehaltene Reformsynode, die den Boden für die 1560 durchgeführte Visitatio Bavarica bereitete. Bischof Lösch ließ sich bei diesen Zusammenkünften stets durch Bevollmächtigte vertreten, und auch sonst bleibt sein politisches Profil eher konturenlos. Er starb am 8. April 155922). Für ihn sind Jahrtagsmessen in Weihenstephan23) und in der Domkirche24) dokumentiert. Seine Mutter und zwei seiner Schwestern liegen ebenfalls in Freising begraben (Nr. 202, 238†, 240).

Außer der figuralen Grabplatte gibt es im Dom in der südwestlichen Ecke des Mittelschiffs auch eine quadratische Bodenplatte aus der Zeit von Bischof Eckher mit folgender Inschrift: LEO LÖSCH / EP(ISCOP)US XLVIIII. FRIS(INGENSIS) / O(BIIT) 8. APR(ILIS) / A(NN)o 155925).

Textkritischer Apparat

  1. Schwarze Farbe bei A abgeblättert.
  2. Farbe bei D und teilweise bei dem letzten i abgeblättert.
  3. Trennzeichen dreieckförmig.
  4. Vorangehendes Worttrennzeichen rautenförmig.
  5. Schlußzeichen in Form eines Ornaments.
  6. Gekürzt: ihs.

Anmerkungen

  1. Aus den Angaben bei Meichelbeck, Historia Frisingensis II,1 325, scheint hervorzugehen, daß sich die Grabplatte zu diesem Zeitpunkt noch am ursprünglichen Standort befand: Tumulo illatus est prope aram S. Justini cum hoc epitaphio. Anno domini ... Da jedoch der zweite Band der Historia Frisingensis erst 1729 in Druck ging und zu diesem Zeitpunkt die Hebung und Umsetzung der Platte bereits zeitlich zurückgelegen haben muß, ist nicht auszuschließen, daß der Platzwechsel wenn nicht 1723–1724, dann 1701 geschah: Nach Meichelbeck, Chronica 275f., war man bei der Bodenabgrabung für die Neupflasterung am 1. April 1701 auf den Leichnam des Bischofs gestoßen.
  2. Bi 46 (Tafel 76).
  3. Bay 15 (Tafel 9).
  4. Reindl, Loy Hering 469. Vgl. auch Nr. 202 und 210 von derselben Hand.
  5. Vgl. Bornschlegel, Loy Hering 49.
  6. Meichelbeck, Chronica 274; Freyberg, Hilkertshausen 208; Boegl, Herkunft 1.
  7. Matrikel LMU I Sp. 393 Z. 8, 27. Mai 1516.
  8. Knod, Studenten 314 Nr. 2154.
  9. BSB Cgm 1716 Catalogus Canonicorum fol. 25r; Freyberg, Hilkertshausen 208f.
  10. BSB Cgm 1716 Praepositi Mospurgenses ad S. Castulum fol. 32r; Moosburg, Lkr. Freising.
  11. BSB Cgm 1716 Praepositi S. Zenonis in Isen fol. 38v; Isen, Lkr. Erding.
  12. Krick, Domstift 59; Krick, Stammtafeln 216 Nr. 93.
  13. Geiß, St. Peter 77f.
  14. BayHStA HL Freising Nr. 661 fol. 341r; Oberföhring, Stadt München.
  15. Heute Stara Loka, Slowenien.
  16. BayHStA HL Freising Nr. 554; Deutinger, Schulwesen 509 Nr. 25.
  17. BayHStA HL Freising Nr. 555.
  18. BSB Cgm 1716 Catalogus Praepositorum Frisingensium Ecclesiae Cathedralis fol. Fr, 6r; Baumgärtner, Meichelbeck’s Geschichte 602 Nr. 45.
  19. Meichelbeck, Chronica 274; Meichelbeck, Historia Frisingensis II,1 321; Landersdorfer, Bistum 94.
  20. Meichelbeck, Chronica 275; Meichelbeck, Historia Frisingensis II,1 325.
  21. Mühldorf a. Inn, Lkr. Mühldorf a. Inn.
  22. Landersdorfer, Bistum 94-100.
  23. BSB Clm 1026 fol. 32r.
  24. BayHStA HL Freising Nr. 570 fol. 33v; BayHStA HL Freising Nr. 573.
  25. Vgl. BSB Oefeleana 10 IV p. 51; AEM H 76 p. 339; Schlecht, Inschriften II 17 Nr. 84. Plattennummer der Bauaufnahme des Staatlichen Hochbauamts Freising von 1993: H.1269.

Nachweise

  1. AEM H 57 p. 196; Meichelbeck, Historia Frisingensis II,1 325; BSB Oefeleana 10 IV p. 22; BSB Cgm 1717 p. 446; BSB Cgm 2290 XVII fol. 484r; AEM H 482a p. 527, 531; BSB Cgm 1718 1 nach p. 236, p. 238f.; BayHStA Oefeleana Nr. 23 prod. Augustinus Loeschius Cancellarius sub Guilelmo IV.; AEM H 8a p. 49; AEM H 464 fol. 20r; AEM H 58 p. 21 (B); HVO Ms. 318 fol. 25r; AEM H 10 p. 417; AEM H 465 fol. 142v, 143v; Schlecht, Inschriften I 26f. Nr. 19, Taf. IV; Reindl, Loy Hering 469; Glaser, Grabsteinbuch 316 Nr. 45.

Zitierhinweis:
DI 69, Stadt Freising, Nr. 250 (Ingo Seufert), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di069m012k0025001.