Inschriftenkatalog: Stadt Worms

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 29: Worms (1991)

Nr. 577† Dom, Kreuzgang 16. Jh.?

Beschreibung

Bibelsprüche auf steinernen Inschrifttafeln beiderseits eines Kruzifixes.

Nach Wickenburg.

  1. A

    Obsecramus pro Christo, reconciliamini Deo, eum, qui non noverat peccatum, pro nobis peccatum fecit Deusa) pater,a) ut nos efficeremur justitia Dei in ipso. 2. Cor. 5.1)

  2. B

    Peccatab) nostra ipse pertulit in corpore suo super lignum, ut peccatis mortui justitiae vivamus, cujus livore sanati estis. 1. Petri 2. Cap.2)

Übersetzung:

Wir bitten an Christi Statt: Laßt euch versöhnen mit Gott! Den, welcher von keiner Sünde wußte, hat Gottvater für uns zum Sünder gemacht, damit wir Gerechtigkeit Gottes in ihm würden. – (Der) unsere Sünden selbst in seinem Körper an das Holz trug, damit wir, den Sünden abgestorben, der Gerechtigkeit leben mögen; durch seine Wunden seid ihr geheilt worden.

Kommentar

Das Kruzifix, von dem der Gewährsmann weiter sagt: „Inferius paulo leguntur haec epitaphia,“ stand gemäß anschließend zitierter Inschriften bei dem Denkmal der Domherren Lorenz Truchseß von Pommersfelden (†1543) und Heinrich von Schaumberg (†1551) wohl im Südflügel des Kreuzganges.3) Zusammengefügt ist dort eine Darstellung der Dreifaltigkeit mit zwei Spruchinschriften, die jedoch nichts mit dem Kreuzestod zu tun haben. Daher könnte man vermuten, daß beide Objektgruppen zusammengehörten; dem steht entgegen, daß weder Hertzog noch Wickenburg etwas darüber mitteilen und das Denkmal der Domherren bei Hertzog ausführlich beschrieben ist. Daß jener in seiner Aufzählung der Kreuzgangdenkmäler das Kruzifix nicht erwähnt, heißt nicht notwendigerweise, daß es nach 1595 entstanden sein muß, da Hertzog nur Denkmäler mit personen- und familiengeschichtlicher Relevanz aufnahm, Sprüche also nur wenigstens zusammen mit Wappen.

Die Versuchung liegt nahe, das bei Wickenburg überlieferte Kruzifix mit jenem des Dalbergischen Kreuzgangprogrammes gleichzusetzen, von dem sonst überhaupt keine Einzelheiten bekannt sind, wenn man einmal davon absieht, daß es in der Schadensmeldung Johann Friedrich Seidenbänders gemeint sein muß, in der er über die „Unthaten“ der Franzosen 1689 mitteilt: „... so haben sie in dem Kreuzgang des Doms dem künstlisch steinernen epitaphio mit dem gekreuzigten Christo das Haupt und Fuß abgeschlagen.“4) Als wohl ehedem wichtigstes Denkmal jenes Ausstattungsprogrammes entging es merkwürdigerweise jeglicher identifizierender Beschreibung, so daß man annehmen muß, daß mit ihm keine oder keine verwertbare Stifterinschrift verbunden war, die eine solche ermöglicht hätte. Genau das würde mit der von Wickenburg wiedergegebenen Sachlage übereinstimmen. Soteriologisch steht die Kreuzigung neben der Geburt als Anfang und Ende des irdischen Daseins Christi;5) ob daraus dann ebenfalls eine vergleichsweise späte Entstehung im zweiten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts abzuleiten ist, sei dahingestellt.

Weder aus der Denkmalgeschichte des Domkreuzganges noch aus der ungeordneten Präsentation der Dominschriften bei Wickenburg lassen sich sichere Datierungsindizien gewinnen; das 16. Jahrhundert kann also nur ein begründbarer Versuch sein.

Textkritischer Apparat

  1. Interlinear nachgetragen, zusätzlich zu Vulgatatext.
  2. In der Vulgata davor Qui.

Anmerkungen

  1. II Cor. 5, 20,21.
  2. I Pt. 2, 24,25.
  3. Vgl. Nr. 451 (1551), dort auch zum mutmaßlichen Standort.
  4. Wahrhafftige aber traurige Erzählung ..., nach einer Abschrift Issels gedruckt u.a. bei Canstatt, Drangsale, hier 53.
  5. Hotz, Wormser Kunst 30; Nr. 391.

Nachweise

  1. Wickenburg II 157.

Zitierhinweis:
DI 29, Worms, Nr. 577† (Rüdiger Fuchs), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di029mz02k0057706.