Inschriftenkatalog: Stadt Freising

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 69: Stadt Freising (2010)

Nr. 202 Domkreuzgang 1534

Beschreibung

Figurale Grabplatte für Anna Lösch von Hilgertshausen, geb. von Thann. Im Südflügel im ersten Joch von Westen an der Südwand. Ursprünglich ebenfalls im Südflügel, seit 1716 am heutigen Standort1). Adneter Kalkstein, Solnhofer Kalkstein (Medaillons). Erhaben gearbeitete Umschrift2), nach innen gerichtet. Im Mittelfeld Darstellung der Verstorbenen in einer hermelingefütterten Schaube mit geschlitzten Ärmeln, auf dem Kopf eine Haube, in den zum Gebet gefalteten Händen ein Rosenkranz, links zu ihren Füßen ihr Allianzwappen; ihren Kopf hinterfangend eine halbkreisförmige Muschelkalotte, in den Zwickeln kreisrunde Spiegel aus hellem Kalkstein, in den Restflächen Blattwerk. In den Ecken der Platte die vierfache Ahnenprobe in Form von Vollwappen in Medaillons, diese die Schriftleiste unterbrechend.

Maße: H. 218 cm, B. 116,5 cm, Bu. 4,0-4,3 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Frakturversalien.

© BAdW München, Inschriftenkommission [1/1]

  1. A(nno) · D(omini) · 15·34 · den · 14a) · Sep=//tembris Starb die edl vnd Tugenthafft fraw Anna Leschin ein geborne vo(n) Thann . des edl vnd Hocha) // gelerte(n) herrn Augustin Leschn zua) // Hilkhershausn der Rechtn Doctor vnd Canntzler Jn Obern Bairn Eeliche hausfraw. d(er) g(ot) g(enad)b)

Wappen:
Lösch3) Thann4)
Thann4) Fuchs von Fuchsberg5)
Gottsmann6) Schenk von Siemau7)

Kommentar

Die Grabplatte wird dem Bildhauer Thomas Hering zugeschrieben. Dieser war ein Sohn des Eichstätter Bildhauers Loy Hering aus dessen erster Ehe. In München war er als Hofbildhauer von Herzog Wilhelm IV. (1508–1550) tätig8). Die Inschriften der Werke, die ihm zugeschrieben werden, sind meist in Kapitalis ausgeführt9), wogegen nur zwei Arbeiten mit Inschriften in Gotischer Minuskel bekannt sind10). Auf der Grundlage dieser schmalen Überlieferung ist es nicht möglich, eine charakteristische Handschrift des Thomas Hering für diese Schriftart herauszuarbeiten. Ungeachtet dessen zeigt die Schrift auf der Grabplatte der Anna Lösch einige gemeinsame Gestaltungsmerkmale mit der Gotischen Minuskel des Loy Hering, so in den Versalien A von Anna, J von Jn, L von Leschin und S von Septembris und in den Minuskeln f, g, l, s, w und z. Die oberen Schaftenden sind ebenfalls oft gekerbt. Im Unterschied zu seinem Vater verwendet Thomas Hering in diesem Beispiel reich verzierte Fraktur-Versalien, s. A von A(nno) und D von D(omini). Die am Balkenende von f, k und t ansetzenden Zierstriche kommen nicht nur am Wortende, sondern auch im Wortinneren vor. Der linke Teil des gebrochenen oberen Bogens des a endet hakenförmig an der Spitze des senkrechten Teils des gebrochenen unteren Bogens, während er bei Loy Hering in der Regel bis zur Mitte des Schaftes geführt wird. Außerdem wird der zu einem Schrägstrich reduzierte Balken des e viel weiter herunter geführt. Der untere Bogenabschnitt des p ist gebogen, nicht gerade gebildet. An der Fahne des r ist unten ein langer Zierstrich angesetzt, der bei Loy Hering nicht so stark ausgeprägt ist. Zur Schriftgestaltung s. auch Einleitung CVI.

Anna Lösch von Hilgertshausen, Tochter des Georg von Thann und der Maria, geb. Fuchs11), war die Ehefrau von Dr. Augustin Lösch (1471–1536). Dieser war 1500 bis 1508 Beisitzer beim Kaiserlichen Kammergericht und übte ab 1503 das Amt des herzoglich bayerischen Kanzlers unter Wilhelm IV. (1493–1550) zuerst in Straubing, dann ab 1515 in München aus12). 1531 erwarb er die Hofmark Hilgertshausen, wobei er das Schloß von Grund auf neu erbaute13). Seine Grabstätte lag in München auf dem Friedhof des Franziskanerklosters14). Die Töchter Maria (Nr. 238) und Barbara (Nr. 240) sowie der zweite Sohn Leo, Bischof von Freising (1552–1559, Nr. 250), wurden ebenfalls im Freisinger Dom begraben15).

Über der Platte befindet sich eine gemalte Tafel mit Inschrift von 1716, die voraussichtlich 2011 nach Befund und kopialer Überlieferung erneuert wird: ANNA LÖSCHIN NATA DE THANN OBIJT 14 SEPT(EMBRIS) / ANNO 1534.16).

Textkritischer Apparat

  1. Nachfolgende Unterbrechung durch Wappenmedaillon.
  2. Worttrennzeichen quadrangelförmig, nicht regelmäßig auf der Zeilenmitte stehend.

Anmerkungen

  1. BSB Cgm 2268 II p. 769.
  2. Eine Kurzfassung der Inschrift in HVO Geissiana 454 p. 12 Nr. 95.
  3. Bay 15 (Tafel 9).
  4. BayA1 94 (Tafel 92).
  5. Bay 11 (Tafel 4).
  6. BayA1 39 (Tafel 39).
  7. BayA3 61 (Tafel 38).
  8. Reindl, Loy Hering 425; Dehio Obb 313.
  9. Die wenigen, ihm mit einiger Sicherheit zugeschriebenen Werke sind das Epitaph des Freisinger Bischofs Philipp, Pfalzgraf bei Rhein, in der Vorhalle des Freisinger Doms (1541, Nr. 210), Teile der Ausstattung der Landshuter Stadtresidenz (1537–1543) und die Tumba Herzog Ludwigs X. in der Zisterzienserinnen-Klosterkirche Seligenthal zu Landshut (1545).
  10. Außer der Grabplatte für Anna Lösch auch die Grabplatte für Christoph Graf von Königsfeld zu Aichbach († 1546) in der St. Margaret-Kirche in Reichenbach, Gde. Niederaichbach, Lkr. Landshut, NB; Zuschreibung derselben durch Paul M. Arnold, Herkules 106f.
  11. BSB Cgm 2268 IV fol. 55v.
  12. Hundt, Stammenbuch III 463; Freyberg, Hilkertshausen 208; Straubing, NB.
  13. Hundt, Stammenbuch III 463; Hilgertshausen, Gde. Hilgertshausen-Tandern, Lkr. Dachau.
  14. Lanzinner, Behörden 373. Sein Grabdenkmal, auf dem sich auch die Grabinschrift für seine Frau Anna befand, ist kopial überliefert, s. DI 5 (München) Nr. 166.
  15. Freyberg, Hilkertshausen 208.
  16. Vgl. AEM H 482a p. 525; BSB Cgm 1718 1 vor p. 234; AEM H 64 p. 608; AEM H 465 fol. 141v.

Nachweise

  1. BSB Oefeleana 10 IV p. 89; BSB Oefeleana 10 V fol. 31v; BSB Cgm 2290 XVII fol. 482r; AEM H 482a p. 525, 531; BSB Cgm 1718 1 vor p. 234, p. 239; BayHStA Oefeleana Nr. 23 prod. Augustinus Loeschius Cancellarius sub Guilelmo IV.; AEM H 76 p. 332, 383; HVO Ms. 318 fol. 70r; AEM H 465 fol. 141v, 143v; Schlecht, Inschriften III 46f. Nr. 1; Alckens, Freising 55f.; Reindl, Loy Hering 425; Glaser, Grabsteinbuch 353f. Nr. 150.

Zitierhinweis:
DI 69, Stadt Freising, Nr. 202 (Ingo Seufert), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di069m012k0020202.