Inschriftenkatalog: Stadt Xanten

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 92: Stadt Xanten (2017)

Nr. 100 St. Viktor, Mittelschiff um 1515–1525

Beschreibung

Glasgemälde. Vierbahniges Maßwerkfenster im südlichen Obergaden des Mittelschiffs, Joch H11). In den zwei mittleren Bahnen (obere drei Fächer) eine Darstellung der Stiftspatrone Viktor und Helena in Arkadennischen, hinterfangen von blauen Damastteppichen: der hl. Viktor in goldener Rüstung, mit Barett und hermelingefüttertem Umhang, in der Linken eine Lanzenfahne, in der Rechten einen Schild, beide mit Stiftskreuz versehen; die hl. Helena im Purpurgewand mit Bügelkrone und Kreuz (mit Titulus A). In den beiden äußeren Bahnen unterhalb der Heiligenfiguren ist das an Betstühlen kniende, einander zugewandte Stifterpaar in höfischer Kleidung dargestellt: der Stifter auf der Seite des hl. Viktor, die Stifterin bei der hl. Helena. Zwischen ihnen in den beiden mittleren Feldern ihre Vollwappen, darunter die Namen der Stifter und Wappenführer in Niederländisch auf geschwungenen Schriftbändern (B, C). Die Wappen wiederholen sich im Maßwerk des Couronnements, dessen kleine Scheiben halbfigurige Darstellungen Mariens mit dem Kinde und der Heiligen Drei Könige sowie zwei musizierende Engel und drei Strahlensonnen zeigen.2) Die Figuren im Couronnement tragen mit Ausnahme der Muttergottes und des Kindes ebenfalls zeitgenössische Tracht. In den freien Feldern ist rautiertes Glas mit Bordüren eingesetzt.

Siehe Lageplan.

Maße: H. 650 cm; B. 350 cm; Bu. ca. 1,5 cm (A), ca. 5,5 cm (B und C).

Schriftart(en): Kapitalis? (A), gotische Minuskel mit Versalien (B, C).

Dombauhütte Xanten [1/2]

  1. A

    INRIa)3)

  2. B

    Goedertb) · va(n) · Be(m)melc) h z · d vd)

  3. C

    lysebet va(n) Cleue sin huysf(rou)

Wappen:
Bemmel4), Kleve-Mark (mit Bastardfaden)

Kommentar

Die Schrift auf dem Kreuzbalken ist nicht sicher zu beurteilen, da eine Bleirute den rechten Buchstabenbestandteil des N weitgehend überdeckt. Der Buchstabe könnte retrograd ausgeführt sein. Allerdings müsste der rechte Schaft am oberen Ende einen sehr ausgeprägten Sporn tragen. Nicht auszuschließen, aber zeituntypisch und somit gegebenenfalls vielleicht Ergebnis einer Überarbeitung, ist die Ausführung als rundes N. Die Cauda des R ist unter die Zeile verlängert. Besser erkennbar sind die Stifterinschriften. Das Mittelband der gotischen Minuskel ist durch feine Linien vorgezeichnet. Die Buchstaben selbst sind schraffiert. Mit tief gespaltenen Oberlängen, großzügigen Zierbögen und -schleifen macht die Minuskel einen schwungvollen Eindruck. Das a ist in Kastenform mit Schrägbalken ausgeführt, z ist zweistöckig, y und i tragen Punkte. Als Worttrenner dienen in Kontur ausgeführte Quadrangel. Die Versalien sind durch Brechungen aufgelöst und neu zusammengesetzt.

Die in kleineren, hochgestellten Buchstaben an den Namen des männlichen Stifters angefügte Buchstabenreihe h z d v kann nicht sicher aufgelöst werden, es könnte sich um die Anfangsbuchstaben einer Amts- oder Titelbezeichnung handeln. Goedert van Bemmel, der einem Xantener Patriziergeschlecht entstammte,5) war vom klevischen Herzog mit Gericht und Herrlichkeit Veen6) belehnt worden, so dass bei der Buchstabenfolge vielleicht an eine Auflösung zu her zo dem Venne o. ä. zu denken ist.7) Da er 1518 auf dieses Lehen verzichtete,8) hieße das allerdings, dass die Fensterstiftung bereits spätestens in diesem Jahr erfolgt sein müsste. Goedert van Bemmel verstarb zwischen Dezember 1518 und dem 21. Februar 1525, dem Tag, an dem seine Ehefrau Elisabeth von Kleve, eine uneheliche Tochter Herzog Johanns II. von Kleve (1458–1521), im herzoglichen Lehnregister als seine Witwe bezeichnet wird.9) Daraus ergibt sich ein Terminus ante quem, der in Verbindung mit kunsthistorischen Einschätzungen10) den vermutlichen Entstehungszeitraum des Fensters etwa auf die Jahre zwischen 1515 und 1525 eingrenzt.

Für die Tochter des Ehepaars, Gotfrida van Bemmel, die zweite Ehefrau des klevischen Kanzlers Olislager, wurde nach dem Tod ein Epitaph im Kreuzgang des Xantener Domes angefertigt; dieses Epitaph wurde 1945 zerschlagen, seine Fragmente befinden sich im Lapidarium (siehe Nr. 157).

Textkritischer Apparat

  1. Buchstaben vom Arkadenbogen überschnitten.
  2. o und der durch Bleiruten (Notbleie) gestört.
  3. Der erste Buchstabe durch Bleiruten gestört.
  4. Die letzten vier Buchstaben kleiner und hochgestellt (vielleicht nachgetragen?).

Anmerkungen

  1. Inv.-Nr. nach Hölker (1925): D-15.
  2. Nach Oidtmann, Glasmalereien, Bd. 2 (1929), S. 372f., handelt es sich um alte Verglasung.
  3. Nach Io 19,19.
  4. Schleicher, Slg. von der Ketten, Bd. 1 (1983), S. 181. Das Wappenbild (3 goldene Geigen in Blau) wurde von Lieven irrtümlich als Glocken identifiziert, vgl. Lieven, Vitrea dedicata, Teil 2 (2007), S. 13.
  5. Lieven, Vitrea dedicata, Teil 2 (2007), S. 16, geht davon aus, dass ein 1466 belegter Gaidert van Bemmel, Richter des Herzogs von Kleve in Xanten, mit dem Stifter des Fensters identisch ist (vgl. Ilgen, Quellen [1925], Nr. 65). Angesichts des großen zeitlichen Abstands zur Fensterstiftung ist allerdings fraglich, ob es sich tatsächlich um dieselbe Person handelt. 1489 nennt Arnold Heymerick einen Goedert van Bemmel als Verwalter der herzoglichen Küche (Die Goldene Rose des Herzogs Johann von Kleve, hg. und übersetzt von Dieter Scheler, Kleve 1992, S. 96).
  6. Gemeinde Alpen, Kreis Wesel.
  7. Vgl. Dösseler/Oediger, Lehnregister (1974), Nr. 817: „gericht ende herlicheit in den Venne“.
  8. Ebd., Nr. 817/6 von 1518 Dez. 12.
  9. Ebd., Nr. 438/2 betr. den Verkauf der Burg Kervenheim (heute Stadt Kevelaer, Kreis Kleve) durch Elisabeth von Bemmel.
  10. Hilger u. a., Dom zu Xanten (2007), S. 17: „von etwa 1520 bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts“; Karrenbrock/Kempkens, St. Viktor (2002), S. 49: „um 1520“.

Nachweise

  1. Clemen, KDM Kreis Moers (1892), S. 125.
  2. Hölker, Inventar (1925), D-15.
  3. Oidtmann, Glasmalereien, Bd. 2 (1929), S. 373.
  4. Lieven, Vitrea dedicata, Teil 2 (2007), S. 13.

Zitierhinweis:
DI 92, Stadt Xanten, Nr. 100 (Paul Ley u. Helga Giersiepen), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di092d009k0010008.