Inschriftenkatalog: Stadt Freising

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 69: Stadt Freising (2010)

Nr. 170† Allerheiligenkap. bei der Kollegiatstiftsk. St. Andreas (abgegangen) 1515

Beschreibung

Bildfenster mit Stifterinschrift des Kanonikers Wolfgang Wirsing und Bildbeischriften. Ursprünglich im Fenster südlich des Altares, vor dem Abbruch der Kapelle 1804 ausgebaut und auf die ehem. fürstbischöfliche Galerie über dem Marstall verbracht, wohl bereits zu diesem Zeitpunkt in einzelne Bildfenster aufgeteilt1). Vier Bildfenster auf unbekanntem Weg in das Kunstgewerbemuseum Berlin gelangt und dort seit dem Ende des 19. Jahrhunderts nachweisbar2), im Zweiten Weltkrieg zerstört3).

Rekonstruktion der Bilderfolge in vertikal zusammenhängender Anordnung4), die Numerierung nach dem Glasgemälde-Verzeichnis des Kunstgewerbemuseums Berlin:

A (Nr. 201): Oben die Darstellung des Kapellenstifters Wolfgang Wirsing im Chorgewand mit Almucia, kniend, nach links gewandt, in den Händen ein Birett, von dieser Stelle ein Schriftband mit der Anrufung des hl. Andreas (I) schräg nach oben abgehend, am Boden neben Wirsing dessen Wappenschild. Die Darstellung eingebettet in einen architektonischen Raum: Links eine mehrfach gegliederte Säule, hinter dem Oranten eine Brüstung mit Fensterschräge, oben reicher Festonschmuck, im Hintergrund Laubwerk. Die zweizeilige Stifterinschrift (II) in die Sockelzone des Raumes eingefügt.

B (Nr. 200): Als Pendant zu A gehörige Darstellung des hl. Andreas nach rechts gewandt, auf sein Kreuz gestützt, in seiner Rechten ein Buch; rechts ein Pfeiler, darüber eine Maßwerkarkade, das Haupt des Andreas umfangend, hinter ihm eine Brüstung, im Hintergrund feingliedriges Blatt- und Rankenwerk. Die Bildbeischrift (III) in die Sockelzone eingefügt.

C (verloren): Unter Fenster A eine Darstellung der Eltern Wirsings, Georg und Barbara, in edler Bekleidung.

D (Nr. 202 ?): Möglicherweise als Pendant zu C gehörige Darstellung des hl. Georg, dieser zugleich Namenspatron des Vaters von Wolfgang Wirsing. Zuordnung der im Versteigerungsinventar von 1803 überlieferten Inschrift (IV) zu einem der beiden Berliner Bildfenster mit Darstellung des hl. Georg unsicher, die Inschrift möglicherweise in einem seit dem 19. Jahrhundert verlorenen Schriftfeld unterhalb des Berliner Bildfensters Nr. 2025); auf diesem der hl. Georg als Ritter den besiegten Drachen präsentierend (große Fehlstellen bei der Figur des Heiligen und rechts oben); das Bildfeld von Balustern und einer reich dekorierten Arkade gerahmt, hinter dem hl. Georg eine Steinbrüstung, der Hintergrund mit feingliedrigem Rankenwerk gefüllt. Ein weiteres in Frage kommendes Bildfenster mit Darstellung des hl. Georg im Diözesanmuseum Freising6) (Inv.-Nr. P 288): seitlich reich geschmückte Säulen, in der Mitte der hl. Georg als Ritter mit Siegesfahne über dem sich am Boden krümmenden Drachen stehend, die schmalen Restflächen mit Landschaftsausschnitten, heute ohne Inschrift.

E (Nr. 199): unter Fenster D Darstellung des Freisinger Bischofs Philipp, Pfalzgraf bei Rhein, als Orant im Pontifikalornat nach links gewandt, vor dem Betpult mit aufgeschlagenem Buch kniend, vor ihm sein Wappenschild, hinter ihm sein Namenspatron, der hl. Philippus; dieser mit dem T-Kreuz in der Rechten, die Linke auf der Schulter des Bischofs ruhend; links eine Balustersäule mit Ansatz einer Maßwerkarkade, hinter Bischof Philipp und seinem Namenspatron eine Brüstung, im Hintergrund reiches Blatt- und Rankenwerk.

Maße:
A: H. 50,5 cm, B. 26 cm.
B: H. 51 cm, B. 26 cm.
D: H. 37 cm, B. 32,9 cm.
E: H. 43,3 cm, B. 27,2 cm.

Schriftart(en):
A: Gotische Minuskel mit Frakturversalien.
B: Gotische Minuskel mit Frakturversalien.
C: verloren.
D: Gotische Minuskel mit Versalien.
E: Ohne Inschrift.

Beschreibung, Maße und Text von I-III nach Schmitz, Glasgemälde I und II (dort Abbildungen), Beschreibung und Text IV nach BayHStA Generalkommissariat Freising u. Mühldorf Nr. 175 prod. 1.

Fenster A.

  1. I.

    · Ora · p(ro) nobisa) · S Andreab)

  2. II.

    · Wollfgang(us)c) · Wirsingd) · Canonic(us)e) / Frisingensisd) · fundatorf) · hui(us) · E[cclesie]g)

Übersetzung:

Bitt für uns, hl. Andreas. (I) Wolfgang Wirsing, Freisinger Kanoniker, Gründer dieser Kirche. (II)

Fenster B.

  1. III.

    S(anc)teh) Andreai) · venia(m) · deposce · labantik) ·

Übersetzung:

Heiliger Andreas, erflehe Vergebung für den Strauchelnden.

Fenster D.

  1. IV.

    Praesidio Sanctissimel) Martyr(is) 1515

Übersetzung:

Mit Hilfe des heiligsten Märtyrers 1515.

 
Wappen:
Wirsing7) (A), Philipp, Pfalzgraf bei Rhein, Bischof von Freising8) (E).

Kommentar

Die Bildfenster werden dem Landshuter Maler Hans Wertinger zugeschrieben, der ab 1497 von Bischof Philipp zahlreiche Aufträge für Dom und Residenz in Freising erhielt9).

Nach Angabe des Versteigerungsinventars von 1803 wiesen die vier aus der Allerheiligenkapelle ausgebauten Bildfenster folgende Darstellungen auf10): Position Nr. 701 auf der Evangelienseite einen Bischof aus dem Haus Bayern (wohl Fenster E), Nr. 702: Eine in Glas geschmolzene Figur, kniend, mit einem Wappen und nebengesetzter Inschrift (Nr. 338†), Nr. 703: Eine derlej Glasschmelzung, der h: Andreas mit einem vor ihm knienden Kanonikus, dem obigen Wolfgang Birsing, Stifter dieser U: L: Frau kapellen (Nr. 170 Fenster A Nr. I, II), Nr. 704: Eine derlej Glasschmelzung auf der Epistel Seite, der h: Ritter, und Martyrer Georg, mit der Unterschrift (Nr. 170 Fenster D Nr. IV).

Laut Stiftschronik von St. Andreas läßt sich aus der Existenz einer Darstellung von Bischof Philipp schließen, daß dieser vermutlich die Kapelle konsekrierte oder einen Beitrag zu ihrem Bau leistete. Diese Annahme werde außerdem – so die Stiftschronik – durch die Abbildung von dessen Wappen am Kapellengewölbe erhärtet11).

Textkritischer Apparat

  1. pro nobis in Scriptura continua.
  2. Worttrennzeichen quadrangelförmig.
  3. Sic! Zeichen zu Beginn der Schrift blütenförmig. f überwiegend verdeckt durch Bleistreifen.
  4. g überwiegend verdeckt durch Bleistreifen.
  5. BSB Oefeleana 10 mit nachfolgender Ergänzung: zu St. Andre.
  6. r überwiegend verdeckt durch Bleistreifen.
  7. Erster Buchstabe nicht eindeutig identifizierbar, wohl zutreffender die Auflösung in BSB Oefeleana 10: Capellae.
  8. te hochgestellt.
  9. Worttrennzeichen quadrangelförmig, hier durch den nachfolgenden Bleistreifen teilweise verdeckt.
  10. Schlußzeichen in Form eines Gitterornamentes.
  11. Sic, irrig für Sanctissimi.

Anmerkungen

  1. BayHStA GK Freising u. Mühldorf 175 prod. 1 p. 81f. Nr. 703; Schlecht, Inventar 40.
  2. Schmitz, Glasgemälde I 126; II Tafel 32 Nr. 201.
  3. AK Freising 1989, 287 Nr. III.21.
  4. Maßgebliche Quelle zur Rekonstruktion ist neben den in Abbildungen überlieferten Bildfenstern die Stiftschronik von St. Andreas, s. BayHStA KL Freising – St. Andreas Nr. 161 fol. 164r, 164v und BayHStA KL Freising – St. Andreas Nr. 163 p. 76f.
  5. Diese Anordnung wird durch die Angabe bei Oefele bestätigt: In Vitrea sub figura Sti. Georgij Martyris 1515. in columna vitreae L. Z. n. subdus in eadem vitrea Episcopus flectens imberbis tonsis capillis, s. BSB Oefeleana 10 IV p. 342.
  6. AK Freising 1989, 287 Nr. III.21; Maße: 76 x 51 cm.
  7. In Gold ein blauer, mit drei liegenden, goldenen Halbmonden belegter Sparren.
  8. Quadriert, 1/4. Bistum Freising (Bi 46, Tafel 76), 2/3. Pfalz-Bayern (Souv1 15, Tafel 18; Volkert, Wappen der Wittelsbacher 16f., Tafel 1 Nr. 8); Wappen teils leicht abweichend.
  9. Schmitz, Glasgemälde I 126; Karl Feuchtmayr in Thieme/Becker Künstlerlexikon 35 (1942) 425; Ehret, Hans Wertinger 61-63, 170 Nr. 78-81.
  10. BayHStA GK Freising u. Mühldorf 175 prod. 1 p. 81f. Nr. 703; Schlecht, Inventar 40.
  11. BayHStA KL Freising – St. Andreas Nr. 161 fol. 164v; BayHStA KL Freising – St. Andreas Nr. 163 p. 77.

Nachweise

  1. BSB Oefeleana 10 IV p. 342 (II); BayHStA Generalkommissariat Freising u. Mühldorf Nr. 175 prod. 1 p. 82 Nr. 704 (IV); Schlecht, Inschriften VI 124 (III); Schlecht, Inventar 40 Nr. 704 (IV); Schmitz, Glasgemälde I 126 Nr. 202 (Abb. 212), II Taf. 32 Nr. 200 (III), 201 (I, II); Ehret, Hans Wertinger 61, 170 Nr. 78-81; AK Freising 1989, 287 Nr. III.21 (IV).

Zitierhinweis:
DI 69, Stadt Freising, Nr. 170† (Ingo Seufert), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di069m012k0017009.