Inschriftenkatalog: Stadt Xanten

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 92: Stadt Xanten (2017)

Nr. 93 Stiftsmuseum 1520

Beschreibung

Kasel aus der sog. Goldkapelle.1) Florentiner Seidendamast mit Granatapfelmuster, Besätze aus Goldbrokat mit Goldbroschierungen, ausgestattet mit reicher Goldlasur- und Reliefstickerei (südliche Niederlande, Brabant, Gent oder Brüssel). Die Stickerei der Kaselstäbe zeigt Szenen aus dem Marienleben. Auf der Vorderseite von unten nach oben: Maria und Hannah, Geburt Christi, Anbetung der Könige. Auf der Rückseite von unten: Verkündigung, Heimsuchung, Anbetung der Hirten in der Kreuzvierung. In der Verkündigungsszene der Engel mit dem englischen Gruß auf einem Spruchband. Die Szenen sind eingebettet in Architektur- und Landschaftsdarstellungen. Das Stifterwappen ist am unteren Rand der Vorderseite auf die Kasel aufgenäht, auf der Rückseite an deren Saum angesetzt. Die Kasel wurde im 17. Jahrhundert beschnitten2) und zeigt Abnutzungserscheinungen. Konservierung durch V. Thorn, Wuppertal, 1955. Nadelrestaurierung durch R. Jaques, Krefeld.3)

Maße: H. 126 cm; B. 80 cm; Bu. ca. 1 cm.

Schriftart(en): Kapitalis mit Elementen der frühhumanistischen Kapitalis.

  1. AVE / [GRACIA]a) / PLENA / DOM(INV)Sb) TECVM4)

Wappen:
Ingenwinkel5)

Kommentar

Der Gruß des Engels an Maria ist in einer zur Herstellungszeit modernen Kapitalisschrift ausgeführt, die einige Elemente der frühhumanistischen Kapitalis aufweist: kapitales A mit beidseitig überstehendem Deckbalken, offenes D und P, M mit schrägen Außenschäften und kurzem Mittelteil, C mit schmalem Bogen.

Die kostbare Goldkapelle wurde nach der Thesaurarierechnung 1520 von dem Xantener Propst und Archidiakon Johannes Ingenwinkel gestiftet.6) Die Verkündigungs- und Heimsuchungsszenen auf dem Rückenstab gehen auf Vorlagen aus der Hand Rogiers van der Weyden zurück. Die Zuweisung der Kasel in die Stickwerkstätten der südlichen Niederlande ist nicht mehr umstritten.

Textkritischer Apparat

  1. Der Text ist nicht ausgeführt, ist aber auf der vom Betrachter abgewandten Seite des geschwungenen Schriftbandes zu denken.
  2. S seitenverkehrt.

Anmerkungen

  1. Inv.-Nr. nach Hölker/Jaques (1925/75): I-1B. Zur Kapelle gehören außerdem ein Chormantel und zwei Dalmatiken.
  2. Clemen, KDM Kreis Moers (1892), S. 138, Nr. 16–19.
  3. Zu den Techniken und Restaurierungen der Goldkapelle siehe die detaillierte Beschreibung bei Jaques/Rotthoff, Paramente (1987), S. 29–33.
  4. Lc 1,28. Da es sich um die Bildinschrift einer biblischen Szene handelt, wird nicht der Beginn des Mariengebets „Ave Maria, gratia plena…“, sondern der Bibeltext („Ave, gratia plena…“) als Vorlage angenommen.
  5. Abb. Kat. Stiftsmuseum Xanten (2010), S. 172; vgl. Grote, Schatz von St. Viktor (1998), S. 136. Auf rotem Grund zwei rechtwinklig gekreuzte Säulen in Silber, der horizontale Säulenschaft begleitet von drei (2, 1) Winkeln in Silber auf rotgrundigem Herzschild.
  6. Siehe die Dokumentation von Jaques/Rotthoff, Paramente (1987), S. 32f. Zum kunstgeschichtlichen Aspekt s. Hilger, Einleitung, in: Jaques/Hilger, Paramente (1979), S. 16; dieser Artikel und die erwähnte Dokumentation von Jaques/Rotthoff sind auch abgedruckt in: Grote, Schatz von St. Viktor (1998), S. 140 und 142. Vgl. auch Schiffler, Inventar (1981), Mp. V 1, Nr. 1. Zur Person des Stifters siehe Nr. 96.

Nachweise

  1. Jaques/Hilger, Paramente (1979), Tf. 18.
  2. Grote, Schatz von St. Viktor (1998), Abb. S. 139f.

Zitierhinweis:
DI 92, Stadt Xanten, Nr. 93 (Paul Ley u. Helga Giersiepen), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di092d009k0009306.