Inschriftenkatalog: Stadt Essen

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 81: Stadt Essen (2011)

Nr. 107† Werden, † St. Stephan 1537

Beschreibung

Metalltafel. Der genaue Standort ist unbekannt. Die Bauinschrift mit historischer Nachricht und Weihevermerk wurde zweimal von dem Werdener Mönch und Geschichtsschreiber Adolf Overham (gest. 1686) überliefert, einmal vollständig und mit dem Hinweis, dass die Inschrift sich auf einer „tabula aerea“ befand, einmal unvollständig und ohne Hinweis auf die inschriftliche Ausführung.

Nach Overham, StA Wolfenbüttel, VII B Hs 92.

  1. Anno salutis christianae MDXXXIV primordiale ipsum in hoc loco divi Ludgeri templum in vita sua quidem ex muris non calce verum argilla congestis extructum atque per ipsum Deo dicatum ac consecratum et a tanto tempore vetustate sua ruinosum factum est a fundamentis restaurari coeptum atque duorum spatio annorum non solum integre in suis muris parietum tecto testudinibus fenestris uitrisa) picturisb) pavimentoque et numero altarium in uno nouo adaucto sed etiam latere ambitus monasterij ei contermino cum suis testudinibus fenestris et novae bibliothecae spatio omnia sub uno tecto completum ac confirmatumc) demum tertio subinde anno videlicet MDXXXVII die natali divi Joannis Baptistae per reuerendum in Christo patrem dominum Quirinum episcopum Cyrenensem reuerendissimi domini nostri archiepiscopi Coloniensis Hermanni a Weda in pontificalibus vicarium, consecratum in honoremd) sanctissimae et individuae Trinitatis. Beatissimae virginis Mariae et principaliter sancti Ludgeri Episcopi nec non Sancti Joannis Baptistae atque apostolorum Andreae et Joannis Evangelistae sancti Stephani protomartyris. Et ipsum novum altare in honore sanctae et individuae trinitatis et sanctorum martyriorum Fabiani et Sebastiani Cornelij Quirini Bonifacij sociorumque eius nec non sanctorum confessorum Huberti Swiberti et Antonij actus sub reuerendo patre et domino Joanne a Groninga abbate LIV huius loci in Dei nomine feliciter amen

Übersetzung:

Im Jahre des christlichen Heils 1534 wurde begonnen, diesen Tempel des heiligen Liudger, der an diesem Ort erstmals zu seinen (d. h. Liudgers) Lebzeiten aus Mauern, die nicht aus Kalkstein, sondern aus Tonerde errichtet wurden, erbaut und durch ihn (d. h. Liudger) selbst Gott gewidmet und geweiht worden war und nach so langer Zeit durch sein Alter baufällig geworden war, von Grund auf wiederherzustellen. Und im Zeitraum von zwei Jahren wurde nicht nur er vollständig in seinen Mauern mit dem Verputz der Wände, den Dächern, Fenstern, Scheiben, Bildern und dem Fußboden sowie der Anzahl der Altäre, die um einen neuen vermehrt wurden, vollendet und gefestigt, sondern auch der seitlich angrenzende Kreuzgang, mit seinen Gewölben, Fenstern und dem Raum für die neue Bibliothek, alles unter einem Dach. Schließlich wurde er im dritten darauf folgenden Jahr, nämlich 1537 am Geburtstag des hl. Johannes Baptista, durch den ehrwürdigen Vater in Christo, Herrn Quirin, Bischof von Cyrene, Weihbischof unseres hochwürdigsten Herrn, des Erzbischofs Hermann von Wied, zu Ehren der allerheiligsten und unteilbaren Dreifaltigkeit, der allerseligsten Jungfrau Maria und vor allem des heiligen Bischofs Liudger, und auch des heiligen Johannes Baptista und der Apostel Andreas und Johannes Evangelista und des heiligen Erzmärtyrers Stephanus geweiht. Und der neue Altar selbst (wurde geweiht) zu Ehren der heiligen und unteilbaren Dreifaltigkeit, der heiligen Märtyrer Fabian und Sebastian, Cornelius, Quirinus, Bonifatius und seiner Gefährten sowie der heiligen Bekenner Hubertus, Swibertus und Antonius. Geschehen unter dem ehrwürdigen Pater und Herrn Johannes von Groningen, dem 54. Abt dieses Ortes. In Gottes Namen Amen.

Datum: 24. Juni 1537.

Kommentar

Der Schluss der Inschrift greift zwei Formularbestandteile aus dem Eschatokoll mittelalterlicher Urkunden auf. Dort bezieht sich der Begriff ‚actus’ auf den Ort und Zeitpunkt eines Rechtsgeschäfts, während in der Inschrift an dieser Stelle der amtierende Abt genannt wird. Dies ist vergleichbar, da ja auch das Abbatiat eine Datierung darstellt. Die Inschrift endet mit einer Apprecatio, dem formelhaften Segenswunsch, der am Schluss mittelalterlicher Urkunden steht. Trotz dieser Formularbestandteile kann nicht von einer Urkundeninschrift gesprochen werden, da es sich bei der Beschreibung des Wiederaufbaus und der Weihe der Stephanskirche nicht um eine rechtliche Erklärung handelt.1)

Die Stephanskirche wird in der Werdener Geschichtsschreibung seit dem 16. Jahrhundert als Stiftung des heiligen Liudger und damit als älteste Werdener Kirche angesehen.2) Auch die Inschrift bezeichnet Liudger als Erbauer dieser Kirche. Tatsächlicher Auftraggeber war allerdings Hildegrim, ein Bruder Liudgers und Vorsteher des Klosters Werden.3) Er wird in einem anlässlich der Kirchenweihe von Walahfrid Strabo verfassten Gedicht als Bauherr der Kirche gerühmt.4)

Der Wiederaufbau des zerfallenen Kirchengebäudes ist nur eines der zahlreichen Bauprojekte des Abtes Johannes von Groningen.5) Aus dem Rechnungsbuch für die Amtszeit dieses Abtes gehen die Ausgaben für Bauten und von ihm in Auftrag gegebene Kunstwerke hervor, teilweise werden hier auch die Namen der beauftragten Künstler erwähnt.6) So ist auch der Bildhauer Johannes Haller namentlich genannt. Bei ihm hat Johannes von Groningen die Inschriftentafel bestellt und dafür 36 Gulden und 17 Alben bezahlt.7) Auch die Bezahlung von Hallers Sohn für den Transport der Tafel und Steinmetzarbeiten ist dort verzeichnet. Bei Haller handelt es sich vermutlich um den gleichen Künstler, der 1556 den Kamin im Saal des Kölner Rathauses am Altenmarkt schuf und der bis 1565 zweimal Amtsmeister der Kölner Steinmetzzunft war.8)

Die Weihe der Kirche wurde vom Kölner Weihbischof vorgenommen. Quirinus op dem Veld von Willich war seit 1521 Titularbischof von Cyrene und von 1519 bis zu seinem Tod 1537 Weihbischof des Kölner Erzbischofs Hermann von Wied (1515–1546).9) Er weihte im selben Jahr auch die ebenfalls von Johannes von Groningen in Auftrag gegebene Kapelle in Hetterscheid10) und bereits 1523 gemeinsam mit dem Kölner Erzbischof die neue Werdener Abtskapelle.11)

Textkritischer Apparat

  1. Die in der kopialen Überlieferung nicht einheitliche Verwendung von u und v wurde beibehalten.
  2. picturibus Jacobs.
  3. completum ac confirmatum] completum et consummatum est Jacobs.
  4. honore Jacobs.

Anmerkungen

  1. Vgl. Müller, Urkundeninschriften, S. 1.
  2. Duden, Historia, S. 36; Anonymus, Annales, S. 78; Stüwer, GS Werden, S. 39f.
  3. Vgl. Nr. 22.
  4. MGH Poetae 2, hg. v. E. Dümmler, S. 393.
  5. Vgl. zu seiner Biographie Nr. 106.
  6. HStAD, Kloster Werden, Akten, Nr. X 16a.
  7. Ebd., fol. 60r.
  8. Vgl. Vogts, Wohnhaus 2, S. 689.
  9. F. Bosbach, Art. Op dem Veld von Willich, Quirin, in: Gatz, Bischöfe, S. 511. Zur Rolle der Weihbischöfe vgl. Molitor, Erzbistum Köln 3, S. 277–282.
  10. Duden, Historia, S. 36.
  11. StA Wolfenbüttel, VII B Hs 91, fol. 301v.

Nachweise

  1. StA Wolfenbüttel, VII B Hs 92, fol. 4v.
  2. ebd., VII B Hs 91, fol. 301r (unvollständig, gedruckt bei Jacobs, Annalen, S. 91f., Anm. 130).

Zitierhinweis:
DI 81, Stadt Essen, Nr. 107† (Sonja Hermann), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di081d007k0010704.