Die Inschriften der Stadt Braunschweig bis 1528
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 35: Stadt Braunschweig I (1993)
Nr. 276 Dom St. Blasii 15. Jh.
Beschreibung
Kelch; Silber, vergoldet. Auf den erneuerten Sechspaßfuß wurde ein älterer Kruzifixus ohne Begleitfiguren und Titulus aufgelötet1). Auch der Schaft und der breitgedrückte Nodus, der mit sechs rhombischen Rotuli mit vierteiligen floralen Aufsätzen sowie mit Mittelknopf und durchbrochenen Vierpässen in den Zwickeln verziert ist, gehören zu den erhaltenen, alten Teilen des Kelchs. Die Inschriften befinden sich oberhalb (A) und unterhalb (B) des Nodus. Sie sind in Einzelbuchstaben in je sechs gerahmte Felder des Schaftes gefügt. Die erneuerte Kuppa ist schlicht. Die auf der Unterseite in den Fuß eingeritzte Jahreszahl 1701 bezeichnet vermutlich das Datum der Umarbeitung2).
Maße: H.: 15,6 cm; Dm.: 9,2 cm; Bu.: 0,7 cm.
Schriftart(en): Minuskel.
- A
ihesus
- B
crist(us)a)
Textkritischer Apparat
- Kürzungszeichen im sechsten Feld.
Anmerkungen
- Vgl. Adolf Quast, Die Altargeräte des St.-Blasius-Domes im Spiegel der Braunschweigischen Geschichte, in: Braunschweigische Heimat 57, 1971, S. 65–86, Abb. 3, S. 69 und dazu die Beschreibung des Kelches Nr. 75.
- Vgl. Quast (wie Anm. 1), S. 72, 77; das nicht identifizierte Beschauzeichen ist nicht braunschweigisch. Quasts Vermutung, daß der Kelch durch eine Stiftung der Familie Jettebruch am Ende des 17. Jahrhunderts in den Bestand des Doms gekommen sei, gründet sich nur auf die Tatsache, daß zwei Stiftsherren aus dieser Zeit bekannt sind, vgl. Döll, S. 226 und 228. Da der Kelch weder in der Slg. Sack noch im Dominventar bei Schröder/Assmann (2, S. 147) aufgeführt wird, ist anzunehmen, daß er erst im späteren Verlauf des 19. Jahrhunderts in den Besitz des Doms gelangte.
Nachweise
- Abb. und Lit.: Quast (wie Anm. 1), S. 69, 72, 77, 84.
Zitierhinweis:
DI 35, Stadt Braunschweig I, Nr. 276 (Andrea Boockmann), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di035g005k0027609.
Kommentar
Der Kelch entspricht in den Maßen, den erneuerten Formen des Fußes und der Kuppa, jedoch auch in den älteren Teilen, die in die spätere Umformung einbezogen wurden, einem heute in St. Mauritius in Hildesheim befindlichen Gegenstück (Nr. 75). Bei beiden Stücken ist der Kruzifixus jeweils in Arm- und Beinhaltung und der Linksneigung des Hauptes identisch; besonders auffällig ist das zu beiden Seiten wegflatternde Lendentuch. Auch die durchbrochenen Verzierungen der Nodi und die gerahmten Felder der Schaftteile entsprechen sich. Dies gilt jedoch nicht für die in den Rahmungen erhaben ausgearbeiteten Buchstabenformen. Während die gotischen Majuskeln von Nr. 75 die Rahmungen mit gerundeten und geschwungenen Formen ausfüllen, sind die Minuskeln der vorliegenden Inschrift stark gebrochen und den Feldern nicht in gleichem Maße eingepaßt. Die Inschriften – und damit wohl auch das Stück selbst – sind möglicherweise erheblich jünger als der 1401 datierte Hildesheimer Kelch. Beide Kelche sind dann auch nach der Umarbeitung offensichtlich nicht als Parallelstücke verkauft, sondern von verschiedenen Kirchen erworben worden.