Inschriftenkatalog: Stadt Worms

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 29: Worms (1991)

Nr. 633† Magnuskirche 1614

Beschreibung

Widmungs-, Bau- und Spruchinschriften zur Ausmalung und zum Laiengestühl der Magnuskirche, die im Rahmen aufwendiger Ausschmückungsarbeiten im März und April 1614 geschaffen wurden.1) Wahrscheinlich am Gestühl oder als Tafel in der Kirche angebracht mit Spruch (A) und Wappen der inschriftlich (B) genannten und für die Arbeiten verantwortlich zeichnenden Kirchengeschworenen.

Nach Zorn-Wilck.

Schriftart(en): Kapitalis.2)

  1. A

    VIRTVTISa) AC GLORIAE COMES INVIDIAE THESAVRVS OPTIMVS CONSCIENTIAE SANAE

  2. B

    TRISAGIOb) NVMINI MAIESTATIQVE SACROSANCTVMANNO RECVPERATAE PER CHRISTVM SALVTIS M DC XIV. MARTIO ET APRILI MENSIBVS PAROCHIAM HANC DEO OPT(IMO) MAX(IMO) EIVSQVE VERBO SALVIFICO ATQVE SANCTISSIMO SACRAM, A DIVO MAGNO PRISCISc) DENOMINATAM ET OB TEMPORIS LONGAEVITATEM SATIS FAMOSAM AC DENIGRATAM, IN NOMINIS DIVINI HONOREM SEMPITERNVM ET PAROCHI D(OMINI) ANDREAE WILCKII ADQVE ADEO TOTIVS PIENTISSIMI AVDITORII MAIOREM COMMODITATEM IOHANN CHRISTOPH WEBER &od) WORMBS, IOHAN STEPHAN, PRAETORII AC TREDECIM VIRI, NEC NON PETRVS FISCHER ET HENRICVS DIETZ, A SENATV POPVLOQVE WORMATIENSI PROVISORES DEPVTATI, CVM PRIMISe) DEALBARI, COLORIBVS INSVPER RENOVARI AC SVBSELLIIS BENE MVLTIS AVGERI ET ORNARI CVRAVERVNT.

Übersetzung:

Der Tugend und des Ruhmes Fürst, der Eifersucht des reinen Gewissens bester Hort. – Dem dreifach heilig gepriesenen Gott und Hoheit geweiht. Im Jahre des durch Christus wiedergewonnen Heils 1614, in den Monaten März und April, ließen diese Pfarrkirche, die dem besten und höchsten Gott und seinem heilbringenden und allerheiligsten Wort geweiht, früher nach dem heiligen Magnus genannt, durch die lange Lebensdauer über die Zeiten reichlich berühmt und schwarz geworden ist, zur beständigen Ehre des göttlichen Namens und zur größeren Annehmlichkeit des Herrn Pfarrers Andreas Wilck und insbesondere der ganzen höchstfrommen Gemeinde Johann Christoph Weber von Worms, Johann Stephan, Bürgermeister und Dreizehnmänner, wie auch Peter Fischer und Heinrich Dietz, von Rat und Volk von Worms bestellte Aufseher, zuerst übertünchen, dann außerdem mit Farben erneuern und ziemlich vielen Bänken vergrößern und schmücken.

Wappen:
Weber (auf Dreiberg ein Drache), Stephan, Fischer, Dietz (im Lorbeerkranz ein sechszackiger Stern.3)

Kommentar

Die bisher fast unbeachtet gebliebene Kirchenrenovierung, die offenbar eine vollkommen neue Gestaltung von Kirchenbänken und Wänden erbrachte, wurde vom Rat der Stadt zwar nicht nachweislich finanziert, unterstand jedoch seiner Aufsicht. Alle außer dem Pfarrer und gleichzeitigen Gewährsmann der Inschriften, Andreas Wilck, genannten Kirchengeschworenen gehörten ausnahmslos den beiden Räten der Stadt an, die beiden erstgenannten sogar dem Dreizehnerrat.4) In Verbindung mit einem dezidiert lutherischen Spruchprogramm an den Kirchenwänden5) mag dieser Umstand den Protest der Stiftsherren von St. Andreas, denen die Magnuskirche einst gehörte, geradezu herausgefordert haben; der Chronikfortsetzer teilt unmittelbar nach weiteren Inschriften eben das Protestschreiben der Stiftsherren und Weiterungen der ganzen Angelegenheit mit.6) Jene eigentümliche Situation resultierte aus dem Abfall mehrerer Stiftsherren vom alten Glauben schon in der Zeit des Lutherreichstages von 1521 und der im Anschluß gefeierten lutherischen Gottesdienste; seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts bemühte sich der lutherisch gesinnte Rat im Sinne der von ihm als Reichsstand beanspruchten Konfessionshoheit den Besitzstreit um die Magnuskirche für sich zu entscheiden, ohne bis zur Auflösung des Andreasstiftes im Gefolge des Friedens von Campo Formio 1797 damit dauerhaften Erfolg zu haben. Die Ereignisse von 1614 waren daher auch in erster Linie eine Episode in diesem Streit und dienten der lutherischen Gemeinde und dem Rat zur Demonstration ihrer Verfügungsrechte über die Kirche, die sie nach den Klagen der Stiftsherren auch dazu benutzt hatten, ein Kruzifix und einen Weihwasserkessel zu entfernen.7) Die Renovierung mag also in erster Linie auch der Versuch gewesen sein, die lahmgelegte Magnusgemeinde neu zu beleben.

Textkritischer Apparat

  1. Gegenüber der Abschrift durchgängig V für U, aber ligiertes AE als Eigentümlichkeit des Schreibers nicht übernommen.
  2. Latinisierung.
  3. Sic, vielleicht besser PRISCE oder PRIVS.
  4. So in der Handschrift aussehend, vielleicht für vo(n).
  5. Sic, gebraucht wie in primis?

Anmerkungen

  1. „... auch gantze Neue stühl darin machen lassen mit solcher Schrifft und sprüchen“.
  2. Marginal vermerkt: „Alles majusculis literis“; im gelehrten Latein nur als Kapitalis vorstellbar.
  3. Die blasonierten nach Armknecht, Wormser Familienwappen 6 und 7.
  4. Johann Stephan von Cronstetten 1600 im Gemeinen, 1605 im Dreizehner Rat, vgl. Weckerling, Verzeichnis des Rates 88, ders., Verzeichnis des Dreizehnerrates 67, ehemals sein Grabstein von 1624 in der Magnuskirche, vgl. Hüther, Magnuskirche 382 Nr. 28; Heinrich Dietz seit 1613 im Gemeinen Rat, vgl. Weckerling 86; Peter Fischer seit 1608 im Gemeinen Rat, ebd. 87; Johann Christoph Weber seit 1598 im Gemeinen, seit 1603 im Dreizehnerrat, ebd. 89.
  5. Vgl. vorangehende Nrn.
  6. Zorn-Wilck u. Reuter, Pfarrkirche 43.
  7. Reuter, Pfarrkirche 40ff.

Nachweise

  1. Zorn-Wilck (F) o. fol., (M) 861f.

Zitierhinweis:
DI 29, Worms, Nr. 633† (Rüdiger Fuchs), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di029mz02k0063305.