Inschriftenkatalog: Stadt Freising

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 69: Stadt Freising (2010)

Nr. 129 Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum 1483/1605–1617

Beschreibung

Tafelgemälde mit Datierung und nachträglich hinzugefügten Namensinitialen des Propstes von Neustift, Johannes III. Dollinger. Ursprünglich in der Klosterkirche Neustift1), 1803 auf dem Gang, welcher in die Kirche führt2), 1804 für die kurfürstliche Gemäldegalerie in Schloß Schleißheim erworben (Inv.-Nr. 1385)3), 1920 dem Germanischen Nationalmuseum als Dauerleihgabe übergeben (Inv.-Nr. G m 898)4). Mischtechnik auf Tannenholz. Darstellung der hll. Marinus und Declanus, die vom Volk um Hilfe angerufen werden: In einem gewölbten Raum der hl. Marinus als Bischof in vollem Ornat sitzend, in seiner linken Hand ein aufgeschlagenes Buch, mit seiner Rechten das heranströmende Volk – darunter vor allem Frauen mit Kindern und Pilger – segnend, neben ihm der jugendliche Diakon Declanus, der den Bischofsstab des Marinus in der Linken hält, in seiner Rechten ein Beutelbuch, unter dem Arm ein Wanderstab; am linken Bildrand unten ein Prämonstratenser mit gefalteten Händen, möglicherweise ein Porträt des Auftraggebers, Propst Conrad V. Aigelsheimer. Rechts im Hintergrund zwei teilvergitterte Spitzbogenfenster, unter dem rechten Fenster ein Wappenschild mit flankierenden Stifterinitialen (II), oberhalb der Fenster eine Stange mit zahlreichen Votivgaben; links der Mitte ein mit Astwerk verziertes Segmentbogenfenster mit Durchblick auf eine Stadtsilhouette, darüber eine Datierung (I), darunter zwei Wappenschilde, am linken Bildrand ein zinnenbekröntes Tor, durch dieses weitere Pilger herannahend, dahinter Durchblick in eine Straße.

Maße: H. 158 cm, B. 136,5 cm, Bu. 5 cm (I), 2 cm (II).

Schriftart(en): Arabische Ziffern (I), Kapitalis (II).

I.

  1. 1483a) :

II. Renovierungsvermerk (1605–1617).

  1. F(ECIT) I(OANNES) D(OLLINGER)b) // P(REPOSITUS) N(EO) C(ELLENSIS)

Übersetzung:

Johannes Dollinger, Propst von Neustift, ließ (es) machen. (II)

 
Wappen:
Aigelsheimer5), Neustift6), Dollinger7).

Kommentar

Die früheste Erwähnung des Bildes findet sich in der durch Gewold erweiterten Ausgabe von Wiguleus Hundts Metropolis Salisburgensis, worin bemerkt wird, man wisse über die beiden Heiligen Marinus und Declanus nichts Sicheres zu berichten, außer dem, was auf der im Jahre 1483 gemalten Bildtafel zu sehen sei8). Das Bild diente dem Kupferstecher Raphael Sadeler als Vorlage zu einem eigenen Bildentwurf für die Heiligengeschichte Bavaria Sancta9).

Eine überzeugende Zuweisung des Tafelbildes an einen namentlich bekannten Künstler konnte bisher nicht vorgenommen werden. Im 1803 erstellten Inventar wird das Bild als sehr seltenes Gemälde bezeichnet, wahrscheinlich von Michael Wolgemuth10). Als Schätzpreis wurde dessenungeachtet der geringe Preis von 4 fl. veranschlagt11).

Das Tafelgemälde erinnert an die iroschottischen Missionare Marinus und Declanus, die angeblich im 8. Jahrhundert in Freising gewirkt hatten. Deren Gebeine lagen der Überlieferung nach in der Kapelle St. Gotthard begraben, die sich nordöstlich von Freising an der Stelle des 1143 gegründeten Klosters Neustift befand. Während des ganzen Mittelalters hindurch bestand eine lebendige Wallfahrt zu den Reliquien der beiden Heiligen, die erst mit dem Verlust der Reliquien im Zuge des Schwedeneinfalls 1644 zum Erliegen kam, vgl. die Gedenkplatte von 1644 in Neustift (Nr. 454).

Das Tafelgemälde wurde in der Amtszeit und – wie die beigefügten Wappen belegen – auf Veranlassung von Propst Conrad V. Aigelsheimer (1474–1495) geschaffen12). Propst Johannes III. Dollinger (1605–1617) stiftete die Mittel zur Restaurierung des Gemäldes und ließ seinen Wappenschild samt Stifterinitialen hinzufügen13). Zu seiner Biographie und seinem Epitaph vgl. Nr. 385.

Textkritischer Apparat

  1. Mittig hinter dem aus Quadrangeln gebildeten Doppelpunkt ein querliegendes fünfteiliges Blättchen.
  2. Nachfolgend Unterbrechung durch den Wappenschild.

Anmerkungen

  1. Unklar bleibt, ob die Tafel ein isoliertes Altargemälde bildete oder Teil eines größeren, mehrflügeligen Altarwerks war. Bei der Erwähnung in Hundt/Gewold 1620 ist lediglich von einer tabella, also einer einzelnen Bildtafel die Rede, s. Anm. 8.
  2. Verzeichniß von einigen Gemälden in dem Kloster Neustifft nächst Freysing, 23. Januar 1803, s. BayHStA Generalkommissariat Freising u. Mühldorf Nr. 656 prod. 2 p. 4.
  3. Der älteste Inventareintrag für das Gemälde befindet sich unter der Nummer 2032 im sog. Zweibrücker Nachtragsinventar von 1804, in das – in Fortsetzung der Zählfolge des Inventars der Galerie Zweibrücken – auch das Säkularisationsgut eingetragen wurde. Neuer Standort wurde das noch heute als Filialgalerie der Zentralgemäldegaleriedirektion genutzte Schloß Schleißheim; vgl. ABStGS, Catalogue von Zweybrücken. Fortsetzung, angefangen mit Nr. 976 (Zweibrücker Nachtragsinventar 1800–1822).
  4. Busch, Bilderschätze 15 Nr. 105.
  5. Ein nach links gewandter springender Hund; vgl. Prechtl, Neustift 28.
  6. Klö 38 (Tafel 62).
  7. Auf einem Dreiberg ein Stiel mit drei Blüten; vgl. Nr. 385.
  8. Hundt/Gewold, Metropolis Salisburgensis II2 528, II3 364: De quorum vitæ sanctitate & gestis nihil aliud nobis constat, præter ea quæ in tabella quadam anno 1483. depicta visuntur.
  9. Rader, Bavaria Sancta II Taf. 16.
  10. Verzeichniß von einigen Gemälden in dem Kloster Neustifft nächst Freysing, 23. Januar 1803, s. BayHStA Generalkommissariat Freising u. Mühldorf Nr. 656 prod. 2 p. 4.
  11. BayHStA Generalkommissariat Freising u. Mühldorf Nr. 656 prod. 3 Nr. 105.
  12. Die wenigen, mäßig informativen biographischen Daten zu ihm s. bei Schlamp, Præmonstratenser Nr. 8, 4 Nr. 30.
  13. Vgl. Goerge, Neustift 3.

Nachweise

  1. Hundt/Gewold, Metropolis Salisburgensis II2 528, II3 364; BayHStA Generalkommissariat Freising u. Mühldorf Nr. 656 prod. 2 p. 4, prod. 3 p. 21 Nr. 105, prod. 8 p. 21 Nr. 105; Busch, Bilderschätze 15 Nr. 105; Kat. GNM Gemälde 13.–16. Jh. 25f. Nr. 898 Abb. 262; Goerge, Neustift 3f.; Goerge, Landratsamt 41; Reuter, Kunstsammlungen 271; Lehrmann, Prächtige Kaserne 122-124.

Zitierhinweis:
DI 69, Stadt Freising, Nr. 129 (Ingo Seufert), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di069m012k0012908.