Inschriftenkatalog: Stadt Essen

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 81: Stadt Essen (2011)

Nr. 91(†) Domschatzkammer E. 15.–A. 16. Jh.

Beschreibung

Kruzifix. Holz, Silber, getrieben, gegossen, graviert. Das Kruzifix wurde mehrfach stark überarbeitet und teilweise erneuert,1) der noch 1904 vorhandene, erhaben getriebene (?) Kreuztitulus fehlt heute. Eine vermutlich im 17. oder 18. Jahrhundert verfasste Reliquienauthentik auf Papier oder Pergament,2) die unter einer runden Glasscheibe über dem Corpus angebracht war, ist verloren. In dem Corpus, der am Rücken eine verschließbare Öffnung hat, sind Reliquien enthalten, die ursprünglich in das goldene Gemmenkreuz, das von Äbtissin Ida gestiftet wurde, eingelassen waren.3)

Nach Foto bei Humann.

Schriftart(en): Gotische Minuskel.

  1. · i · n · r · i ·4)

Kommentar

Die Buchstaben des Kreuztitulus sind sorgfältig in gotischer Minuskel gestaltet. An den Brechungen sind teilweise kleine Zierhäkchen ausgezogen. Die Fahne des r ist als Quadrangel ausgeführt und hat eine besonders lange Zierlinie, die in die Brechung des Schafts übergeht. Als Worttrenner wurden Quadrangel verwendet.

Das noch nicht überarbeitete Kreuz, von dem eine Fotoaufnahme von 1904 existiert,5) wird aus stilistischen Gründen ans Ende des 15. oder an den Anfang des 16. Jahrhunderts datiert.6) Die Ausführung der gotischen Minuskel in dem Kreuztitulus widerspricht dieser Einordnung nicht, die Inschrift wird entsprechend zeitlich eingeordnet.

Das silberne Kruzifix wurde im Spätmittelalter als Ersatz für das goldene Gemmenkreuz auf der Säule hinter dem Kreuzaltar hergestellt.7) Dieses Kreuz, das wahrscheinlich im 10. Jahrhundert von der Essener Äbtissin Ida gestiftete wurde, enthielt Reliquien, die, nachdem sie in Vergessenheit geraten waren, 1413 wiederentdeckt wurden.8) Aus diesem Anlass wurde vermutlich 1454 eine Reliquienaufzählung angefertigt und am Fuß des Kreuzes befestigt.9) Die Reliquienauthentik des silbernen Kruzifixes zählt z. T. Reliquien auf, die bereits 1413 in dem Kruzifix vorgefunden wurden (vom Blut, vom Kreuz und vom Grab des Herrn), aber auch später hinzugefügte.

Anmerkungen

  1. Im 18. Jh. wurden anscheinend Teile des Kreuzes entfernt und eingeschmolzen, vgl. Wilkes, Geschichte, S. 70.
  2. Hic sunt Reliquiae / quae continentur in hac Cr[uce] / De Sanguine Domini [.]ota[ – – – ] / De Ligno D(omi)ni de Spongia Domini / De Sepulchro D(omi)ni De Sudario D(omi)ni / De s(ancta) Calvaria ubi Christus / crucifixus fuit De praesepio / De mensa D(omi)ni De S(ancto) Petro /De S(ancto) Andrea De S(ancto) Nic[ – – – ] /Vincen[ti]o / Anno / 1644.
  3. Zu den Reliquenbündeln vgl. Kat. Essen 2009, S. 230, Nr. 108 (A. Stauffer).
  4. Io 19,19.
  5. Humann, Münsterkirche, Tf. 58,1.
  6. KDM Essen, S. 52; Humann, Kunstwerke, S. 362f. Eine Rechnung der Kirchenfabrik (vgl. Petry, Rechnungen, S. 42), die die Lieferung von Silber für ein Kreuz vermerkt, kann nicht als Hinweis darauf gewertet werden, dass das goldene Reliquienkreuz bereits zu diesem Zeitpunkt durch das silberne ersetzt wurde, zumal das goldene Kreuz im Dezember 1413 bereits wieder auf der Säule aufgestellt wurde.
  7. Zu diesem Kreuz vgl. Nr. 5, 73.
  8. Vgl. Nr. 5; Arens, Kapitel, S. 147f., Anlage III.
  9. Vgl. Nr. 73.

Nachweise

  1. Humann, Münsterkirche, S. 363, mit Tf. 58,1.

Zitierhinweis:
DI 81, Stadt Essen, Nr. 91(†) (Sonja Hermann), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di081d007k0009105.