Inschriftenkatalog: Stadt Xanten

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 92: Stadt Xanten (2017)

Nr. 210 St. Viktor, Kreuzgang 1610

Beschreibung

Epitaph für Wolter Voerthuisen1) im Ostflügel des Kreuzgangs, Joch U5/6. Baumberger Sandstein. Hochrechteckige Schrifttafel in Ädikularahmung: seitlich kannelierte Pfeiler, auf dem Fries eine Widmung (A), darüber ein Dreiecksgiebel mit Muschelfüllung. Im geschweiften, mit Voluten und Blattdekor verzierten Unterhang ein Wappen (das Eheallianzwappen der Eltern?). Auf dem zentralen Schriftfeld ein Grabgedicht (B) mit Sterbevermerk und Grabbezeugung. Beide Inschriften sind erhaben herausgehauen. 1945 haben Beschädigungen durch Bombensplitter an einigen Stellen zu Schriftverlusten geführt.

Ergänzungen nach einem Abrieb Cunos.

Siehe Lageplan.

Maße: H. 92,5 cm; B. 48 cm; Bu. 1,7 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

AWK NRW, Arbeitsstelle Inschriften (Foto Sonja Hermann) [1/1]

  1. A

    · D(EO) · O(PTIMO) · M(AXIMO) ·

  2. B

    WOLTER(VS) · HIC · VORTHVSI(VS) /QVIESCIT ASSERTOR GRAVIS /FIDEI · ORTHODOXAE ACa) VNICAE /DV(M) · VIVERET PASTOR · FVIT /SVV(M)Q(VE)b) · MVN(VS) PROTVLIT /ANNOS · IN · OCTOc) ET · TER · DECE(M) /AETATE · F[ESS(VS) ·] ARDVA · /CV(M) · FV(N)CTIO[NE · T]ERMINAT · /VITA(M) PIE D[A(N)S · S]PIRITV(M) · /CVLTOR · F[IDE]LIS · IN · DEI · /DOM[O · VSQ(VE)b) · ET · ] VSQ(VE)b) · PERSTITITd) /SE[PTE(M)BRIS · HVIC · L]VX · ALTERA /VI[TAE · FVIT · NOVIS]SIMA · /CV[M · MILLE SEXCE(N)TO]S SVPER /SE [DECIM(VS)e) A(N)N(VS) VO]LVERET ·

Übersetzung:

(A) Dem besten (und) höchsten Gott.

(B) Hier ruht Wolter Voerthuisen, gewichtiger Verteidiger des rechten und einzigen Glaubens. Zu Lebzeiten war er Pastor und übte sein Amt acht und dreimal zehn Jahre lang aus. Erschöpft durch sein Alter, beendete er mit seiner mühevollen Aufgabe auch sein Leben und gab in frommer Gesinnung seinen Geist auf. Als treuer Arbeiter verharrte er im Hause Gottes immerfort. Der zweite Tag des Septembers war für ihn der letzte Tag seines Lebens, als das zehnte Jahr über tausendsechshundert hinaus umlief.

Versmaß: Akatalektische jambische Dimeter2) (B).

Wappen:
Voerthuisen (?)/unbekannt3)

Kommentar

Die Schrift ist eng gesetzt, in einigen Zeilen sind nahezu keine Wortabstände vorhanden. Die Worttrennung erfolgt durch Quadrangel in der Zeilenmitte, die in der Widmung A und am Ende des Textes paragraphzeichenförmig ausgezogen sind. Mit Ausnahme der zweiten Zeile sind die Versanfänge größer ausgeführt, vereinzelt auch die Anfangsbuchstaben anderer Wörter. Am Wortanfang hat A einen gebrochenen, ansonsten einen geraden Mittelbalken. M ist mit parallelen Außenschäften und kurzem Mittelteil gestaltet, die Cauda des R ist gebogen. Als Kürzung für Q(VE) wird ein eingerolltes Q verwendet, das in den Mittellängenbereich eingepasst ist. Sein Bogen ist im oberen Abschnitt geschlossen, die Cauda nach rechts umgebogen.

Wolter Voerthuisen aus Duisburg4) wurde am 23. Dezember 1593 ins Kapitel des Viktorstifts aufgenommen und erhielt wegen seiner langjährigen Verdienste als Seelsorger eine Präbende.5) Vorthuisen starb im Alter von 84 Jahren.6) Er verfügte testamentarisch, im Kreuzgang beerdigt zu werden,7) und stiftete dafür einen Grabstein8). Das im Epitaph genannte Todesjahr 1610 wird von der Successio bestätigt, während von Dorth und Clemen im letzten Vers SEDECIMVS lesen und so irrtümlich auf das Jahr 1616 kommen.9)

1604 war Voerthuisen Eigentümer der Kurie Kapitel 18, des ersten Hauses der westlich an das Michaelstor angrenzenden Doppelkurie10); in seinem Testament aus demselben Jahr ordnet er die Versteigerung der Kurie an. Als Pleban bewohnte er das Pfarrhaus an der Klever Straße11), das im Frühjahr 1579, um ein angrenzendes Haus erweitert, in die Hände der Familie Voerthuisen gelangt war.12)

Textkritischer Apparat

  1. C hochgestellt.
  2. Q eingerollt, Bogen im oberen Abschnitt geschlossen, Cauda nach rechts umgebogen; ein zusätzliches Kürzungszeichen fehlt.
  3. Zweites O kleiner und unter den Balken des T gestellt.
  4. Beide I kleiner und unter den Balken des T gestellt.
  5. SEDECIMVS von Dorth, Clemen. Über die Trennung von SE und DECIMVS s. die Selbstkorrektur Engelskirchens (Nachlese).

Anmerkungen

  1. Inv.-Nr. nach Hölker (1925): H-33.
  2. Mit Verstoß gegen die Prosodie im letzten Vers.
  3. Gespalten: vorne Schrägbalken, hinten 2 Balken.
  4. Kastner, Urkunden V (2014), Nr. 3559 von 1610 Sept. 7.
  5. Pels II, Deliciae (1734), p. 184; Successio, fol. 46v.
  6. Pels II, Deliciae (1734), p. 285; Successio, fol. 45r, 46v.
  7. Kastner, Urkunden V (2014), Nr. 3559 von 1610 Sept. 7, dem Tag der Testamentseröffnung. Das Testament datiert vom 28. Oktober 1604 und wurde am 20. August 1610 beurkundet.
  8. Pels II, Deliciae (1734), p. 285: „Dedit lapidem sepulturae in ambitu.”
  9. Successio, fol. 45r, 46v; Clemen, KDM Kreis Moers (1892), S. 147, und von Dorth, Notizen (1659–1674), fol. 59v.
  10. Wilkes, Studien (1952), S. 88, heute Michaelsheim.
  11. Nach der Zählung Wilkes’ die Kurie Nr. 20, vor 1945 Klever Str. 1, heute Berufskolleg.
  12. Genaueres bei Wilkes, Studien (1952), S. 98f.

Nachweise

  1. LAV NRW R, HS N III Nr. 2 (von Dorth, Notizen [1659–1674]), fol. 59v.
  2. Archiv der Dombauhütte, Abrieb Cuno (1857/68), Nr. 16698.
  3. Hölker, Inventar (1925), H-33.
  4. Engelskirchen, Inschriften (1937), S. 27, Nr. 12.
  5. Ders., Nachlese (1939), S. 122, Anm. 1.
  6. Bambauer/Kleinholz, Inschriften, Teil 2 (1980), S. 217.

Zitierhinweis:
DI 92, Stadt Xanten, Nr. 210 (Paul Ley u. Helga Giersiepen), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di092d009k0021003.