Inschriftenkatalog: Stadt Freising

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 69: Stadt Freising (2010)

Nr. 166(†) Diözesanmuseum 1514

Beschreibung

Reliefplatte, ehemals eine Tafel mit Stifterinschrift des Stiftskanonikers Wolfgang Wirsing zugehörig. Im Lichthof am mittleren Pfeiler der Südseite. Ursprünglich in der Allerheiligenkapelle bei der Kollegiatstiftskirche St. Andreas an der Südwand, wohl im Chorbereich1). Die Reliefplatte zu Ende des Jahres 1803 ausgebaut und auf die Galerie verbracht, die separate Inschriftentafel wohl in der Kapelle verblieben und bei deren Abbruch 1804 zerstört, das Relief 1857 der Kunstsammlung des Klerikalseminars einverleibt, 1907 in der Martinskapelle, ab ca. 1959 in der Benediktuskirche, seit 1974 am heutigen Standort (Inv.-Nr. P 114). Sandstein. In dem von einer Trennleiste umfaßten Mittelfeld Darstellung des Christus Salvator, in Kontrapost stehend, in seiner Linken die Weltkugel, die Rechte segnend erhoben, um ihn ein Wolkenkranz mit Putten. Im breiten Rahmenstreifen in den Ecken die vier Evangelistensymbole in Medaillons, in den Längsseiten reiche Grotteskenornamentik mit Balustervasen und Putten, in der oberen Schmalseite in der Mitte das von vier Engelchen auf einer Bahre getragene Christuskind, links davon die Verkündigung, rechts der Sündenfall, in der unteren Schmalseite die von kleinen Teufeln präsentierten Leidenswerkzeuge. Reste polychromer Fassung2). Sehr schlecht erhalten, besonders im Randbereich viele Fehlstellen und abgebrochene Reliefteile. 1987 restauriert.

Text nach AEM H 118 p. 453.

Maße: H. 112 cm, B. 88 cm.

  1. Quam tibi Bolfgangus Birsing, o Rector olympiAedem constituit, placato suscipe vultuTecum suscipiant Sanctorum millia milleConsortes Regni, teneata) quoque ut ara Sacelli.Anno MDXIIII.

Übersetzung:

Dieses Gebäude hat dir, o Herrscher des Himmels, Wolfgang Wirsing errichtet, nimm es an mit gnädigem Blick. Mit dir mögen es auch empfangen der Heiligen Tausend über Tausend, die Gefährten des (himmlischen) Reiches, wie auch der Altar der Kapelle dich bewahren möge. Im Jahre 1514.

Versmaß: Distichen. (Z. 1-4)

Kommentar

Wie Franz Joseph Anton Schmidt in seiner Klosterchronik von St. Andreas angibt, war auf der Gedenkplatte für den Stiftskanoniker Wolfgang Wirsing Christus Salvator dargestellt, umgeben von weiteren religiösen Szenen1). Diesem ungewöhnlichen Bildprogramm entspricht eine im Diözesanmuseum erhaltene Reliefplatte, deren stilkritisch gewonnener Zeitsansatz „um 1520“ mit dem archivalisch nachgewiesenen Datum 1514 der Platte für Wolfgang Wirsing korrespondiert. Schließlich verweisen auch die sammlungsgeschichtlichen Zusammenhänge des Reliefs auf seine Freisinger Provenienz und damit auf die Identität mit der archivalisch dokumentierten Gedenkplatte.

Nach Feststellung von Philipp Maria Halm liegt der Rahmengestaltung ein Holzschnitt der Mailänder Schule aus der Zeit um 1500 zugrunde. Die einzig nennenswerte Abweichung findet sich im oberen Rahmenfeld, wo die Freisinger Reliefplatte neben dem Christuskind auf der Bahre die Darstellungen von Verkündigung und Sündenfall (wohl nach Dürerschen Vorbildern) besitzt, während der Holzschnitt an diesen Stellen symmetrisch gegengerollte Rankenornamente mit Blüten aufweist. Die Darstellung des Christus Salvator, der von Wolken umgeben ist, wiederholt dagegen Dürers Auferstandenen der Großen Holzschnittpassion von 15103).

Halm ordnet das Relief Stephan Rottaler zu4), Volker Liedke dagegen listet es unter dessen nicht gesicherten Werken5). Tatsächlich ergeben sich nur wenige stilistische Berührungspunkte zum übrigen Werk des Landshuter Bildhauers, insbesondere entbehrt das Relief der charakteristischen architektonischen Rahmung und der von ihm – und seinem Malerkollegen Hans Wertinger – versatzstückhaft angewandten Elemente wie etwa Festons oder Schrifttäfelchen. Andererseits bemerkt Halm zu Recht, daß gerade die Faktur der kleinteiligen figürlichen Elemente nahe Verwandtschaft zu den Nebenszenen auf den Seitenflügeln des Marolt-Altars besitzt, deren Ausführung für Rottaler gesichert ist. Möglicherweise hatte Rottaler nach einem vom Auftraggeber oder von Hans Wertinger vorgegebenen Entwurf zu arbeiten.

Zum Stifter der Allerheiligenkapelle Wolfgang Wirsing vgl. Nr. 169.

Textkritischer Apparat

  1. BSB Oefeleana 10: teneant.

Anmerkungen

  1. Standort und Aussehen der Platte werden in Schmidts Klosterchronik von St. Andreas beschrieben: In dextero hujus Capellae latere etiamnum cernitur infixus parieti lapis, speciem Salvatoris, aliis piis effigiebus circumdatam, sculptili quodam labore repraesentans ..., s. BayHStA KL Freising – St. Andreas Nr. 163 p. 76.
  2. Die Platte wurde lt. Inventarblatt des Diözesanmuseums im Jahre 1987 gereinigt und mit Kieselsäureesther getränkt, wodurch die zuvor kaum mehr sichtbare Farbfassung wieder hervortrat; vgl. AK Vera Icon 101, VIII.12. Wie eine Anmerkung in Schmidts Manuskriptband zur Klosterchronik belegt, war die originale Farbfassung im 18. Jahrhundert noch gut erkennbar: Si consultum foret, posset lapis iste cu(m) suis Iconibus insculptis, vivi-colorib(us) depingi, Antiquitatis gratia, s. BayHStA KL Freising – St. Andreas Nr. 161 fol. 164r.
  3. AK Vera Icon 101, VIII.12; AK Gottesbild 146.
  4. Halm, Rottaler I 120-122.
  5. Liedke, Rottaler 161.

Nachweise

  1. BayHStA KL Freising – St. Andreas Nr. 161 fol. 164r; BayHStA KL Freising – St. Andreas Nr. 163 p. 76; BSB Oefeleana 10 IV p. 340; AEM H 477 p. 607; AEM H 118 p. 411 Nr. 72, p. 453, 476; AEM H 271; AEM H 408 p. 492; HVF U XI 10 St. Andreas p. 51, 109; Prechtl, St. Andreas 31; Schlecht, Inschriften III 73; Halm, Rottaler I 120-122; Halm, Studien II 137-143; Liedke Rottaler 121; AK Gottesbild 146f. Nr. 64.

Zitierhinweis:
DI 69, Stadt Freising, Nr. 166(†) (Ingo Seufert), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di069m012k0016600.