Die Inschriften der Stadt Braunschweig bis 1528
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 35: Stadt Braunschweig I (1993)
Nr. 54† St. Jakobskirche 1375
Beschreibung
Bauinschriften. Nach der Fertigstellung des 5/8-Chors im Gefolge des Umbaus der alten Jakobskirche wurde über dem spitzbogigen Giebel der nördlichen inneren Chornische die Bauinschrift A entweder eingehauen oder aufgemalt. Unterhalb des Dreipaßbogens derselben Chornische befand sich ein zweizeilig eingehauener oder aufgemalter Spruch (B).
Inschriften nach Slg. Sack.
Schriftart(en): Gotische Minuskel (A), mit Versalie (B).
- A
an(no) : d(omi)ni · m · / c·c·c · lxxv · [r]eformataa) · / e(st)b) · capella · istac)
- B
Corpore · non · corde / lotus · nemo · sine · sorded)
Übersetzung:
Im Jahr des Herrn 1375 wurde diese Kapelle erneuert. (A) Wenn einer nur dem Körper nach (und) nicht im Herzen rein ist, ist er nicht ohne Makel. (B)
Versmaß: Zweisilbig gereimter leoninischer Hexameter (B).
Textkritischer Apparat
- [r]eformae a Sack. Das bei Sack an das a ligierte e kann als t gelesen werden.
- i · Sack.
- doppelstöckiges a wurde von Sack als d gelesen.
- sorte Sack. Diese Schreibweise widerspricht jedoch dem Reim und dem Sinn des Spruches.
Anmerkungen
- Vgl. Walther 1, Nr. 3507, S. 412. Dort in der Form: Corpore vel corde numquam maneo sine sorde.
- Karl Langosch, Arbor virtutum et viciorum, in: Studien zur lateinischen Dichtung des Mittelalters. Festschrift für Karl Strecker, hg. von Walter Stach/Hans Walther, Dresden 1931 (Schriftenreihe der Historischen Vierteljahrschrift, Bd. 1), S. 117–131, hier S. 125. Vgl. auch die ebd., S. 121, wiederkehrenden Reime cordis-sordis, corde-sorde.
Nachweise
- Sack, H V, 134, S. 3, 17; wie Anm. 1, 2.
Zitierhinweis:
DI 35, Stadt Braunschweig I, Nr. 54† (Andrea Boockmann), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di035g005k0005403.
Kommentar
Die Nachzeichnung der Inschrift A durch Sack imitiert etwa die in Braunschweig vor 1375 verwendete Minuskel. Den Spruch (B) zeichnet Sack hingegen in fast kursiver, gezierter Schrift ab. Es ist demnach möglich, daß er erst sehr viel später unter den Chorbogen geschrieben wurde. Der in verschiedenen Varianten verbreitete Spruch1) entstammt der moraltheologischen Schrift Arbor virtutum et vitiorum des 13. Jahrhunderts2). Er wird dort unter dem Titel Inmundicia (Unsauberkeit) und unter den Untugenden verzeichnet. Angebracht wohl in Augenhöhe, links vom Hauptaltar der Jakobskirche, sollte er die Geistlichen, die in der Kirche Messe lasen, zur Reinheit des Herzens ermahnen.