Inschriftenkatalog: Stadt Essen

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 81: Stadt Essen (2011)

Nr. 101 Dom, Dachreiter 1522

Hinweis: Die vorliegende Online-Katalognummer ist im Vergleich zum gedruckten Band mit Ergänzungen und Korrekturen versehen. Sie finden diese am Ende des Artikels. [Dorthin springen]

Beschreibung

Glocke. Bronze, ca. 80 kg, Schlagton gis2 +4.1) Die Inschrift mit Gussjahr und Spruch verläuft zwischen zwei Doppelstegen unter einem Doppelkreuzblumenfries um die Schulter. Am Wolm befinden sich weitere drei Stege. Die Glocke hing als Schlagwerkglocke der Turmuhr in einem barocken Türmchen über dem Westturm.2) Nach dem Abbruch dieser Laterne im Zuge der Restaurierungsarbeiten 1885 wurde sie im Dachreiter über der Vierung aufgehängt.3)

Maße: H. 43 cm (ohne Krone); Dm. 47,5 cm; Bu. 2,3 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versal.

AWK NRW, Arbeitsstelle Inschriften [1/1]

  1. A

    ·wei got wel deine(n) · dei bidde vor dei kreste(n) seile(n) ·

  2. B

    A(nn)o xvc o xxiio

Übersetzung:

Wer Gott dienen will, der bete für die Seelen der Christen. (A)

Versmaß: Deutscher Reimvers (A).

Kommentar

Für die Buchstaben wurden jeweils dieselben, qualitätvollen Modeln benutzt. Das ist beispielsweise an den e erkennbar, die immer denselben steilen, nach unten rechts umgebogenen und oben über den gebrochenen Bogen hinausreichenden Strich als Balken haben. Auch die Gestaltung der e mit Kürzungszeichen (in kreste(n) und seile(n)), das schwungvoll in den Balken übergeht, ist identisch.4) i entstammt offenbar einem kleineren Modelsatz, ist jedenfalls kleiner als die übrigen Buchstaben. Für das Gussjahr ist die Anzahl der Jahrhunderte mit hochgestellten c als Multiplikator angegeben, außerdem hochgestellte o als Endbuchstaben für millesimo quingentesimo. Die fünfblättrigen Rosetten als Interpunktionszeichen bzw. Verstrenner wurden auch auf einer Glocke in Ründeroth, die 1508 von Hildebrand und Jorgen van Iserlohn gegossen wurde, verwendet.5) Diese Gießer stehen in der Nachfolge des Dortmunder Gießers Johann Wynebrock, auf den auch der Zierfries und der A-Versal hinweisen.6)

Die Inschrift A ist durchgängig in Niederdeutsch verfasst. Nachgestelltes i hinter e wirkt als Dehnungszeichen für den vorangehenden Vokal. Formen ohne r sind bei Pronomen im Niederdeutschen nicht ungewöhnlich.7)

Anmerkungen

  1. Stens, Glocken, S. 288.
  2. Feldens, Glocken, S. 81.
  3. Während des Zweiten Weltkriegs war die Glocke zeitweilig abmontiert und wurde im Westturm aufbewahrt, vgl. Feldens, Glocken, S. 81.
  4. Bei deine(n) wurden e und Kürzungszeichen separat gesetzt.
  5. Freundlicher Hinweis von Jörg Poettgen, Overath.
  6. Vgl. Peter, Westfalen, S. 10; Nr. 83, 84, 85.
  7. Lasch, Grammatik, §§ 22,2, 98, 403 mit Anm. 5.

Nachweise

  1. KDM Essen, S. 53.
  2. Feldens, Glocken, S. 81.
  3. Rinken, Glocken, S. 97.
  4. Stens, Glocken, S. 289, mit Abb. 6, S. 289.
Addenda & Corrigenda (Stand: 14. März 2017):

Übersetzung: Korrektur nach Heinrich Tiefenbach, Rez. DI 81, in: Beiträge zur Namenforschung 47 (2012), S. 474: Streiche "bete für die Seelen der Christen" setze "der bitte für die christliche Seele".

Zitierhinweis:
DI 81, Stadt Essen, Nr. 101 (Sonja Hermann), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di081d007k0010102.