Inschriftenkatalog: Stadt Worms

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 29: Worms (1991)

Nr. 603† Bischofshof kurz nach 1602

Beschreibung

Spruchinschriften mit 12 sibyllinischen Prophetien. Vorder- und gleichzeitig Schauseite des Bischofshofes, wohl nebeneinander, da über jedem Spruch sich auch Abbildung und Name der betreffenden Sibylle und bei einigen auch das angebliche Wirkungsjahr befand. Zahlreiche „elegante Distichen“ über den Bildern konnte der Berichterstatter aus Zeitmangel nicht mehr abschreiben.1)

Nach Coryate.

Schriftart(en): Kapitalis.2)

  1. A

    SIBYLLA DELPHICA. VIXIT ANTE ADVENTUM CHRISTI 1525.NASCETUR PROPHETA ABSQUE COITU EX VIRGINE, EUM COGNOSCES PROPRIUM DOMINUM TUUM, IPSE VERUS DEI FILIUS.a)

  2. B

    SIBYLLA SAMIA. VIXIT ANNO ANTE ADVENTUM CHRISTI 1365.ECCE VENIET DIVES ET NASCETUR DE PAUPERCULA ET BESTIAE TERRAE ADORABUNT EUM, CLAMABUNT ET DICENT: LAUDATE EUM IN ATRIIS COELORUM.b)

  3. C

    SIBYLLA ERYTHRAEA. VIXIT ANTE ADVENTUM CHRISTI ANNO 1289.IN ULTIMA AETATE HUMILIABITUR PROLES DIVINA, JACEBIT IN FOENO AGNUS ET PUELLARI OFFA EDUCABITUR.c)

  4. D

    SIBYLLA PHRYGIA. VIXIT ANTE ADVENTUM CHRISTI 1215.EX OLYMPO EXCELSUS VENIET ET FIRMABIT CONCILIUM IN CAELO ET ANNUNCIABITUR VIRGO IN VALIBUS DESERTORUM.d)

  5. E

    SIBYLLA CUMANA. VIXIT ANTE ADVENTUM CHRISTI 550.MAGNUS AB INTEGRO SECLORUM NASCITUR ORDO,JAM REDIT ET VIRGO REDEUNT SATURNIA REGNA,JAM NOVA PROGENIES COELO DEMITTITUR ALTO.TU MODO NASCENTI PUERO, QUO FERREA P(RIM)U(M)DESINET AC TOTO SURGET GENS AUREA MUNDO,CASTA FAVE, LUCINA, TUUS JAM REGNAT APOLLO.e)

  6. F

    SIBYLLA HELLESPONTIA. VIXIT ANNO ANTE ADVENTUM CHRISTI 544.DE EXCELSO CAELORUM HABITACULO PROSPEXIT HUMILES SUOS ET NASCETUR IN DIEBUS NOVISSIMIS DE VIRGINE HEBRAEA CUM CUNABULIS TERRAE.f)

  7. G

    SIBYLLA TIBURTINA. VIXIT ANTE ADVENTUM CHRISTI 92.NASCETUR CHRISTUS IN BETHLEEM, ANNUNCIABITUR IN NAZARETH REGNANTE THAURO PACIFICO FUNDATORE QUIETIS. O FOELIX ILLA MATER, CUJUS UBERA LACTABUNT ILLUM.g)

  8. H

    SIBYLLA CIMERICA. VIXIT ANTE ADVENTUM CHRISTI 332.IN PRIMA FACIE VIRGINIS ASCENDET PUELLA, FACIE PULCHRA, CAPILLIS PROLIXA, SEDENS SUPER SEDEM STRATAM, PUERUM NUTRIENS, DANS EI AD COMEDENDUM ET BIBENDUM JUS PROPRIUM LAC DE COELO MISSUM.h)

  9. I

    SIBYLLA AGRIPPA. VIXIT ANTE ADVENTUM CHRISTI etc.EN INVISIBILE VERBUM PALPABITUR, GERMINABIT UT RADIX, SICCABITUR UT FOLIUM, NON APPAREBIT VENUSTAS EIUS, CIRCUNDABITUR ALVO MATERNA ET FLOREBIT DEUS LAETITIA SEMPITERNA ET AB HOMINIBUS CONCULCABITUR.i)

  10. K

    SIBYLLA LIBYCAECCE VENIET DIES ET ILLUMINABIT DOMINUS DENSA TENEBRARUM ET SOLVETUR NEXUS SYNAGOGAE ET RECINENT LABIA HOMINUM ET VIDEBUNT REGEM VIVENTIUM ET TENEBIT ILLUM IN GREMIO VIRGO DOMINA GENTIUM ET REGNABIT IN MISERICORDIA ET UTERUS MATRIS EJUS ERIT STATERA CUNCTORUM.k)

  11. L

    SIBYLLA EUROPAEAVENIT ILLE ET TRANSIBIT COLLES ET LATICES OLYMPI, REGNABIT IN PAUPERTATE ET DOMINABITUR IN SILENTIO ET EGREDIETUR DE UTERO VIRGINIS.l)

  12. M

    SIBYLLA PERSICAECCE BESTIA CONCULCABERIS ET GIGNETUR DOMINUS IN ORBEM TERRARUM ET GREMIUM VIRGINIS ERIT SALUS GENTIUM ET PEDES EJUS IN VALETUDINE HOMINUM. INVISIBILE VERBUM PALPABITUR.m)

Übersetzung:

Delphische Sibylle: Sie lebte 1525 vor Christi Geburt. Ein Prophet wird geboren werden ohne Empfängnis von einer Jungfrau; ihn wirst als deinen eigenen Herrn erkennen; derselbe wird der wahre Sohn Gottes sein.

Samische Sibylle: Sie lebte 1365 vor Christi Geburt. Siehe, ein Reicher wird kommen und von einer Armen geboren werden und die Tiere der Erde werden ihn anbeten und rufen und sprechen: Lobet ihn in den Vorhöfen des Himmels.

Erythräische Sibylle: Sie lebte 1289 vor Christi Geburt. In dem letzten Zeitalter wird das göttliche Kind gedemütigt werden; das Lamm wird im Heu liegen und mit jungfräulichem Mundbissen ernährt werden.

Phrygische Sibylle: Sie lebte 1215 vor Christi Geburt. Vom Himmel wird der Erhabene kommen und wird im Himmel den Bund bekräftigen und wird eine Jungfrau verkündigt werden in den Tälern der Wüstenei.

Kumanische Sibylle: Sie lebte 550 vor Christi Geburt. Von neuem hebt an der große Kreislauf der Zeiten, und schon kehrt die Jungfrau/Asträa zurück, wiederkehrt die Herrschaft Saturns, schon steigt ein neues Geschlecht von den Höhen des Himmels herab. Du nun, Lucina, sei geneigt dem neugeborenen Knaben, mit dem zuerst das eiserne Geschlecht aufhört und das goldene sich auf dem ganzen Erdkreis erheben wird; schon führt dein Apollo die Herrschaft.

Hellespontische Sibylle: Sie lebte 544 vor Christi Geburt. Von der hohen Wohnung der Himmel hat Gott auf seine Niedergeschlagenen herabgeschaut und in den letzten Tagen wird er von einer hebräischen Jungfrau in der Wiege der Erde geboren werden.

Tiburtinische Sibylle: Sie lebte 92 vor Christi Geburt. Christus wird in Bethlehem geboren und in Nazareth verkündet werden, dieweil der friedfertige Taurus, der Stifter der Ruhe, regiert. O glücklich die Mutter, deren Brust jenen säugen wird.

Kimmerische Sibylle: Sie lebte 332 vor Christi Geburt. Im ersten Angesicht der Jungfrau wird ein Mädchen aufsteigen mit schönem Antlitz und langem Haar, sitzend auf einem gestreuten Sitz, den Knaben nährend, und gibt ihm zum Essen und zum Trinken ihren eigenen Saft, die vom Himmel gesandte Milch.

Agrippinische Sibylle: Sie lebte vor Christi Geburt... Siehe, das unsichtbare Wort wird betastet werden und es wird keimen wie eine Wurzel, es wird getrocknet werden wie ein Blatt und sein Liebreiz wird nicht erscheinen, umgeben sein wird er vom Schoß der Mutter und Gott wird in ewiger Freude blühen und wird von den Menschen niedergetreten werden.

Libysche Sibylle: Siehe, es wird der Tag kommen und der Herr wird die Dichte der Finsternis erleuchten und das Band der Synagoge wird gelöst werden und die Lippen der Menschen werden widertönen und sie werden den König der Lebendigen sehen; jenen wird die Jungfrau, die Herrin der Völker, in ihrem Schoß halten und er wird regieren in Barmherzigkeit und der Schoß seiner Mutter wird die Waagschale aller sein.

Europäische Sibylle: Jener wird kommen und die Hügel und Wasser des Himmels überschreiten, er wird in Armut regieren und in der Stille herrschen und aus dem Schoß der Jungfrau hervorgehen.

Persische Sibylle: Siehe, du Tier wirst niedergetreten werden und der Herr wird in den Erdkreis geboren werden und der Schoß der Jungfrau wird das Heil der Völker sein und seine Füße werden im Wohlbefinden der Menschen sein; das unsichtbare Wort wird betastet werden.

Kommentar

Die Notizen des englischen Kontinentreisenden Thomas Coryate, der 1608 auch Worms besuchte und seine Beobachtungen einem 1611 gedruckten Tagebuch anvertraute, sind für die Wormser Sibylleninschriften die einzigen inhaltsreichen Nachrichten. Trotz mancher negativer zeitgenössischer Meinungen über den spleenigen Autor hat sich dieser als scharfsinniger Beobachter und fleißiger Inschriftensammler erwiesen.3) Es ist anzunehmen, daß ihm und seinem Setzer Abschreibefehler unterliefen. Coryate konnte sich etwa keinen Reim auf die Buchstaben PU bei der Cumana machen;4) deshalb kann man davon ausgehen, daß für die Inschrift Kürzungen benutzt wurden, die Anlaß zu Mißverständnissen gegeben haben konnten. Daß ein solch langer Text im Tagebuch eines mit kleinem Gepäck den Kontinent bereisenden Engländers überliefert ist, legt natürlich den Verdacht nahe, der Gewährsmann habe wesentlich kürzere Notizen am heimischen Schreibtisch mit ihm zugänglichen Texten ausgeschmückt. Andererseits wäre bei seiner Benutzung gedruckter Vorlagen der erwähnte Fehler kaum denkbar, und andere umfangreiche Inschriftentexte wie am Komplex der Münze sind wenigstens teilweise auch anderwärts überliefert, aber Coryate sicher nur aus Anschauung zugänglich gewesen.

Coryate lobt die Darstellung der Sibyllen in höchsten Tönen; der Bischofshof war nicht lange davor restauriert worden – „which hath beene lately so beautifully repaired“. Dazu paßt die Nachricht bei Salomon Reisel, Bischof Philipp von Rodenstein (†1604) habe 1602 oder 1603 die Fassade des Bischofshofes mit allerlei Malereien, und zwar mit „sibyllarum picturis“ schmücken lassen.5) Die Schmückung des Bischofshofes ist wohl als Konkurrenzprogramm zu den Malereien des städtischen Prunkbaues um die alte Münze zu verstehen, an der außer der Kaiserverherrlichung auch bildlich und inschriftlich städtisch-republikanische Tugenden aus dem alten Rom dargestellt wurden.6) Durch die Sibylleninschriften ließen sich Dogmen der katholischen Kirche wie etwa die unbefleckte Empfängis mit antiker Gelehrsamkeit und ihrer in der Renaissance beherrschenden Autorität verknüpfen.

Die Suche nach einer konkreten Vorlage gestaltet sich erwartungsgemäß sehr schwierig. Wenn man davon ausgeht, daß Coryate die Sibylleninschriften im wesentlichen korrekt widergab, scheiden die bekanntesten Überlieferungen als unmittelbare Vorlagen aus. Die Texte stimmen weder mit den Vorlagen Jörg Syrlins in Ulm noch mit Filippo Barbieris Vatizinien oder mit denen der Schedelschen Weltchronik vollkommen überein.7) Auszuscheiden hat man wegen Inkongruenz auch die durch den Lactanzdruck von 1465 bekannt gewordenen Varronischen Sibyllensprüche und die Oracula Sibyllina.8) Zu suchen hat man hingegen bei den Vorlagen für das Exemplum Jörg Syrlins und bei Sibyllendarstellungen in der Malerei des 15. und 16. Jahrhunderts.9) Die Verbindung zu Schedel ist zwar verhältnismäßig eng, jedoch nicht eindeutig;10) eine Mischung von Vorlagen, deren Urform vielleicht doch auf Barbieri zurückgeht, braucht daher nicht ausgeschlossen zu werden.11) Dem entspricht auch die uneinheitliche Zuweisung der Vatizinien an verschiedene Sibyllen und mit ihnen kombinierbaren Weisen.12) Eine wenigstens mittelbare Ableitung aus dem Druck Barbieris ist für viele Sibyllenzyklen daran zu erkennen, ob wie hier Sibylla Agrippa statt Sibylla Aegyptia und neu im Kanon Sibylla Europ(e)a aufgezählt sind, um die christliche Symbolzahl 12 zu erreichen. Auf wen die Angaben zu den Lebenszeiten der Sibyllen zurückgehen, ist noch nicht geklärt. Die Weissagung der kumanischen Sibylle entstammt der vierten Ekloge Vergils, die jener dem Consul C. Asinius Pollio zur Geburt eines Sohnes widmete und darin gleichzeitig dem friedensbringenden Wirken des Oktavian huldigte.13) Knabengeburt und Verheißung eines neuen Zeitalters just in Beziehung zum Kaiser der Bethlehemgeburt bot sich natürlich als Deutung auf Christus an. Der kimmerischen Sibylle, nicht der kumanischen, gab Jörg Syrlin in Ulm die Charakterisierung „octauiano deum de virgine nasciturum indicans“ bei; daran schloß sich aber folgerichtig ein Vers aus Vergils Cumana an.14) An der Kathedrale von Siena waren 1482, also im Jahr nach Barbieris Erstdruck, Sibyllensprüche angebracht worden, von denen die der Tiburtina und der Cumana wenigstens teilweise übereinstimmen, der der Erythrea der Wormser Hellespontia entspricht.15)

Über das konkrete Aussehen der Bildnisse am Bischofshof, etwa Attribute und räumliche Verteilung, existieren keine Angaben. Doch wäre es verwunderlich, Sibyllen und ihre Weissagungen isoliert anzutreffen und gerade an der Residenz des Bischofs sollte man zusätzlich eine stärker christlich betonte Symbolik erwarten. Beim Thema der Christusvatizinien bieten sich nur die schon bei Hrabanus Maurus belegte Kombination mit Propheten oder die früh in Beauvais geschaffene mit Aposteln und Evangelisten an.16)

Textkritischer Apparat

  1. Kürzer Ph. Barbieri, Discordantiae nonullae inter S.S. Hieronymum et Augustinum (oder Discordantiae sanctorum doctorum Hieronymi et Augustini). Rom 1481 nach E. Mâle, Quomodo sibyllas recentiores artifices repraesentaverint. Thèse litt. Paris 1899, 31 Nr. III: Nascetur propheta absque matris coitu ex virgine ejus. u. Schedel fol. 35v, dessen Paraphrase auch matris belegt; sehr ähnlich auch die Augsburger Abschrift aus Syrlins Exempla, vgl. W. Vöge, Jörg Syrlin der Ältere und seine Bildwerke II: Stoffkreis und Gestaltung (Denkmäler Deutscher Kunst, hg. vom Deutschen Verein für Kunstwissenschaft, Jahresgabe 1949) Berlin 1950. Tab. I Nr. 7. Im folgenden sollen jeweils Vergleiche zu den Sibyllentexten bei Barbieri, Discordantiae (nach den Zitaten bei Mâle 31ff.) und Schedel, Weltchronik gegeben, eventuell dadurch auch Korrekturen vorgeschlagen werden. Der Wiegendruck des Philippus de Barberiis, auch Filippo de Barbieri, erschien am 1. Dezember 1481 bei dem ihm verwandten Drucker Johannes Philippus de Lignamine; fol. 6v-19v findet sich der Traktat „Sibyllarum et prophetarum de Christo vaticinia“, vgl. hierzu auch Gesamtkatalog der Wiegendrucke III. Leipzig 1928, Sp. 400ff.
  2. Sehr ähnlich Barbieri nach Mâle 32 Nr. VI: Ecce veniet dies et nascetur de paupercula et bestiae terrarum adorabunt eum et dicent laudate eum in atriis coelorum. In Schedels Vorlage auch dives, fol. 35v. Der Samia im Syrlinschen Überlieferungsstammbaum der Spruch der Erythrea des Wormser Zyklus zugeschrieben, vgl. Vöge, Tab. I Nr. f. u. unten Anm. c.
  3. Mehr bei Barbieri nach Mâle 32 Nr. V: In ultima autem aetate humiliabitur Deus et humanabitur proles divina, jungetur humanitati divinitas. Jacebit in feno agnus et officio puellari educabitur Deus et homo. Signa praecedent apud Apellas. Mulier vetustissima puerum praemium corripiet. Boetes orbis mirabitur, ducatum praestabit ad ortum. Mit einem teils besseren Text der Erythrea bei O. Holder-Egger, Italienische Prophetien des 13. Jahrhunderts I, in: NA 15 (1890) S. 161f. ließe sich emendieren :...Mulier vetustissima puerum premium concipiet. Schedel fol. 35v folgt einem Text wie Barbieri bis Deus et homo, fol. 56v paraphrasiert die Stelle ab jungetur mit wirdt...die gotheit der menscheit gehorsam. Die Übersetzung des größeren Textes: „In dem letzten Zeitalter wird Gott gedemütigt, der göttliche Same vermenscht und die Gottheit der Menschheit verbunden werden; das Lamm wird in dem Heu liegen und Gott und Mensch mit jungfräulicher Pflege ernährt werden. Die Zeichen werden bei den Beschnittenen vorangehen. Die sehr alte Mutter wird den Knaben als Auszeichnung empfangen. Über den Bootes (Sternbild, neuer Stern) wird der Weltkreis sich wundern, die Führung wird er gewährleisten zur Geburt.“ In dem Syrlinstammbaum ist dieser Spruch der Samia zugeschrieben, bis deus et homo vgl. oben Anm. b.
  4. Mehr bei Barbieri nach Mâle 33 Nr. IX: Flagellabit dominus potentes terrae, et Olympo excelso veniet et firmabit consilium in coelo et anuntiabitur virgo in vallibus desertorum. Der Wormser Text stimmt mit Schedel fol. 35v überein.
  5. Die beiden Zeilen nach Tu modo... fehlen bei Barbieri nach Mâle 32 Nr. VII; Wormser Text genau nach Vergil, Ecl. IV 5-10. Vgl. auch DI XXIV (Lüneburg) Nr. 57 Anm. 34. Anm. g zur augusteischen Sibyllensammlung. Die Paraphrase bei Schedel fol. 69v ist stark verkürzt, hebt aber die bei Barbieri fehlenden Zeilen heraus. Die Buchstaben PU konnte sich Coryate nicht erklären, vgl. dessen Anm. Coryates PUERO QUOD zu PUERO QUO emendiert auf Anraten von Herrn Prof. Dr. Otto Zwierlein, Philologisches Seminar der Universität Bonn, der das Metrum bestimmte und die Übersetzung glättete. Zur Herrschaft des Apollo und den verbreiteten Identifizierungen des Gottes mit römischen Kaisern vgl. Sackur, Sibyllinische Texte u. Forschungen 121 u. 153f. Die 4. Zeile des Wormser Zyklus an der Ulmer Cimeria, vgl. Vöge, Tab. I Nr. 8.
  6. Fast identisch Barbieri nach Mâle 32 Nr. VIII: De excelsis coelorum habitaculo prospexit Deus humiles suos. Et nascetur in Diebus novissimis de virgine hebraea in cunabulis terrae. Schedel fol. 35v bringt die lange Weissagung einer ihm namentlich nicht bekannten Sibylle, deren Text weitgehend mit dem der mittelalterlichen Tiburtina übereinstimmt, vgl. Sackur, Sibyllinische Texte u. Forschungen 179f. Die Wormser Version auch bei Hermann tom Ring für die Erythrea, vgl. Vöge, Tab. I.
  7. Fast identisch Barbieri nach Mâle 33 Nr. XI: Nascetur Xristus in Bethleem et annunciabitur in Nazareth, regente Tauro pacifico, fundatore quietis: O foelix mater cujus ubera illum lactabunt. und ebenso Schedel fol. 93v, der außerdem von dem tiburtinischen Christusorakel für Oktavian/Augustus weiß. Eben jener ist mit taurus pacificus gemeint, vgl. W.A. Alföldi, Der neue Weltenherrscher der 4. Ekloge Vergils, in: Hermes 65 (1930) S. 369384. Vgl. auch einen tiburtinischen Text in Anm. f., hier bei der Hellespontia.
  8. Geringe Abweichung bei Barbieri nach Mâle 31 Nr. IV: In prima facie virginis ascendet puella pulchra facie, prolixa capillis, sedens super sedem stratam, dans ei ad comedendum vis proprium, id est lac de coelo missum. jus wird auch von Schedel fol. 78v bestätigt. In Ulm nur die 4. Zeile der Cumana, vgl. Vöge, Tab. I Nr. 8. Der Wormser Text der Cimeria entspricht bis nutriens inhaltlich dem sonst dem mohammedanischen Weisen Albumasar zugeschriebenen Vatizinium, vgl. Vöge, Tab. III.
  9. ALVUS Coryate; Abweichungen und mehr bei Barbieri nach Mâle 34 Nr. XII: Invisibile verbum palpabitur et germinabit ut radix et siccabitur ut folium, et non apparebit venustas ejus et circumdabit eum alvus maternus et flebit Deus laetitia sempiterna et ab hominibus conculcabitur et nascetur ex matre ut Deus et conversabitur ut peccator. Mit dem Zusatz auch Schedel fol. 35v; bestätigt auch florebit und legt zugrunde circumdabitur alvus maternus. Mâle 34 vermutete eine Verlesung im Druck, da er in einem Manuskript mit 11 Sibyllen den Namen Aegyptia gefunden hatte.
  10. Mit Abweichungen Barbieri nach Mâle 31 Nr. II: Ecce veniet dies et illuminabit condempsa tenebrarum et solventur nexus Synagogae et desinent labia hominum et videbunt regem viventium; tenebit illum in gremio virgo domina gentium et regnabit in misericordia et uterus matris erit statua cunctorum. Schedel fol. 35v bestätigt fälschlich Barbieris desinent und richtig das Wormser statera. statua war nach Mâle ein Lesefehler des Druckers im Vergleich zur Handschrift Paris, Bibliothèque de l‘Arsenal, Cod. 243.
  11. Gering abweichend Barbieri nach Mâle 33 Nr. X: Veniet ille et transibit montes et colles et latices sylvarum Olympi; regnabit in paupertate et dominabitur in silentio et egredietur de utero virginis. u. Schedel fol. 35. Nach Mâle 34 Sibylla Europ(e)a erstmals bei Barbieri genannt.
  12. Letzter Satz fehlt bei Barbieri nach Mâle 31 Nr. I: Ecce bestia conculcaberis et gignetur Dominus in orbe terrarum, et gremium virginis erit salus gentium et pedes ejus erunt in valetudine hominum. Bei Schedel fol. 35v vorhanden.

Anmerkungen

  1. Coryate 259.
  2. Coryate 258: „...written in faire Roman letters.“
  3. Giesen, Coryats Eindrücke 42.
  4. Vgl. Anm. e.
  5. Vgl. Giesen, Malereien 284 u. Kranzbühler, Verschwundene Wormser Bauten 121 nach Abschriften aus Reisel im StA Worms.
  6. Vgl. Nr. 518.
  7. Vgl. Anm. a-m.
  8. Erwähnung der Sibyllen bei Lactanz, Divinae Institutiones I 6; wichtiger wohl die Übertragungen des Sedulius Scottus, vgl. Vöge 24f. u. Tab I. Die Sibyllen der Antike und ihre Weissagungen standen in hohem Maße in politischen Zusammenhängen und wurden geradezu als Regierungsinstrument benutzt; die sibyllinischen Kaiservatizinien des Mittelalters steuerten vor allem auf Endzeiterwartungen hin, vgl. A. Rzach, Sibyllen und Sibyllinische Orakel, in: RE II,2 (München 1923) Sp. 2073-2117 u. 2117-2183, B. Bischoff, Die lateinischen Übersetzungen und Bearbeitungen der Oracula Sibyllina, in: Mélanges J. de Ghellinck I (Museum Lessianum – Section historique 13) Gembloux 1951, S. 121-147 u. die oben in Anm. c u. e genannten Titel von Holder-Egger u. Sackur.
  9. Beispiele bei Giesen, Malereien 285 u. bes. Vöge 161ff. u. Tab. I.
  10. Die Verbindung zu Schedel gezogen bei Giesen.
  11. Obwohl die Wormser Sibyllensprüche nicht unmittelbar aus Barbieri abgeleitet sein können, sei nicht verschwiegen, daß ein Nachdruck von dessen Discordantiae durch den Oppenheimer Drucker Jakob Köbel unternommen wurde, vgl. Gesamtkatalog der Wiegendrucke wie oben bei Anm. a.
  12. Vgl. Vöge, Tab. I u. hier Anm. b, c, f, h, i, l.
  13. Vergil, Ecl. IV 5-10.
  14. Zur Ulmer Cimeria vgl. Vöge, Tab. I.
  15. Chytraeus, Variorum in Europa itinerum deliciae 3208f.
  16. Vgl. G. Seib, Sibyllen, in: LCI 4 (1972) Sp. 151 u. eben bes. den Lüner Weihnachtsteppich DI XXIV (Lüneburg) Nr. 57; die Kombination mit Propheten auch bei Barbieri. Über die ikonographische Darstellung der Wormser Sibyllen etwa im Vergleich zu den bei Barbieri (nach Mâle, wie Anm. a) beschriebenen oder in Ulm noch vorhandenen plastischen Sibyllen läßt sich mangels Information nichts sagen. Zur Wirkungsgeschichte von Barbieris Überlieferung vgl. Mâle 37ff., Beispiele auch in DI XXIV.

Nachweise

  1. Coryate, Crudities 258f.
  2. Giesen, Coryats Eindrücke 45.

Zitierhinweis:
DI 29, Worms, Nr. 603† (Rüdiger Fuchs), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di029mz02k0060301.