Inschriftenkatalog: Stadt Xanten
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 92: Stadt Xanten (2017)
Nr. 151(†) St. Viktor, Lapidarium 1553
Beschreibung
Epitaph des Gerhard Berendonck.1) Querrechteckige Schrifttafel aus Baumberger Sandstein, ehemals auf dem Domvorplatz an der Vorderseite des Unterbaus der von Berendonck gestifteten Kreuzigungsgruppe (s. Nr. 114) und somit oberhalb seines Grabes angebracht (s. Nr. 150). An Ort und Stelle heute eine Kopie, die 1945 stark beschädigte originale Schrifttafel wird im Lapidarium aufbewahrt. Die rechte Seite ist gänzlich weggebrochen, besonders weit im oberen Bereich. Darüber hinaus haben zahlreiche Einschläge und Abplatzungen zu Textverlust geführt. Eine Widmung mit Sterbevermerk (B) und eine Mahnung an die Überlebenden (C) in einfacher Profilrahmung sind erhaben herausgehauen. Pels überliefert zudem eine mittig darüber angebrachte Widmung an Gott (A). Sie ist bereits auf den ältesten Fotos verloren und dürfte auf der oberen Rahmenleiste gestanden haben.
Inschrift A und Ergänzungen in B und C nach Pels.2)
Maße: H. 52,5 cm; B. 110 cm; Bu. 3 cm.
Schriftart(en): Kapitalis.
- A†
D(EO) O(PTIMO) M(AXIMO)
- B
[G]ERARD[O] BE[R]ENDONC[K] CAN[ON(ICO) SENIO(RI) OMNIUM / SAE]CULORUM MEMORIA DIG[NISSIMO, OMNIBUS / C]HARO, CUI DELECT[A]BILE ING[ENIUM AC PRAECIPUAS / A]N[I]MI [ET] CORPORIS DOTE[S, Q]UIBUS [PER OMNEM / A]ETATEM INTER MORTA[LE]S PO[L]LEB[AT, SOLA / MORS] INVIDIT. ANNO DO[M]I[N]I 1553 [DI]E [15 IULII] / AETATIS 6̣7̣.
- C
[VALETE] SUP[E]RSTITES[, MORTALITATIS NON IMMEMORES.]
Übersetzung:
(A) Dem besten (und) höchsten Gott.
(B) Gerhard Berendonck, dem Seniorkanoniker, für alle Zeiten des Gedenkens wahrhaft würdig, von allen geliebt, dem nur der Tod ein heiteres Naturell und vorzügliche geistige und körperliche Gaben, durch die er sich in seinem ganzen Leben unter den Menschen auszeichnete, neidete. (Er starb) im Jahre des Herrn 1553, am 15. Juli, im Alter von 67 (Jahren).
(C) Lebt wohl, ihr Überlebenden, seid eurer Sterblichkeit wohl eingedenk.
Anmerkungen
- Inv.-Nr. nach Hölker (1925): H-12.
- Vgl. auch Beissel, Bauführung III (1889), S. 52.
- Ex reliquiis venerandae antiquitatis Lucii Cuspidii testamentum. Item, Contractus venditionis antiquis Romanorum temporum initus, ed. F. Rabelais (Lyon: Gryphius [1532]), ohne Paginierung; Ex reliquiis venerandae antiquitatis Lucii Cuspidii Testamentum; ad haec contractus venditionum antiquis Romanorum temporum initus, ed. Hen. Glareanus (Freiburg: Johannes Emmeus [1533]), Digitalisat: http://resolver.staatsbibliothek-berlin.de/SBB00015F1300000000 (Zugriff: 7.11.2016).
- Johann Heinrich von Falkenstein, Antiqvitates Nordgavienses oder Nordgauische Alterthümer und Merckwürdigkeiten 2, Frankfurt/Leipzig 1783, S. 272.
- Pels II, Deliciae (1734), p. 212; Successio, fol. 63v–64r.
- Classen, Archidiakonat (1938), S. 142 mit weiteren Quellenangaben.
- Beissel, Bauführung III (1889), S. 49–57; Pels II, Deliciae (1734), p. 296.
- Wilkes, Studien (1952), S. 88.
Nachweise
- Pels II, Deliciae (1734), p. 60a.
- Beissel, Bauführung III (1889), S. 52.
- Hölker, Inventar (1925), H-12.
- Kat. Xanten, Februar 1945 (1995), Tf. 129, S. 179 (Foto 1947).
Zitierhinweis:
DI 92, Stadt Xanten, Nr. 151(†) (Paul Ley u. Helga Giersiepen), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di092d009k0015107.
Kommentar
Die Kapitalis ist sorgfältig und gleichmäßig gearbeitet. Einige Wortanfänge, etwa die Anfangsbuchstaben des Namens, sind durch Größe hervorgehoben. Die technische Ausführung der Inschriften bedingt eine eher breite Strichführung, die Balken- und Schaftenden sind mit Serifen versehen. M mit schrägen Außenschäften und kurzem Mittelteil, A mit gebrochenem Mittelbalken und E mit gleich langen Balken fügen sich in den Xantener Schriftbestand der Mitte des 16. Jahrhunderts ein, während die Verwendung von U (statt V) hier eher als ungewöhnlich zu werten ist.
Der Mahnspruch C ist in einem fiktiven antiken Testament überliefert, das in humanistischem Umfeld formuliert und 1532 erstmals gedruckt wurde.3) Leicht abgewandelt hat der Text auch auf einem Epitaph von 1658 in Salzburg Verwendung gefunden.4)
Gerhard Berendonck war ein Bruder des Kanonikers Heinrich Berendonck und erhielt an dessen Todestag, dem 8. April 1505, Präbende und Ferculum.5) Classen führt ihn seit 1510 als Kanoniker, zwischen 1511 und 1537 immer wieder als Kellner und Bursar und 1515–1518 als Präsenzmeister.6) Die Kreuzigungsgruppe, an der die Schrifttafel angebracht war, war eines der fünf Stationsbilder vor dem Südportal des Xantener Domes, die von Berendonck gestiftet wurden und zwischen 1525 und 1536 entstanden.7) Gerhard Berendonck war nach den Präsenzrechnungen ab 1513 Inhaber der Kurie Kapitel 18, des ersten Hauses der westlich an das Michaelstor angrenzenden Doppelkurie, heute Michaelsheim.8) Der 15. Juli 1553 wird als Todesdatum in der Successio bestätigt („nach dem Frühstück um die 4. Stunde“), während von Dorth – vermutlich irrtümlich – den 13. Juli überliefert (siehe Nr. 150).