Inschriftenkatalog: Stadt Worms

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 29: Worms (1991)

Nr. 307† Dom, innen, aus Johanniskirche um 1485

Beschreibung

Verlorene Spruchinschriften auf Löwentaufstein. In der Nikolauskapelle, aus der Johanniskirche.1) Oktogonale Kuppa aus rotem Sandstein; in entsprechenden von reichem naturalistischem Astwerk abgeteilten Feldern sieben Dreiviertelfiguren von Propheten mit Spruchbändern (A-G), auf der heutigen Nordseite Johannes der Täufer nimbiert mit Buch, die Rechte auf die Brust gelegt. Die Kuppa ruht auf einem kurzen Schaft und einem achtseitigen Sockel; vier Seiten sind zu kleinen Podesten vorgezogen und mit aufrecht sitzenden Löwen besetzt. Die Inschriften, die heute beseitigt sind, wurden im vorigen Jahrhundert noch abgeschrieben; ein Vorweltkriegsfoto zeigt aber anscheinend Reste schon erneuerter Schrift.2)

Nach Kdm.

Maße: H. 168, Dm. 130, H.(Schriftband) 5,5-6,5 cm.

Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz (Dr. Rüdiger Fuchs) [1/1]

  1. A

    Fons vitae3)

  2. B

    Aqua sapientiae4)

  3. C

    Fons patens5)

  4. D

    Aquae ascendunt6)

  5. E

    Fons de domo domini7)

  6. F

    Lavi tea) aqua8)

  7. G

    Fontes Salvatoris9)

Übersetzung:

Quelle des Lebens. – Wasser der Weisheit. – Ein offener Born. – Es kommen Wasser herauf. – Eine Quelle vom Hause des Herrn. – Ich wusch dich mit Wasser. – Heilsbrunnen.

Kommentar

Den thematisch angemessenen Sprüchen des Wormser Löwentaufsteines sind Reliefs von Dreiviertelfiguren der jeweiligen Propheten beigegeben, ohne daß ihre Darstellung in besonderem Maße individualisiert wäre, nämlich David, Jesus Sirach, Zacharias, Jeremias, Joel, Ezechiel und Jesaja. Die verschwundenen Inschriftenreste können kaum genügen, eine ursprüngliche Kapitalisschrift nachzuweisen, da die erkennbaren Formen, insbesondere Zahlen nicht zeitgenössisch sind.10)

Der Wormser Löwentaufstein war Vorbild für zahlreiche weitere, aber weniger monumentale Steine am Mittelrhein und darüber hinaus.11) Als Meister wurde jüngst, allerdings ohne Nachweis, Hans Bilger von Worms angesprochen, dem auch die stilverwandten Arbeiten der Schlußsteine der Ägidien- und der Georgskapelle zugetraut werden.12) Ein Einheimischer kommt um so mehr in Frage, als keine Verwandtschaft zu den großen Kreuzgangreliefs besteht, wenngleich eine Datierung auf um 148013) oder um 148514) den stilgeschichtlichen Merkmalen entspricht.

Textkritischer Apparat

  1. In der Abschrift Lavate aqua, so nicht in Vulgata wie Anm. 8.

Anmerkungen

  1. Kdm., Falk.
  2. StA Worms Neg.Nr. CH 1257.
  3. Ps.(G) 35,10.
  4. Sir. 15,3.
  5. Za. 13,1.
  6. Ier. 47,2.
  7. Ioel 3,18.
  8. Ez. 16,9.
  9. Is. 12,3.
  10. Kranzbühler erkannte bei den Schriften neuere Ölfarbe.
  11. Böcher u. Nachträge ders,. in: Der Wormsgau 6 (1963/64) 68-70, 8 (1967/69) 32-34 u. ders., Löwentaufsteine in Hessen und Rheinfranken. Nachtrag und Bestandsaufnahme, in: Der Wormsgau 11 (1974/75) 74-78.
  12. Zur Verwandtschaft schon Schmitt; für Bilger Hotz.
  13. Hotz.
  14. Schmitt: „80er Jahre“, Böcher: um 1485.

Nachweise

  1. Falk, Bildwerke 10.
  2. Kdm. Worms 194.
  3. Kranzbühler, Verschwundene Wormser Bauten 50 u. Abb. 27.
  4. Kautzsch, Dom Taf. 124.
  5. Schmitt, Bildwerke 293.
  6. O. Böcher, Die Entwicklung des Löwentaufsteins in der hessischen und rheinfränkischen Gotik, in: Der Wormsgau 5 (1961/62) 53f. Nr. 38 u. Abb. 1 u. 45.
  7. Hotz, Dom 141 u. Abb. 70.

Zitierhinweis:
DI 29, Worms, Nr. 307† (Rüdiger Fuchs), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di029mz02k0030706.