Inschriftenkatalog: Stadt Xanten

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 92: Stadt Xanten (2017)

Nr. 125 St. Viktor, südliches Seitenschiff 1543

Beschreibung

Grabplatte des Dechanten Arnold Goldwert,1) in Höhe des Marienaltares in die Wand des südlichen Seitenschiffs eingelassen. Die Platte lag ursprünglich „als man vom Markt die grosse Tür hineingeht, im ersten Gang, versus dextram“.2) Blaustein. Das Mittelfeld wird von einer Ädikula mit eingezogenem Muschelgiebel in Anspruch genommen. Im Muschelgiebel ein Totenkopf mit Knochen, in den Zwickeln Grotesken. In die Ädikula ist ein Rundbogen eingestellt, die Zwickel sind durch geflügelte Engelsköpfe ausgefüllt. Der Bogen rahmt das Wappen des Verstorbenen unter dem Hut eines Apostolischen Protonotars mit beiderseits sechs Quasten. Auf dem Hut stehend hält ein Putto ein dreipassförmiges Ornament in die Höhe, das einen Kelch mit Hostie rahmt. Unter dem Wappen eine geschweifte Rollwerkkartusche mit einem Setzungsvermerk der Testamentsvollstrecker. Am Rand läuft ein erhaben im eingetieften Feld gearbeiteter Widmungs- und Sterbevermerk um, der durch gezackte Vierpässe in den Ecken unterbrochen wird. Die Vierpässe umrahmen die Evangelistensymbole mit leeren Schriftbändern und sind im Uhrzeigersinn, rechts oben beginnend, zu lesen. Die Platte ist wenig abgetreten und in einem recht guten Zustand.

Siehe Lageplan.

Maße: H. 282 cm; B. 145 cm; Bu. 6,5 cm (umlaufend), 8,5 cm (Kartusche).

Schriftart(en): Kapitalis.

AWK NRW, Arbeitsstelle Inschriften (Foto Kristine Weber) [1/1]

  1. D(EO) · O(PTIMO) · M(AXIMO) · ARN(OLDO) / GOLTWERT · DECANO · PRVDENTIA · SINGVLARI · AC · VITE · INTEGRITATEa) / CONSPICVO · I(N)b) · PAVPE/RES · ET · MISERO[S ·] BENEFICENTISS(IMO) · VIX(IT) · AN(NOS) · LXXVII · OBIIT · II · FEBR(VARII) · AN(NO) · 1543 //EXEC(VTORES) TEST(AMENTI) · P(ONI) · C(VRAVERVNT)

Übersetzung:

Dem besten (und) höchsten Gott. Für Dechant Arnold Goldwert, angesehen wegen seiner einzigartigen Klugheit und tadellosen Lebensführung, überaus freigiebig gegenüber den Armen und Elenden. Er lebte 77 Jahre (und) starb am 2. Februar im Jahre 1543.3) Die Testamentsvollstrecker ließen (diese Grabplatte) aufstellen.

Wappen:
Stift St. Viktor/Goldwert4)

Kommentar

Grammatikalisch kann der gesamte Text als ein Satz verstanden werden, der den eigentlichen Sterbevermerk als Relativsatz ohne Relativpronomen einschließt. Die Disposition des Setzungsvermerks auf einer separaten Kartusche im Mittelfeld hebt diesen allerdings besonders hervor.

Die am Anfang großzügig angeordnete Schrift des Sterbevermerks wird gegen Ende der Umschrift aus Platzgründen zunehmend gedrängter. M mit schrägen Außenschäften und kurzem Mittelteil, E mit gleich langen Balken und B mit annähernd gleich großen Bögen setzen die Schrift in eine Reihe mit der anderer Xantener Inschriften der 1540er und frühen 1550er Jahre, etwa auf den Epitaphien des Martin Steenhoff (1546, Nr. 129), des Balthasar Vulturius (1549, Nr. 136) und seines Bruders Friedrich Vulturius (1552, Nr. 146).5) Diese Epitaphinschriften zeigen allerdings weder spitzovales O noch kapitales A ohne Deckbalken, wie es auf der Grabplatte vorkommt. Als Worttrenner werden Quadrangel verwendet. Besonders deutlich sind die Übereinstimmungen mit der Grabplatte für Wolfgang van Duven (1552, Nr. 148) in Aufbau, Ikonographie, Ornamentierung, technischer Ausführung und Schrift. Offensichtlich entstanden beide Platten in derselben Werkstatt.

Arnold Goldwert wurde 1466 in Schermbeck geboren.6) 1497 bezeichnet ihn eine Stiftsurkunde als Kleriker der Diözese Köln und öffentlich kaiserlichen Notar sowie Notar an der Kurie von Xanten.7) 1503/4 wurde er von Papst Julius II. für die Pfarrkirche in Weerd, Diözese Lüttich, providiert. Zu diesem Zeitpunkt ist er Familiar des päpstlichen Skriptors und Familiaren (Kardinal) Wilhelm von Enckenvoirt.8) Das Jahr 1504 sieht ihn zu Rom als kaiserlichen und apostolischen Notar und Schreiber im Gefolge des Johannes Ingenwinkel.9) Unter Clemens VII. wird er 1526 als Skriptor am Archiv der päpstlichen Kurie geführt.10) Papst Julius II. setzte sich mit einer Provision für die St. Sebastianuskapelle in Wachtendonk weiter für ihn ein, in deren Besitz Goldwert aber nicht gelangte.11) 1506 wurde ihm in Rom eine Kanonikatspräbende in Xanten zuerkannt, für die er bereits von Papst Julius II. providiert worden war.12) 1513 war er Prokurator des Xantener Kapitels,13) 1517 Prokurator des Propstes Johannes Ingenwinkel.14) Am 18. Februar 1521 wurde er auf Grund päpstlicher Provision vom Kapitel zum Dechanten gewählt.15) Bei Pels wird seine Frömmigkeit und, wie in der Grabinschrift, seine Freigiebigkeit gegenüber Armen und Bedürftigen gerühmt.16) Ein Gemälde von Bartholomäus Bruyn aus der Sammlung der Fürsten zu Salm auf der Wasserburg Anholt zeigt den Kanoniker zu Füßen des hl. Viktor kniend (siehe Nr. 110).17) Zur Umgestaltung des Hochaltars während seiner Amtszeit siehe Nr. 111.

Nach den Präsenzrechnungen war Arnold Goldwert ab 1521 Besitzer der sog. Kaboyse,18) einer Doppelkurie an der Westseite des Friedhofes bei der Bischofsburg, die unmittelbar an das Pfarrhaus, die Plebanie, angrenzte. 1521 hatte Aegidius de Platea das Haus für den Dechanten erworben.

Textkritischer Apparat

  1. Endsilbe hochgestellt.
  2. Kürzungszeichen fehlt.

Anmerkungen

  1. Inv.-Nr. nach Hölker (1925): H-70.
  2. Von Dorth, Notizen (1659–1674), fol. 34r.
  3. Das auf der Platte angegebene Todesdatum wird bei Pels (II, Deliciae [1734], p. 121, 181, 351) und der Successio (fol. 4v) bestätigt.
  4. Stiftswappen, belegt mit Herzschild Goldwert (Wellenschrägbalken, beiderseits begleitet von je einem Dreizack).
  5. Vgl. dazu die Einleitung, Kap. 5.4.
  6. Heute Kreis Wesel. Pels II, Deliciae (1734), p. 263, 351.
  7. Kastner, Urkunden III (2007), Nr. 2381 von 1497 Juli 21.
  8. Ebd., Nr. 2450 (Rom) zwischen 1503 Nov. 26 und 1504 März 24.
  9. Ebd., Nr. 2451 von 1504 Jan. 24.
  10. Ebd., Nr. 2697 (Rom) von 1526 März 23.
  11. Ebd., Nr. 2476 (Julius II., Rom) von 1506 März 13, Nr. 2527–2527,2 (Leo X., Rom) von 1513 März 19 und danach.
  12. Ebd., Nr. 2477 von 1506 Mai 2.
  13. Ebd., Nr. 2529 (Rom) von 1513 Mai 13.
  14. Ebd., Nr. 2573 (Rom) von 1517 Feb. 11.
  15. Ebd., Nr. 2625 (Rom) von 1520 Dez. 21; Pels II, Deliciae (1734), p. 304, 351; Successio, fol. 5r; Classen, Archidiakonat (1938), S. 99 mit Verweis auf die o. a. Akte. Doch war er so krank, dass er nicht einmal die Messe besuchen konnte (Classen, Archidiakonat [1938], S. 99, mit Verweis auf Stift Xanten B 27, fol. 237, Angabe von 1583).
  16. Pels II, Deliciae (1734), p. 263; vgl. auch die Successio, fol. 5r.
  17. Abb. bei Rose/Schalles, Stift Xanten (1986), S. 15; Grote, Schatz von St. Viktor (1998), S. 16.
  18. Kapitel Nr. 21/22 nach Wilkes, Studien (1952), S. 105, vor 1945 Klever Str. 5, heute Berufskolleg.

Nachweise

  1. LAV NRW R, HS N III Nr. 2 (von Dorth, Notizen [1659–1674]), fol. 34r.
  2. Hölker, Inventar (1925), H-70.
  3. Engelskirchen, Nachlese (1939), S. 124, Nr. 4.
  4. Bambauer/Kleinholz, Inschriften, Teil 2 (1980), S. 200.

Zitierhinweis:
DI 92, Stadt Xanten, Nr. 125 (Paul Ley u. Helga Giersiepen), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di092d009k0012509.