Inschriftenkatalog: Stadt Essen
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 81: Stadt Essen (2011)
Nr. 63† Dom 2. H. 14. Jh.
Beschreibung
Osterkerze. Wachs. Die Gestaltung der Kerze ist durch genaue Anweisungen im Liber ordinarius der Essener Stiftskanoniker vom Ende des 14. Jahrhunderts überliefert.1) Auf einem Stück Pergament, das an der Kerze befestigt wurde, war die Jahreszahl vermerkt. Der Liber ordinarius gibt das Datum nur formelhaft mit den ersten vier römischen Zahlzeichen für das Jahrhundert wieder und schreibt anstelle der Indiktionszahl „tali, ut occurit“. In die Kerze selbst wurde fett und auffallend („grosse et apparenter“) der Weihevermerk A geschrieben. Auf mittlerer Höhe der Kerze wurde ein Christogramm eingeritzt, das durch die griechischen Buchstaben Alpha, Omega und Psi (B) ergänzt wurde. Auf der gegenüberliegenden Seite der Kerze befand sich auf gleicher Höhe ein eingeritztes Kreuz mit Vertiefungen am Schnittpunkt und an den Enden der Kreuzarme.
Nach Arens.
- A
In honorem omnipotentis Dei · beate genitricis Dei · Marie · sanctorum martirum Cosme et Damiani · et omnium sanctorum
- B
Übersetzung:
Zu Ehren des allmächtigen Gottes, der seligen Gottesmutter Maria, der heiligen Märtyrer Cosmas und Damian und aller Heiligen. (A)
Anmerkungen
- Arens, Liber ordinarius, S. 58f.
- Zum Folgenden MacGregor, Fire, S. 366–377; Bärsch, Feier, S. 156f.
- Apc 1,8, 21,6, 22,13.
- J. Lieball, Art. A–O, in: LCI 1 (1968), Sp. 1.
- MacGregor, Fire, S. 367f.
- Arens, Liber ordinarius, S. 68; Bärsch, Feier, S. 186, 347.
- MacGregor, Fire, S. 375.
- Schaefer/Arens, Urkunden, S. 338; Arens, Liber ordinarius, S. 219; Jahn, Osterkerze, S. 51; Bärsch, Feier, S. 157.
- Arens, Liber ordinarius, S. 66, 160; Bärsch, Feier, S. 174–179, 345.
Nachweise
- Arens, Liber ordinarius, S. 58f., mit Zeichnung.
- Jahn, Osterkerze, S. 51.
- MacGregor, Fire, S. 368, mit Zeichnung.
- Bärsch, Feier, S. 157, 341.
Zitierhinweis:
DI 81, Stadt Essen, Nr. 63† (Sonja Hermann), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di081d007k0006307.
Kommentar
Die Gestaltung von Osterkerzen wurde mehrfach beschrieben.2) Ab dem Anfang des 10. Jahrhunderts ist die Anbringung der Jahreszahl, z. T. mit der Ergänzung durch die Indiktion, auf Osterkerzen belegt, in Vorschriften zur Gestaltung der Osterkerze wird häufig darauf hingewiesen. Alistair MacGregor bemerkt, dass die Jahreszahl als Hinweis auf die die Zeiten überdauernde Herrschaft Jesu Christi zu verstehen ist, die auch in den apokalyptischen Buchstaben Alpha und Omega anklingt. Die Anbringung dieser Buchstaben auf Osterkerzen ist beispielsweise im 10. Jahrhundert in Corbie und León belegt. Diese Vorschrift findet sich auch im Pontificale Romanum des 12. Jahrhunderts. Die Buchstaben bezeichnen den eschatologischen Namen Christi, wie er in der Offenbarung des Johannes genannt wird.3) Sie stellen den Bezug her zu der Hoffnung auf seine zweite Wiederkehr, die besonders in der Osterfeier präsent ist, und begegnen häufig in Verbindung mit dem Christogramm.4) Auf der Zeichnung, die der Liber ordinarius zur Gestaltung der Buchstaben enthält, ist zu sehen, dass Alpha, Omega und Rho mit Kreuzen ausgestattet sind, die MacGregor als Symbol für die Dreifaltigkeit deutet.5) Der Liber ordinarius bemerkt an anderer Stelle, dass der griechische Buchstabe Psi als Symbol des Heiligen Geistes gilt,6) in dieser Hinsicht ist auch das Psi auf der Kerze zu interpretieren. Die Anbringung eines Weihevermerks auf Osterkerzen ist mehrfach belegt.7)
Der Droste des Stifts war verpflichtet, 84 Pfund Wachs zur Herstellung der Kerze zu liefern.8) Der Diakon, der die Kerze während der Feier der Ostervigil segnete, war auch für ihre Gestaltung verantwortlich.9) Während der Segnung der Kerze wurden vier Weihrauchkörner und ein Myrrhekorn in das in die Kerze eingeritzte Kreuz gedrückt.