Inschriftenkatalog: Stadt Xanten
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 92: Stadt Xanten (2017)
Nr. 71 Stiftsmuseum 2. H. 15. Jh.
Beschreibung
Bortenbesatz einer Kasel aus weinrotem florentinischem Seidensamt mit Granatapfelmuster (um 1500), die im Barock zur heutigen Bassgeigenform umgestaltet wurde.1) Die heute applizierten Bortenstücke stammen vermutlich aus unterschiedlichen Zusammenhängen. Auf dem vorderseitigen Stab die Darstellung der Trinitas in Form des Gnadenstuhls, z. T. verschlissen, mit unkenntlichem Kreuztitulus. Darunter eine zweizeilige Anrufung, deren zweite Zeile wohl infolge einer Kürzung des Stabes2) weitgehend verloren ist (A). Das unterhalb davon angesetzte Bortenstück lässt einen Wiesengrund mit Füßen und Ritterrüstung sowie einen Teil eines Schildes mit Stiftskreuz erkennen, die, wie die darunter angebrachte Namensbeischrift (B) verrät, zu einer Darstellung des hl. Viktor gehörten. Es folgt die hl. Helena mit einem Modell des Doms zu Xanten und dem Taukreuz auf Wiesengrund. Die Beischrift (C) ist abgeschnitten, aber noch rekonstruierbar, der Titulus des Kreuzes im Arm der Heiligen ist stark verschlissen (D). Auf dem rückwärtigen Kaselkreuz eine Kreuzigungsdarstellung, das Kreuz mit Titulus (E), darüber die Worte, die Christus im Moment seines Todes an seinen Vater richtete (Bibelzitat F); dem Kreuz zur Seite die Leidenswerkzeuge Lanze und Schwamm auf einem Stab, unter dem Kreuz Johannes, der die Mutter des Gekreuzigten stützt, unten Maria Magdalena mit Salbgefäß auf einem Wiesenstück. Inschriften gewebt.
Maße: L. 108 cm; B. 66 cm (Kasel), 14,5 cm (Borte); Bu. 1,2 cm (D), 1,8 cm (E).
Schriftart(en): Gotische Minuskel.
- A
o beata et b(e)n(e)dicta / et [.l.]s[. t....t..]a)3)
- B
sanctus victor
- C
s[anc]t[a] h[e]l[ena]b)
- D
· i · n · r · i ·4)
- E
· i · n · r · i ·4)
- F
pater i(n)c) ma/nus tuas5)
Übersetzung:
(A) O heilige und gebenedeite (und glorreiche Dreifaltigkeit).
(F) Vater, in deine Hände …
Textkritischer Apparat
- Lediglich wenige Oberlängen und obere Buchstabenabschlüsse sind noch sichtbar.
- Der obere Teil der Buchstaben ist erkennbar.
- Kürzungszeichen fehlt, vermutlich abgeschnitten.
Anmerkungen
- Inv.-Nr. nach Hölker/Jaques (1925/75): I-16; vgl. Clemen, KDM Kreis Moers (1892), S. 136, Nr. 9. Fotos: RBA 44489, 53367–53372 (vor 1945).
- Zur Technik siehe Schiffler, Inventar (1981), Mp. V, 1, Nr. 15.
- Beginn einer Antiphon zu Trinitate und Allerheiligen (CAO III [1968], S. 363, Nr. 3992).
- Nach Io 19,19.
- Lc 23,46: „Pater in manus tuas commendo spiritum meum“.
- Bombek/Sporbeck, Kölner Bortenweberei (2012), S. 196–199, Nr. 94f., und S. 206f., Nr. 99.
Nachweise
- Schiffler, Inventar (1981), Mp. V, 1, Nr. 15.
- Heitmeyer-Löns, Inventar Paramente (2008), Bd. 1, Nr. 75/76.
Zitierhinweis:
DI 92, Stadt Xanten, Nr. 71 (Paul Ley u. Helga Giersiepen), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di092d009k0007106.
Kommentar
Inschrift A ist vermutlich zu o beata et b(e)n(e)dicta / et [glo(rio)]s[a trinitas] zu ergänzen, den Beginn einer Antiphon zu Trinitate und Allerheiligen. In der zweiten Zeile ist et ebenso noch erkennbar wie die oberen Schaftenden von l, s und der beiden t des letzten Wortes.
Hinsichtlich der Schriftform sind zwischen den Inschriften auf dem Kaselstab und jenen auf dem Rückenkreuz gewisse Unterschiede festzustellen. In den Inschriften des Kreuzes weist das t eine tief gespaltene Oberlänge auf, die auf dem vorderseitigen Kaselstab nicht vorkommt. Dort endet die kurze Oberlänge des t (im Unterschied zu den Oberlängen von b, h, und l) immer abgeschrägt. Es ist deshalb zu vermuten, dass zumindest die Inschriften der Vorder- und der Rückseite aus unterschiedlichen Zusammenhängen stammen.
Vergleichbare Darstellungen der Kreuzigung mit den seitlich neben dem Kreuz aufgestellten Passionswerkzeugen Lanze und Essigschwamm zeigen mehrere Kaselkreuze aus Kölner Produktion, die um 1470 bzw. ins dritte Viertel des 15. Jahrhunderts datiert werden.6)