Inschriftenkatalog: Stadt Essen

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 81: Stadt Essen (2011)

Nr. 128 Werden, St. Ludgerus, Westturm 1574

Beschreibung

Glocke des Gießers Wilhelm Hachman. Bronze. Die Glocke ist schwer zugänglich und konnte nur von einer Seite untersucht werden. Die Krone ist mit Masken und Zopfmuster verziert, die Haube ist profiliert. Um die Schulter verläuft ein stehender Lilienfries, darunter ein Steg. Die erste Inschriftenzeile mit der Inschrift A (Anrede an den Leser, Spruch und Bibelparaphrase) ist oben und unten von einem kräftigen Steg begleitet. Darunter folgt ein ebenfalls von Stegen begleiteter hängender Kreuzblumenfries mit Perlband. In der zweiten Zeile folgt der Auftraggebervermerk B. Über dem Spruch C in der dritten Zeile ist das reliefierte Wappen des Auftraggebers zu sehen; es wird von zwei Putten gehalten. Die Glockenrede (Meisterinschrift) D befindet sich auf der nicht zugänglichen Seite der Glocke. Peter Jacobs berichtet von zwei Medaillons an der Flanke, die Johannes Baptista und den Salvator zeigen. Nur eines der Medaillons ist zugänglich. Es ist mit einem Schriftband mit einer Inschrift in gotischer Minuskel ausgestattet. Wegen der schlechten Erreichbarkeit konnte diese Inschrift nicht entziffert werden. Der Wolm ist mit einer fünfteiligen Stegkombination ausgestattet, der Schlagring mit einem Doppelsteg und einem einzelnen Steg.

Ergänzt nach Jacobs.1)

Maße: H. 64 cm (ohne Krone); Dm. 73 cm; Bu. 1,4 cm (A), 2,2 cm (B, C).

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Kapitalisversalien.

  1. A

    · Audite · o · ciues · quam · sit · renolubilea) · tempus · praeterit · ista · dies2) · non · reditura · semelb) · vigilate · ergo · quia · nescitis · diem · neque · horamc)3)

  2. B

    r(everendus) : d(ominus) : hine(r)icusd) duden · werthin(ensis) · et · helmst(adensis) · abba · me · fieri · fecite)

  3. C

    · tempore · nil · fugacius4)

  4. D

    Wilhelmus Hachmanf) me fecit 1574g)

Übersetzung:

Oh Bürger, hört, wie vergänglich die Zeit ist. Dieser Tag vergeht, und er wird nicht noch einmal zurückkehren. Deshalb seid wachsam, denn ihr wisst weder den Tag noch die Stunde. (A) Der ehrwürdige Herr Heinrich Duden, Werdener und Helmstedter Abt, ließ mich machen. (B) Nichts ist flüchtiger als die Zeit. (C) Wilhelm Hachman machte mich 1574. (D)

Versmaß: Elegisches Distichon, reimlos (A, bis semel).

Wappen:
Abt Heinrich Duden.5)

Kommentar

Die drei zumindest teilweise sichtbaren Inschriften sind in gleichmäßiger gotischer Minuskel ausgeführt. Bei Inschrift A ist das Mittelband durch dünne Stege begrenzt, die Anfänge von A und B werden durch Münzabdrucke markiert, deren Umschriften allerdings nicht lesbar sind. Bei e reicht der dünne Balken oben über den gebrochenen Bogen hinaus und ist oben nach links, unten nach rechts umgebogen. h hat einen nach unten verlängerten Bogen, der in eine Zierlinie ausläuft. Auch s und t haben Zierlinien, bei s vom oberen zum unteren Bogenende, bei t senkrecht rechts am Balken ansetzend. Bei r ist die Fahne als Quadrangel mit angesetztem Zierstrich gestaltet. Bei w haben die ersten beiden Schäfte Oberlängen. Die Ober- und Unterlängen anderer Buchstaben sind gespalten. Als Worttrenner wurden Rosetten, Sterne, Masken und halbkugelig erhöhte Punkte verwendet.

Der Auftraggeber der Glocke, der Werdener Abt Heinrich Duden, stand dem Kloster von 1573 bis zu seinem Tod 1601 vor.6) Eine Werdener Chronik berichtet, Duden habe „die große klock gießen lassen [und] die Muntz wiederumb in brauch bracht“.7) In seiner Amtszeit wurde bei Wilhelm Hachman noch eine weitere, 1577 gegossene Glocke in Auftrag gegeben.8) Von dem Klever Gießer ist im Essener Stadtgebiet noch eine Glocke in der Marktkirche in Kettwig erhalten, zwei Glocken mit kopial überlieferten Inschriften sind für die Münsterkirche nachgewiesen.9) Das von Jacobs identifizierte Medaillon mit dem Kopf Johannes Baptistas fand sich auch auf einer 1565 gegossenen, nur noch fragmentarisch erhaltenen Glocke für die Kirche von Lottum (Gemeinde Horst aan de Maas, Provinz Limburg, Niederlande).10)

Textkritischer Apparat

  1. Sic! Für resolubile.
  2. Die zugängliche Zeile bis tempus ist durchgehend mit Worttrennern ausgestattet. Dies ist vermutlich auch in der restlichen Zeile der Fall.
  3. Die beiden letzten Verse ergänzt nach Jacobs.
  4. Ohne Kürzungszeichen.
  5. Ab et helmst(adensis) ergänzt nach Jacobs.
  6. Hartmann Jacobs, Feldens, Scheidgen.
  7. Inschrift D ist nicht zugänglich und wurde deshalb nach Jacobs ergänzt. Dabei wurde der Gießername emendiert, vgl. Nr. 130. KDM Essen: Wilhelmus Hachman fecit 1574; Jacobs, Feldens, Scheidgen: Wilhelmus Hartmann me fecit.

Anmerkungen

  1. Wegen des eingeschränkten Zugangs zu der Glocke war eine exakte Messung nicht möglich, die angegebenen Maße sind ungefähre Werte. Die unzugänglichen Teile der Inschriften und der Verzierungen sind nach Jacobs, Pfarreien 2, S. 319 wiedergegeben.
  2. Walther, Proverbia 3, Nr. 22258.
  3. Mt 25,13, der Versanfang vigilate ergo (statt „Vigilate itaque“) entspricht aber Mt 24,42.
  4. Zu vergleichbaren Sprüchen TPMA 13, S. 363.
  5. Vgl. Nr. 144, Anm. 2; Glöckner, Wappen, S. 79f.
  6. Vgl. zu seiner Biographie Nr. 144.
  7. Jacobs, Annalen, S. 114, Anm. 156.
  8. Vgl. Nr. 130.
  9. Vgl. Nr. 116 (dort auch Hinweise zur Biographie), 117, 119.
  10. Dorgelo, Glockengießer, S. 161.

Nachweise

  1. KDM Essen, S. 101 (D).
  2. Jacobs, Pfarreien 2, S. 319.
  3. Feldens, Glocken, S. 99.
  4. Scheidgen, Glocken, S. 102.

Zitierhinweis:
DI 81, Stadt Essen, Nr. 128 (Sonja Hermann), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di081d007k0012803.