Inschriftenkatalog: Stadt Xanten

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 92: Stadt Xanten (2017)

Nr. 154 St. Viktor, Lapidarium 1554

Beschreibung

Epitaph des Pfarrers Jakob Backer, bestehend aus einem Bildrelief in architektonischer Rahmung und zwei unten angesetzten Schrifttafeln. Baumberger Sandstein. Das Epitaph war bis 1945 an der Rückfront des Hauses Klever Str. 1 (ehem. Plebanie) zum Domfriedhof hin aufgehängt1) und wurde im Februar 1945 bei der Zerstörung des Hauses zerschlagen. Die Fragmente sind vollzählig im Lapidarium erhalten und warten auf ihre Zusammensetzung.2) Das Mittelrelief ist von profilierten und mit Säulendekor ornamentierten Pilastern gerahmt und zeigt eine Darstellung des Jüngsten Gerichts. Christus thront auf dem Regenbogen, die Füße auf der Weltkugel aufruhend. Seine Rechte ist zum Segen erhoben, die Linke weist ab. Von seinem Haupt geht zur einen Seite eine Lilie als Zeichen der Gnade und Erwählung, zur anderen das Gerichtsschwert aus. Posaunenengel in den oberen Ecken blasen zum Gericht. In der unteren Bildhälfte die Toten, die sich nackt aus ihren Gräbern erheben. Links führt ein Engel die Geretteten in himmlische Gefilde, rechts prügelt ein gehörnter Teufel die Verdammten in die Hölle, die auf dem Sockelfeld dargestellt ist. Der Fries des Gebälks trägt eine exgetische Bildbeischrift in Form eines Bibelzitats (A). Im Unterhang zwischen Volutenkonsolen eine querrechteckige Schrifttafel mit eingezogener unterer Hälfte, an die – vermutlich aus Platzgründen – eine weitere Tafel angefügt wurde. In die beiden Tafeln sind eine Widmung mit Sterbevermerk (B) und ein Trostspruch (C) eingehauen, an einigen Stellen sind fein gravierte Hilfslinien erkennbar.

Maße: H. 194,5 cm; B. 129 cm; Bu. 2,8 cm (A), 2,5 cm (B), 2,2 cm (C).

Schriftart(en): Kapitalis (A, B), humanistische Minuskel mit Elementen humanistischer Kursivschriften (C).

Dombauhütte Xanten [1/6]

  1. A

    ECCE VENIO CITO ET MERCES MEA MECVM EST / REDDERE VNIEVIQ(VE)a) SECVNDVM OPERA SV[A] APO(CALYPSIS) 223)

  2. B

    DEO . OPT(IMO) MAX(IMO) IACOBO BACKER AMSTEL/REDAMO HVIVS ECCLESIAE PASTORI VIGILAN/TISS(IMO)b) QVI CVM CREDITVM SVAE FIDEI GREGEM V(E)R/BOc) ET EXE(M)PLO STVDIOSE PAVISSET TA(N)/DE(M) I(M)MARCESSIBILE(M) AB ILLO PASTORV(M) PRIN/CIREd) PERCEPTVR(VS)e) ETER(NAE)f) GLO/RIAE CORO[N]A[(M)] OBDORMIVIT / IN D(OMI)N[O] 15. IVN(II) ANN(O) 1554.

  3. C

    Expectog) donec veniat i(m)mutatio mea4)

Übersetzung:

(A) Siehe, ich komme bald, und ich bringe mit mir den Lohn, zu vergelten einem jedem nach seinen Werken. Apo(kalypse) 22.

(B) Dem besten (und) höchsten Gott. Für Jakob Backer aus Amsterdam, überaus wachsamer Hirte der hiesigen Kirche, der, nachdem er die seinem Schutz anvertraute Herde in Wort und Vorbild sorgsam geweidet hatte, am 15. Juni des Jahres 1554 im Herrn entschlief, um selbst am Ende die unvergängliche Krone der ewigen Glorie von jenem ersten Hirten zu empfangen.

(C) Ich warte, bis meine Verwandlung kommt.

Kommentar

Die Kapitalis der Inschrift B weist deutliche Übereinstimmungen mit dem Grabstein für Rutger Hagens auf (Nr. 153), die sich sowohl auf die Buchstabenformen (M mit schrägen Außenschäften und kurzem Mittelteil) als auch auf die breiten Proportionen und die Strichführung der Buchstaben beziehen (B mit großen Bögen usw.). Man darf dieselbe Hand für beide Inschriften vermuten. Hingegen dürfte die Inschrift am Gesims von einem anderen Steinmetz stammen: Die Buchstaben sind schmaler (besonders deutlich beim E mit gleich langen Balken) und tragen sorgfältig gestaltete Serifen; die Cauda des R ist senkrecht nach unten geschwungen, V mehrfach leicht nach links geneigt. Qualitativ ist diese Schrift höher einzuordnen als die Kapitalis am Unterhang. Der Befund stützt die Vermutung, dass das Bildrelief mit der Inschrift A unabhängig von den Schrifttafeln hergestellt wurde. Ob das noch zu Backers Lebzeiten geschah, muss offen bleiben. Die für Inschrift C verwendete Mischminuskel beginnt in großzügig proportionierter humanistischer Minuskel und geht, vermutlich aus Platzgründen, nach wenigen Buchstaben in eine schmalere Schrift mit kursiven Elementen über, z. B. am unteren Ende rund umgebogenen Schäften, tropfenförmigem einstöckigem a und v aus zwei nach rechts durchgebogenen Schäften.

Über die Angaben in Inschrift B hinausgehende biographische Daten zum Verstorbenen konnten in den Xantener Quellen nicht nachgewiesen werden.

Textkritischer Apparat

  1. Richtig: VNICVIQVE. Kürzungszeichen in Gestalt einer arabischen 3.
  2. Kürzung durch zwei übereinander gestellte Quadrangel.
  3. GREGEM V(E)RBO korrigiert aus GREGE(M) VERBO. Der deutlich erkennbare Kürzungsstrich über dem zweiten E in GREGEM wurde vermutlich übersehen, das ursprüngliche V zu M umgearbeitet, V über E gehauen und darüber ein Kürzungshaken gesetzt.
  4. Richtig: PRINCIPE.
  5. Kürzung durch us-Haken.
  6. Vor dem ersten E wurde ein Schrägschaft schwach eingehauen, der wohl als linker Schaft eines A zu einer AE-Ligatur gehören sollte. Das A wurde später nicht mehr ausgeführt.
  7. Links neben dem leicht eingerückten Wort ist auf dem Kopf stehend ein R eingeritzt.

Anmerkungen

  1. Engelskirchen, Inschriften (1937), Nr. 52: „In die Wand eines Hauses am alten Domfriedhof eingelassen“. Wilkes, Studien (1952), S. 98 schreibt zur Lage mit Bezug auf die Nr. 20 in seinem Plan: „In dieser Südwestecke der Immunität hielten bis zur Zerstörung Xantens im Jahr 1945 die Grabsteine der Xantener Pfarrer Nikolaus Tzyll († 1519) und Jakob Backer († 1554) noch die Erinnerung an die einstige Plebanie wach.“ Das alte Xanten (1989), zu Tf. 30: „Eingemauertes Epitaph an der Rückseite des Hauses Koch.“ Das Haus Koch war das erste Haus hinter dem Mitteltor (Klever Straße 1) neben dem Haus Bongers. Beide Häuser sind im Februar 1945 durch Luftdruck zusammengestürzt. Siehe auch Foto E. Quedenfeldt, Das alte Xanten (1989), Tf. 30 (Serie IV, Nr. 1515, 1915 publiziert).
  2. Die Inventarnummern 398B, 398C, 398E und 398F tragen Inschriften(-reste).
  3. Apc 22,12.
  4. Iob 14,14; vgl. auch Anspielung auf I Cor 15,51f.

Nachweise

  1. Engelskirchen, Inschriften (1937), S. 41, Nr. 52.
  2. Das alte Xanten (1989), Tf. 30 (1912–15).

Zitierhinweis:
DI 92, Stadt Xanten, Nr. 154 (Paul Ley u. Helga Giersiepen), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di092d009k0015404.