Inschriftenkatalog: Stadt Essen
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 81: Stadt Essen (2011)
Nr. 70 Stoppenberg, Karmelitinnenkirche E. 14. Jh.–1. H. 15. Jh.
Beschreibung
Glocke. Bronze. Schlagton e’’, Gewicht ca. 230 kg.1) Die Kronenbügel sind mit Zopfmuster verziert, die Haube ist flach abfallend. Die Inschrift (Mariengruß) verläuft um die Schulter zwischen zwei Kordelstegen. Am Wolm befindet sich ein kräftiger Steg.
Maße: H. 58 cm (ohne Krone); Dm. 70,3 cm; Bu. 1,6 cm.
Schriftart(en): Gotische Minuskel.
+ ave + maria + gracia + plena + dominvs + tecum +2)
Übersetzung:
Gegrüßt seist du, Maria, voll der Gnade, der Herr ist mit dir.
Anmerkungen
- Schaeben, Denkmalglocken, S. 92, Nr. 67.
- Beginn der Antiphon ‚Ave Maria’ oder des davon abgeleiteten Mariengebets ‚Ave Maria’ („Gegrüßt seist du, Maria“), das zu den Grundgebeten der katholischen Kirche zählt. Der Wortlaut der Antiphon in CAO 3, Nr. 1539, biblische Grundlage ist Lc 1,28.
- Vgl. z. B. DI 60 (Rhein-Hunsrück-Kreis 1), Nr. 49, 50.
- Poettgen, Glocken, S. 12.
- Vgl. z. B. die Schriftausführung in DI 73 (Hohenlohekreis), Nr. 57.
- KDM Essen, S. 76: 14. Jh.; Feldens, Glocken, S. 94: 14. Jh.; Schaeben, Denkmalglocken, S. 92, Nr. 67: um 1400.
- Vgl. z. B. DI 54 (Landkreis Mergentheim), Nr. 17; DI 60 (Rhein-Hunsrück-Kreis 1), Nr. 42; DI 64 (Landkreis Querfurt), Nr. 23; DI 73 (Hohenlohekreis), Nr. 57, 59.
- Vgl. z. B. DI 63 (Odenwaldkreis), Nr. 18, 32, 79, 81, 102, 104, 109, 128, 129; Walter, Glockenkunde, S. 174, Anm. 1.
- UB Niederrhein 1, Nr. 217 (1073 Januar 29); Essener UB 1, Nr. 31.
- Vgl. Ehlers-Kisseler, Anfänge, S. 23ff.
- Eger, Urkunden, S. 135 (1488 Mai 15).
- KDM Essen, S. 73.
Nachweise
- KDM Essen, S. 76.
- Meyer, Stoppenberg, S. 31.
- Feldens, Glocken, S. 94.
Zitierhinweis:
DI 81, Stadt Essen, Nr. 70 (Sonja Hermann), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di081d007k0007002.
Kommentar
Die gedrungen wirkende, breitstrichige Inschrift ist in ein Zweilinienschema gestellt, aus dem nur l oben deutlich herausragt. Die Unterlängen von g und p stehen auf der Grundlinie, der Schaft von p ist zudem nach rechts gebrochen, das untere Bogenende steht nach links über und ist umgebogen. Bei e ist der Balken oben etwas überstehend. Es wurden sowohl u als auch v für den Lautwert 〈u〉 verwendet, wobei für die beiden v zwei Model benutzt wurden, die sich durch die Ausprägung der Oberlänge des linken Schafts unterscheiden. Es ist nicht ungewöhnlich, dass derselbe Gießer für verschiedene Glocken sowohl u als auch v zur Bezeichnung des Lautwerts 〈u〉 benutzt,3) die gleichzeitige Verwendung innerhalb einer Inschrift ist allerdings bemerkenswert. Zur deutlichen Unterscheidung des u vom n sind die oberen Schaftenden nicht nach links gebrochen, sondern rechtsschräg geschnitten. Zur Markierung von Beginn und Ende der Inschrift und als Worttrenner wurden Malterserkreuze verwendet.
Die etwas plumpe Gestaltung der Inschrift spricht dafür, dass es sich um eine der frühen Glockeninschriften in gotischer Minuskel handelt. Diese Schrift wurde seit den 1380er Jahren zunehmend auch für Glocken verwendet.4) Allerdings kann auch eine spätere Entstehung nicht ausgeschlossen werden,5) weshalb die Glocke ans Ende des 14. bis in die erste Hälfte des 15. Jahrhunderts eingeordnet wird.6) Da Kordelstege im 14. und im 15. Jahrhundert als Glockenzier verwendet wurden,7) können sie nicht zur genaueren Datierung herangezogen werden.
Der Beginn des ‚Ave Maria’, das den Engelsgruß des Lukasevangeliums aufgreift, wurde bereits seit dem 13. Jahrhundert für Glockeninschriften verwendet und fand im 15. bis zum beginnenden 16. Jahrhundert weite Verbreitung.8) Dies hängt mit der Ausbreitung des Marienkults ab dem 14. Jahrhundert zusammen, zudem wurden vermehrt päpstliche und synodale Vorschriften erlassen, nach denen Glockenläuten zu bestimmten Anlässen durch Gebete, vor allem das ‚Ave Maria’, begleitet werden sollte.
Die erste Kapelle in Stoppenberg wurde 1073 von der Essener Äbtissin Svanhild gestiftet und ein Jahr später vom Kölner Erzbischof Anno II. geweiht.9) Er gestand der Kirche eingeschränkte Pfarrrechte für Notfälle zu. Ab dem 13. Jahrhundert ist ein Frauenkonvent in Stoppenberg nachweisbar, dem ein Propst aus dem Prämonstratenser-Orden vorstand.10) Die Gemeinschaft wurde 1488 vom Papst als weltliches Damenstift bestätigt.11) 1803 erfolgte im Zuge der Säkularisation die Aufhebung des Stifts.12) Die Kirche diente bis 1907 als katholische Pfarrkirche St. Nikolaus, seit 1961 gehört sie zum Karmel ‚Maria in der Not’.