Inschriftenkatalog: Stadt Zeitz

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 52: Stadt Zeitz (2001)

Nr. 11 Michaeliskirche 1. Hälfte 14. Jh.

Beschreibung

Glocke. Bronze. Die Glocke steht in der südlichen Portalvorhalle der Kirche auf dem Fußboden. Erhabene Umschrift am Hals zwischen je drei Stegen. Die Krone der sonst gut erhaltenen Glocke ist beschädigt. An der Flanke unter dem Kreuz der Inschrift eine Kreuzigungsgruppe im Relief; unter dem G von SIGNA eine stehende Männerfigur, mit der Rechten auf eine Sonne(?) weisend. Die Glocke befand sich 18971), vielleicht auch 19202) noch im Turm, 1937 jedoch schon in der Portalvorhalle3).

Maße: H. 107 cm; Dm. 125 cm; Bu. 5 cm.

Schriftart(en): Gotische Majuskel.

BBAW Berlin, Inschriftenprojekt (Thomas Kreil) [1/4]

  1. + UAS DEUS HOC SIGNA PLEBS SALVA · SIT AVRA BENIGNAωa)

Übersetzung:

Gott, segne diese Glocke, das Volk möge heil und die Witterung freundlich sein.4)

Versmaß: Hexameter, zweisilbig leoninisch gereimt.

Kommentar

Die Inschrift ist in einer stark ornamental ausgeprägten gotischen Majuskel ausgeführt. Die Buchstaben tragen dünn auslaufende Sporen, die sich selten auch rollen. Das E ist fast geschlossen, das A hat einen überstehenden Deckbalken und einen doppelten, jedoch nur an die linke Haste anschließenden Mittelbalken. Die beiden Balkenenden sind im A durch Sporen abgeschlossen. Die Bögen des B berühren sich nicht. Das unzial gerollte D hat einen oben waagerechten Bogenabschnitt. Das G ist eingerollt, das H ist unzial. Bogen und Cauda des R setzen getrennt untereinander an der Haste an, die Cauda wölbt sich bis zur Berührung zum Bogen hinauf. Auffällig ist der Anfangsbuchstabe U, der spiegelverkehrt ausgeführt ist: an einer geraden linken Haste, die mit einem Sporn endet, setzt rechts der Bogen mit starker Bogenschwellung an, die in einen Zierstrich ausläuft. Glocken mit demselben Glockenspruch und sehr ähnlichen Buchstabenformen befinden sich u. a. in Gatterstedt bei Querfurt und in Radis.5) Nach Schuster tritt der Glockenspruch nur in einem durch die Linie Leipzig–Querfurt–Magdeburg–Dessau–Leipzig zu begrenzenden Gebiet auf.6) Dabei wurden ca. 50 Glocken erfaßt, die diesen oder einen zweiten Spruch tragen und alle in ganz ähnlicher Technik und ebenfalls mit dem kreuzgeschmückten Alpha und Omega ausgeführt sind.7) Diese Glocken werden durch Schuster dem sogenannten Seeburger Meister zugeschrieben.8) Eine in Form, Größe (Dm. 122 cm) und Inschrift nahezu gleich gestaltete Glocke in Wegeleben bei Halberstadt wird von Schilling auf das Ende des 13. Jahrhunderts datiert.9)

Die Glocke soll die Sturmglocke gewesen sein.10) Bei Zader wird sie als Mittelglocke bezeichnet.11) Eine zweite Glocke der Michaeliskirche vgl. Nr. 12.

Textkritischer Apparat

  1. Das A trägt auf seinem Scheitel, das Ω auf seiner Mittelhaste ein Kreuz.

Anmerkungen

  1. Kdm., S. 43.
  2. Braun, Glockengießer, o. S.
  3. Wollesen, Kirche, S. 374.
  4. Für die Übersetzung dieses in der Literatur sehr verschieden interpretierten Glockenspruchs ist F. Rädle, Göttingen, zu danken.
  5. Schuster, Glocken, S. 333; Schönermark, Die Altersbestimmung der Glocken, S. 184, und im dazugehörigen Atlas, Bl. 7, Abb. 14. Eine Aufzählung der betreffenden Glocken in Anhalt bei Schubart, Glocken, S. 56 (hier zu allen Glocken mit A und Ω), S. 60 (alle Glocken mit dem Spruch „Vas deus ...“), S. 77 (zum Vorkommen der Glocken und der Schlußfolgerung, es müsse sich um einen Hallenser Gießer gehandelt haben) und schließlich die Seiten 246–247, 330–331, 403–404, 423 (genaue Beschreibung der vier anhaltinischen Glocken mit dem vorliegenden Spruch).
  6. Schuster, Glocken, S. 334. Schilling, S. 140, kennt eine Glocke mit diesem Spruch in Hohenkirchen bei Schönberg/Mecklenburg.
  7. Schuster, Glocken, S. 334; der andere Spruch lautet: SIT TEMPESTATUM PER ME GENUS OMNE FUGATUM.
  8. Ebd.
  9. Schilling, Abb. 109.
  10. Rothe, AdG, S. 64.
  11. Zader/O II, vor S. 57.

Nachweise

  1. Zader/O II, vor S. 57 ein eingeheftetes Blatt mit der Inschrift.
  2. Zader/O/StdtArZz, Buch 3, fol. 531.
  3. Kdm., S. 44 und 66.
  4. Rothe, AdG, S. 64.
  5. Wollesen, Kirche, S. 374.

Zitierhinweis:
DI 52, Stadt Zeitz, Nr. 11 (Martina Voigt), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di052b007k0001109.