Inschriftenkatalog: Stadt Xanten

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 92: Stadt Xanten (2017)

Nr. 129 St. Viktor, Kreuzgang 1546

Beschreibung

Epitaph für Martin Steenhoff1) (Steynhoff) von Plattenberg im Ostflügel des Kreuzgangs, Joch U6. Baumberger Sandstein. Im Zentrum zeigt ein Relief Maria als Himmelskönigin mit dem Kind auf dem Schoß. Über ihrem Haupt halten zwei Engel eine Krone, darüber schwebt der Heilige Geist in Gestalt der Taube. Zu beiden Seiten der Himmelskönigin und ihr zugewandt stehen die Stadtpatrone Xantens, der hl. Viktor als Ritter in mittelalterlicher Rüstung mit Schild und Fahne und die hl. Helena in vornehmer zeitgenössischer Kleidung mit dem Kreuz im Arm. Viktor zu Füßen kniet der verstorbene Stiftsherr als Adorant, er wird der Gottesmutter vom Stiftspatron empfohlen. Den Rahmen des Epitaphs bilden zwei mit Blattwerk verzierte Halbsäulen, die einen über den Säulenkapitellen zu Voluten eingerollten Rundbogen tragen. Auf den Voluten sitzen Putten als Wappenhalter (rechts verloren). Am profilierten Sockelgesims eine konkav geformte Kartusche, deren profilierter Rahmen mit Blattornament und Maskarons verziert ist. Sie trägt einen vierzeiligen, erhaben herausgehauenen Sterbevermerk mit einem Trostspruch. Reste einer Farbfassung.2) Das Relief ist in relativ gutem Zustand; der Kopf des Christuskindes ist allerdings schon vor dem Zweiten Weltkrieg verlorengegangen, 1945 sind Abstoßungen an der Helenafigur und dem Putto darüber hinzugekommen.3)

Siehe Lageplan.

Maße: H. 105 cm; B. 85 cm; Bu. 1,5–1,7 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

AWK NRW, Arbeitsstelle Inschriften (Foto Kristine Weber) [1/2]

  1. OCCVBVIT SVBITO STEENHOFF / MARTINVS · APRILIS ·a)IN DE/NA QVINTA · SVPFRESTb) / SIBI CELICA VITA ·c)

Übersetzung:

Plötzlich verstarb Martin Steenhoff am 15. April. Es bleibt ihm das himmlische Leben.

Versmaß: Hexameter.

Wappen:
[unkenntlich], [unkenntlich]

Kommentar

Einige Wortanfänge sind vergrößert, ohne dass sich eine Regel erkennen ließe. Auch die aus einer oder zwei übereinander gestellten Quadrangeln gebildeten Trennzeichen zwischen den Wörtern sind nicht konsequent ausgeführt. Sie befinden sich mit einer Ausnahme am Versende bzw. bei der Zäsur, so dass vielleicht nicht Wort-, sondern Verstrenner beabsichtigt waren. A hat einen breiten, mal einseitig, mal beidseitig überstehenden Deckbalken, der Mittelbalken ist meist gerade, tritt aber auch gebrochen auf. M hat schräge Außenschäfte und einen sehr kurzen Mittelteil, die Balken des E sind annähernd gleich lang, der Balken des H ist ausgebuchtet. Die erwähnten Schriftmerkmale zeigen Übereinstimmungen mit den Epitaphien für Georg Hezeler (Nr. 130) sowie für Balthasar (Nr. 136) und Friedrich Vulturius (Nr. 146).4)

Das Bildrelief wird Arndt van Tricht zugeschrieben und gilt unter den Epitaphien im Kreuzgang der St. Viktorkirche als das bedeutendste Beispiel für die Umsetzung antiker Vorbilder in der Renaissance.5) Gegenüber den Epitaphien, die dieser Meister und seine Epigonen6) in den 1550er Jahren geschaffen haben, tritt der architektonische Rahmen in seiner Bedeutung gegenüber dem Figurenensemble zurück. Die Figuren lösen sich stärker vom Hintergrund und gewinnen an Volumen. Das Epitaph beeindruckt durch seine virtuose Verbindung aller gestalterischen Elemente zu einem harmonischen Werk von gelassener Ruhe.

Martin Steenhoff von Plattenberg wurde am 31. Oktober 1514 ins Kapitel aufgenommen.7) Den Präsenzrechnungen zufolge war er 1513–1545 Inhaber der Kurie Kapitel 6.8) Pels und die Successio berichten, dass Martin Steenhoff ein Bruder des Johannes Steenhoff war, der 1514 auf seine Priesterpräbende zugunsten seines Neffen (sic!) Martin Steenhoff verzichtete und Kartäuser auf der Insel Regina Coeli bzw. Op den Graeff bei Wesel wurde.9) Beide Quellen bestätigen das auf dem Epitaph angegebene Todesdatum, den 15. April 1546.10) Nach Pels, der Martin Steenhoffs Klugheit und Gerechtigkeitsliebe lobt, ließ dieser sein Epitaph und seine Grabplatte selbst herstellen.11)

Textkritischer Apparat

  1. Zwei übereinander gestellte Quadrangel.
  2. Richtig: SVPEREST.
  3. Dahinter zwei übereinander gestellte Quadrangel und ein Rankenornament.

Anmerkungen

  1. Inv.-Nr. nach Hölker (1925): H-34.
  2. Bader, Vermischtes (1964), S. 356.
  3. Zum Zustand vor 1945 s. RBA 25175.
  4. Vgl. dazu die Einleitung, Kap. 5.4.
  5. Karrenbrock/Kempkens, St. Viktor (2002), S. 69.
  6. Vgl. die Epitaphien Ludgeri (Nr. 147), van Viersen (Nr. 156), Ruter (Nr. 158) und Ingenwinkel (Nr. 163).
  7. Classen, Archidiakonat (1938), S. 142.
  8. Wilkes, Studien (1952), S. 38.
  9. Pels II, Deliciae (1734), p. 290; Successio, fol. 53v–54v. Beide bezeichnen also Martin Steenhoff irrtümlich als Bruder und Neffen des Johannes. Auffällig ist eine Korrektur bei Pels, wo „Fr“ mit „Nepotem“ überschrieben ist.
  10. Pels II, Deliciae (1734), p. 197; Successio, fol. 53v–54r; vgl. Classen, Archidiakonat (1938), S. 142 mit Verweis auf die Thesaurierechnung.
  11. Pels II, Deliciae (1734), p. 127; so auch die Successio, fol. 53v–54r.

Nachweise

  1. Clemen, KDM Kreis Moers (1892), S. 147, Nr. 13.
  2. Hölker, Inventar (1925), H-34.
  3. Engelskirchen, Inschriften (1937), S. 27, Nr. 13.
  4. Schirmer, Plastik (1991), S. 235.

Zitierhinweis:
DI 92, Stadt Xanten, Nr. 129 (Paul Ley u. Helga Giersiepen), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di092d009k0012902.