Inschriftenkatalog: Altkreis Witzenhausen

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 87: Witzenhausen (Altkreis) (2017)

Nr. 39 Großalmerode, Kleiner Berg 7 1530

Beschreibung

Bauinschrift. Fachwerkhaus, jetzt in Nr. 3 und Nr. 7 geteilt, dreigeschossig, traufenständig; 12–15 Gefache, die genaue Zahl lässt sich nicht angeben, da der rechte Teil jetzt unter Putz liegt. Über den beiden modernen Türen ist der obere Teil des ursprünglichen Eingangs erhalten: In einem rechteckigen Feld ein farbig gefasster Spitzbogen mit sich kreuzenden Rippen. Darüber Inschrift mit paragraphzeichenförmigen Worttrennern, wohl Quadrangel mit Zierstrichen; die obere Zeile ist durchlaufend geschrieben, die nachfolgenden bilden links und rechts einen Block. Die Inschrift ist eingeschnitzt und farbig gefasst; sie wurde zuletzt 2006 renoviert. Rechts der Inschrift befinden sich mehrere Rillen, von denen zwei als kapitale L ausgemalt sind, aber nicht zwingend solche sein müssen; möglicherweise ebenso missverstanden sind zwei weitere Zeichen mit Ringen, die kaum als Reste von Glaserzeichen zu werten sind, denn diese müssten prominenter in einem Wappen angebracht gewesen sein, sollten sie auf den Gläsnerbund hinweisen.

Maße: H. 80 (Feld), 330 (Gesamthöhe), B. 220, Bu. ca. 10 cm.

Schriftart(en): Kapitalis mit frühhumanistischen Elementen.

© Akademie der Wissenschaften und der Literatur | Mainz, Fotograf: Christian Feist [1/1]

  1. HANS · A(NNO)a) 1 [5] 3 0b) BEKKER · / ANDIRSc) ·d) / GENANTe) // GVNDELA/CH ·

Kommentar

Buchstaben schlank und hoch. A mit beidseits überstehendem Deckbalken, das A in ANDIRS bewahrt(?) den gebrochenen Mittelbalken; unziales D, epsilonförmiges E, G als eingerollter, offener Bogen, K mit an verschiedenen Stellen ansetzenden Schrägschäften.

Durch ein dendrochronologisches Gutachten ist zweifelsfrei nachgewiesen, dass der für den Balken verwendete Baum 1528 gefällt wurde. Das deutet auf ein Baujahr von 1530 hin.1)

Hans Becker genannt Gundelach (* um 1470, † um 1558)2) gilt als identisch mit Hans Gundelach genannt Becker, der Mitte des 16. Jahrhunderts Bundesmeister des 1537 durch Landgraf Philipp initiierten Gläsnerbundes war.3) Das Gebäude war wohl das Versammlungshaus des Gläsnerbundes, denn Großalmerode war damals das niederhessische Zentrum der Glasmacherzunft.4)

Textkritischer Apparat

  1. AD Zietz.
  2. Befund: 1330. Das ist ein offensichtlicher Renovierungsfehler oder absichtliche Geschichtsfälschung während der NS-Zeit: Weder die Schrift noch, wie schon Bloß 22 Anm. 82 erkannt hat, die arabischen Ziffern passen ins 14. Jahrhundert.
  3. Sic!
  4. Worttrenner gespiegelt zu den übrigen und ohne den unteren Bogen, Renovierungsfehler.
  5. Diese beiden Zeilen sind ebenso wie die rechts des Bogens nicht zeilenweise, sondern im Block zu lesen.

Anmerkungen

  1. „In jedem Fall lässt sich das Fällungsjahr 1528 mit der Inschrift 1530 in Einklang bringen, schließt aber das Jahr 1330 völlig aus.“ (aus dem dendrochronologischen Gutachten des Instituts für Forstbenutzung der Univ. Göttingen von Forstmeister Dr. A. Delorme vom 7. 11. 1974, AD/gw, angefertigt für Architekt Oskar Fleckenstein, Großalmerode; liegt in Kopie vor).
  2. Daten nach „Stammfolge einer Gundelach’s Familie“, die mir Erich Hofsommer, Großalmerode, zur Verfügung stellte.
  3. Der Bundesbrief von 1537 beginnt mit den Worten: „Wyr Hans Gundelach gnant Becker“, vgl. Killing 176.
  4. Bloß 21f.

Nachweise

  1. Zietz 329.

Zitierhinweis:
DI 87, Witzenhausen (Altkreis), Nr. 39 (Edgar Siedschlag, Mitarbeit: Fuchs, Rüdiger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di087mz13k0003900.