Inschriftenkatalog: Stadt Xanten
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 92: Stadt Xanten (2017)
Nr. 39 St. Viktor, Chorkapellen 1435, 1437
Beschreibung
Chorschranken in der inneren nördlichen Chorkapelle (Joch B1), der Evangelienseite (A), und in der inneren südlichen Chorkapelle (Joch B2), der Epistelseite (B). Pfeiler und Gesims aus Holz, Füllung durch schmiedeeiserne Gitter. Auf den hölzernen Gesimskehlen über den eisernen Gittern der Chorschranken ist jeweils eine einzeilige, von außen zu lesende Stifterinschrift mit Fürbitte angebracht. Inschriften in schwarzer Farbe auf ursprünglich hellem Grund gemalt.1) Die Errichtung der Chorschranken erfolgte gleichzeitig mit der Vollendung des gotischen Chors durch die Joche E1–E6 in den Jahren 1434–1437.2)
Siehe Lageplan.
Maße: B. 450 cm; H. 17 cm (oberes Gesims); Bu. 5 cm.
Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versalien.
- A
· Annis c quater · m semel · x ter · iungite septem ·Hoc opus vt munus · donat de fratribus vnus ·Gaudeat absa) pena · lambertus vt hinc ab arena ·
- B
· Est datus iste deo · cancellus pro iubileo ·Pentha · ter x annis · goch · c quater · mq(ue) · iohannis ·Fratris in ecclesia · pax sibi perpetua ·
Übersetzung:
(A) Den Jahren viermal 100, einmal tausend und dreimal zehn fügt sieben hinzu (= 1437), als Lambert van de Sand, einer der Brüder, dieses Werk zum Geschenk macht, damit er sich deshalb straflos freuen kann.
(B) Dieses Gitter ist Gott dargebracht in den Jahren fünf und dreimal zehn, viermal hundert und einmal tausend (= 1435), für das Jubiläum des Johannes von Goch, eines Bruders an dieser Kirche. Ihm werde ewiger Friede zuteil.
Versmaß: Hexameter mit zweisilbigem leoninischem Reim (A). Ein Hexameter und ein elegisches Distichon mit zweisilbigem leoninischem Reim (B).
Textkritischer Apparat
- absque Beissel.
Anmerkungen
- Rein, Gedenktafel (1869), S. 131; Beissel, Bauführung III (1889), S. 107, zitiert eine Rechnungsnotiz von 1552, nach der der Maler Dietrich Scherre aus Duisburg Gitter und Eisentüren im Chor („cancellos et ianuas ferreas in choro“) bemalt hat.
- Übereinstimmend Beissel, Bauführung (1889) I, S. 138f. und III, S. 3f.; Reiners, Dom zu Xanten (1925), S. 9 und 12; Hawicks, Xanten (2007), S. 515.
- Siehe dazu auch Rein, Gedenktafel (1869), S. 130–133.
- Formulierung nach einem heute noch in Xanten geläufigen Namen; „de“ ist in diesem Zusammenhang Artikel. Sand war ehemals ein Kloster bei Straelen (ebd., S. 132, Anm. 6).
- Classen, Archidiakonat (1938), S. 277.
- Ebd., S. 128.
- Ebd., S. 277.
- Weise, Memorien (1937), zum 24. April.
- Beissel, Bauführung III (1889), S. 4.
- Matrikel Köln 1 (1928), 87,10, dort als „magister artium“ und „licenciatus medicinae“. Die akademischen Titel werden in den gesicherten Quellen zu dem Xantener Kanoniker nicht erwähnt; vgl. Classen, Archidiakonat (1938), S. 122.
- Pels II, Deliciae (1734), p. 334.
- Classen, Archidiakonat (1938), S. 121.
Nachweise
- Pels II, Deliciae (1734), p. 87 (mit geringfügigen Abweichungen).
- Aus’m Weerth, Kunstdenkmäler, Bd. 1 (1857), Tf. XIX, 1, S. 43, Anm. 13.
- Rein, Gedenktafel (1869), S. 130–133.
- Beissel, Bauführung III (1889), S. 4f.
Zitierhinweis:
DI 92, Stadt Xanten, Nr. 39 (Paul Ley u. Helga Giersiepen), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di092d009k0003903.
Kommentar
Anfang und Ende der Inschriften sind durch Quadrangel mit ausgezogenen Zierstrichen (A) oder vegetabile Ornamente (B) gekennzeichnet. Große, nicht ausgefüllte Quadrangel mit vegetabilen Verzierungen dienen als Verstrenner, kleine Quadrangel markieren die Zäsuren und die Zahlenangaben. Die Versalien sind aus der gotischen Majuskel entwickelt und durch Zierstriche, Doppelung von Linien und Rankenwerk ornamentiert. Über u steht regelmäßig ein kleiner Kreis als diakritisches Zeichen, die Schäfte von n und m sind in Inschrift B regelmäßig, in A gelegentlich durch zwei parallele, fein ausgeführte Schrägstriche verbunden. Dass die Inschrift A im Unterschied zu B offensichtlich (stärker?) überarbeitet wurde, ist nicht nur an diesem Detail zu erkennen, sondern auch an dem sehr modern wirkenden Trennzeichen nach dem ersten Vers und am insgesamt deutlich besseren Zustand der Schrift.
Die Texte weisen erhebliche Defizite in Wortwahl und Syntax auf3): in A das grammatisch falsch gestellte und einen Namen auseinander reißende ut hinc, in B die unmögliche Satzstellung – „pro iubilaeo fratris Iohannis de (!) goch“ ist eine syntaktische Einheit –, ferner das metrisch unnötig gräzisierende und orthographisch falsche pentha. In Inschrift A dürfte mit de fratribus unus Lambert van de Sand selbst gemeint sein.
Der Kanoniker Lambertus de Arena alias Lambert van de Sand4) war von 1413 bis zu seinem Tod am 27. November 1448 Kanoniker in Xanten5), 1414 Bursar und ist zwischen 1416 und 1439 neunmal als Kellner belegt.6) Im Stift Rees ist er seit 1430 als Kanoniker, ferner als Thesaurar nachgewiesen.7) Mit den fratribus sind im Text die Mitglieder des Xantener Kollegiums gemeint.
Johann von Goch war nach der Kellnereirechnung von Januar 1385 bis zu seinem Tod am 24. April 14528) Kanoniker in Xanten. Bursar war er 1405/6, Fabrikmeister 1435–1441.9) Seine Identität mit dem gleichnamigen, 1410 an der Kölner Universität immatrikulierten Kanoniker von Utrecht ist unsicher.10) Pels erwähnt ihn im Zusammenhang mit der Wahl des Propstes Johannes op den Grave am 15. Januar 1439.11) Sein Bruder Hermann war von 1384 bis 1433 ebenfalls Kanoniker in Xanten und hatte bis zu seinem Tod 1433 das Amt des Ältesten inne.12)