Inschriftenkatalog: Stadt Xanten

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 92: Stadt Xanten (2017)

Nr. 113 St. Viktor, Mittelschiff 1535

Beschreibung

Glasmalerei im Couronnement und in acht Scheiben des Fensters im nördlichen Obergaden des Mittelschiffs, Joch H1 (sog. Bischofs- oder Platea-Fenster). In den beiden mittleren der vier Bahnen über eine Höhe von vier Zeilen Scheiben mit Standbildern der heiligen Bischöfe Martin und Willibrord unter Bogenarchitektur. Beide Bischöfe sind nimbiert dargestellt, in vollem Ornat mit reich besetztem Chormantel, Mitra und Bischofsstab, der hl. Martin en face, der hl. Willibrord mit leichter Rechtswendung. Mit der Rechten lässt der hl. Martin eine Münze in die Schale des Bettlers fallen, der hl. Willibrord hält in der Linken ein Buch. Die Namensbeischriften der Heiligen befinden sich auf der Bordüre der Damastteppiche, die hinter den Bischöfen gespannt sind (A–B). Zu Füßen der beiden Bischöfe knien die beiden betenden Stifter, der eine mit rotem Schulterkragen, der andere weiß gekleidet, auf dem Unterarm die Almucia. Am unteren Bildrand ein Schriftband mit einer Stifterinschrift (C).1) Im Couronnement Heiligendarstellungen (von links nach rechts: Katharina, Petrus, Muttergottes, Veronika mit der Vera Icon, Viktor, Paulus, Barbara), dazu Sonne, Mond und ein Stern; im Bogenscheitel eine Strahlensonne mit abgekürztem Nomen sacrum (D), gerahmt von adorierenden und Wappen tragenden Engeln. Vereinzelte unwesentliche Ergänzungen. 1892 war das Glasgemälde mit den heiligen Bischöfen im oberen Teil des ersten Fensters auf der Nordseite des Chorpolygons eingebaut.2) 1898 wurde es von W. Derix restauriert3) und an die heutige Stelle versetzt, eine erneute Restaurierung erfolgte 2017. Die Glasmalereien im Couronnement gehören dem ursprünglichen Bestand an und befanden sich zu diesem Zeitpunkt in situ.4)

Siehe Lageplan.

Maße: H. 650 cm; B. 78 cm (Bahn), 363 cm (Gesamtfenster); Bu. ca. 7 cm (C)5).

Schriftart(en): Kapitalis mit Elementen der frühhumanistischen Kapitalis (A, B); gotische Minuskel mit Versalien (C, D).

  1. A

    S(ANCTVS)a) MAR//TY//N[VS]b)

  2. B

    WILBR//[OR]DVSc)

  3. C

    Egidius · Et Arnoldus · D[e] // Platea · [.]aụt[…]d) Canonic(us)e) 1535f)

  4. D

    Ihs6)

Wappen:
Platea7)

Kommentar

Die Namensbeischriften sind in einer dekorativen Schrift ausgeführt, die Formen der frühhumanistischen Kapitalis übernimmt. Haar- und Schattenstriche wechseln ab (bei M, N). I und der dünne Schrägbalken des retrograden N tragen Nodi. Die Schäfte bei A, B, D, R und V sind leicht gebogen. Das schmale A hat einen nach links überstehenden Deckbalken, dessen freies Ende eingerollt ist. Das Y wird durch einen senkrechten und einen rechtsschrägen Schaft gebildet, die sich am unteren Ende berühren. Durch Zierstriche und gespaltene Oberlängen ist auch die gotische Minuskel dekorativ gestaltet. Das a ist kastenförmig und unten offen. Die Versalien sind durch teilweise Brechung und Neuzusammensetzung der Buchstaben oder durch Zierbögen hervorgehoben.

Mit Aegidius de Platea dürfte der ältere Xantener Kanoniker dieses Namens gemeint sein, ein Onkel des zweiten Stifters Arnold und Großonkel des jüngeren Aegidius, der Arnolds Sohn war (siehe Nr. 123). Aegidius I war zwar bereits 1528 verstorben, doch könnte die Stiftung auf einer testamentarischen Verfügung beruhen; jedenfalls wird Aegidius II erst dreißig Jahre später als Kanoniker geführt und kommt deshalb wohl nicht als Stifter des Glasfensters in Frage.

Textkritischer Apparat

  1. Kein Kürzungszeichen.
  2. Nur der obere Ansatz vom linken Schrägschaft des V ist noch zu erkennen.
  3. S(anctus) ist hier nicht ausgeführt, aber wohl hinter der Krümme des Bischofsstabes zu denken. O wurde nicht ausgeführt, sondern scheint hinter dem Kopf des Heiligen verborgen zu sein; vom zweiten R ist nur der kurze Schrägschaft zu sehen.
  4. Vor dem a sind zwei kurze Schäfte, hinter dem t vier kurze Schäfte sichtbar, eine sinnvolle Lesung ist nicht möglich. Die Stelle ist verderbt, möglicherweise liegt ein Fehler des Glasmalers oder ein Restaurierungsfehler vor. Richtig vielleicht: san(c)ten(sis). Allerdings steht dieses Adjektiv meist hinter dem zugehörigen Substantiv (canonicus sanctensis). vantini Oidtmann; nautin Clemen.
  5. Sic! Kürzung durch us-Häkchen. Richtig: canonici.
  6. Jahreszahl vermutlich erneuert.

Anmerkungen

  1. Weitere Details der Beschreibung bei Oidtmann, Glasmalereien, Bd. 2 (1929), S. 372.
  2. Clemen, KDM Kreis Moers (1892), S. 123. Die untere Hälfte des Fensters bestand aus heterogenen Resten von Glasmalereien des 16. Jh. nebst der Einrahmung einer Votivtafel von 1715. Clemen spricht an dieser Stelle von den Figuren eines portarius und eines canonicus mit Spruchbändern. Es handelte sich hierbei wohl um die Prophetendarstellungen und ein Segment der Stifterinschrift aus den sog. Passionsfenstern (vgl. Nr. 112).
  3. Siehe Derix, Restaurierung (1964), S. 234, Anm. 8. In der Anmerkung werden neben den heiligen Bischöfen auch Wappen erwähnt. Auf der Zeichnung von C. Cuno, angefertigt zwischen 1864 und 1868 (abgebildet in: Schmenk, Xanten im 19. Jahrhundert [2008], Abb. 9), ist jeweils ein Fach in den äußeren Fensterbahnen ausgespart, sodass denkbar ist, dass sich an dieser Stelle ursprünglich die genannten Wappendarstellungen befanden. Der Verbleib dieser Glasmalereien ist unbekannt.
  4. Vgl. die in Anm. 3 erwähnte Zeichnung von Cuno. Die Glasmalereien des Couronnements wurden durch den Xantener Maler Hubert Tinnefeld zwischen 1865 und 1868 gereinigt und ergänzt. Heckes, Restaurations-Bau (1989), S. 131.
  5. Die übrigen Schriftmaße konnten nicht genommen werden.
  6. Zu den möglichen Auflösungen s. Kap. 1 der Einleitung.
  7. Im gelben Feld ein schwarzer Löwe mit Mühleisen (niederländische Form).

Nachweise

  1. Clemen, KDM Kreis Moers (1892), S. 123.
  2. Oidtmann, Glasmalereien, Bd. 2 (1929), S. 372 und Abb. 547f.
  3. Schmenk, Xanten im 19. Jahrhundert (2008), Abb. 9.

Zitierhinweis:
DI 92, Stadt Xanten, Nr. 113 (Paul Ley u. Helga Giersiepen), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di092d009k0011303.