Inschriftenkatalog: Stadt Worms

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 29: Worms (1991)

Nr. 306 Karlsruhe, Bad. Landesmuseum, aus Worms-Herrnsheim, kath. Pfarrkirche um 1480-1485

Beschreibung

Spruchinschriften auf zwei rechteckigen Glasscheiben aus Herrnsheim, erworben aus dem Nachlaß von Dr. Cornelius Freiherr Heyl zu Herrnsheim, die sich wohl ursprünglich in der Dalbergischen Grabkapelle der katholischen Kirche zu Worms-Herrnsheim befanden.1) Die Maße lassen eine solche Annahme zu. Eine Scheibe zeigt wohl als Stifter einen knienden Ritter in graublauer Rüstung, rotem Schoßwams, roten Strumpfhosen, braunem Schwert, roter Kappe mit weißem Federbusch und rotem Schal unter einer Astwerkarkade; vor ihm das Dalbergische Wappen, das noch zum Originalbestand gehört. Über dem Ritter ein aus dem Originalbestand erhaltenes Spruchband (A). Die zweite Scheibe stellt einen Geistlichen in graubrauner Chorherrentracht dar, der ebenfalls unter einer gelben Astwerkarkade betend kniet; der Schild vor ihm wurde nach 1883 eingefügt und zeigt das Heylsche Wappen. Über dem Geistlichen ein ebenfalls original erhaltenes Spruchband (B). Die Worttrennung erfolgte jeweils durch paragraphenähnlich ausgezogene oder mit anderen Zierstrichen versehene Punkte. Mehrere Restaurierungen vornehmlich am Damasthintergrund, sonst gut erhalten mit nur geringen Verwitterungsspuren.2)

Maße: H. 84,5, B. 57,56 (A), H. 86, B. 60 (B), Bu. 2 (A), 2,4 cm (B).

Schriftart(en): Gotische Minuskel.

  1. A

    S · andreasa) / · myn · xiib) · bot · / · byt · vor · / · vnß · got ·

  2. B

    · pro · / me · / · anthoni · ad · deu(m) · / preces · / · effu(n)de ·

Übersetzung:

Für mich, Antonius, bringe Fürbitte dem Herrn dar.

Wappen:
Kämmerer von Worms gen. von Dalberg.

Kommentar

Herkunft, Zeitstellung und Wappen der Scheiben legen nahe, daß es sich bei dem Ritter um Philipp Kämmerer von Worms gen. von Dalberg, den Erbauer der Grabkapelle (†1492), und bei dem Geistlichen um seinen Neffen, Bischof Johann III., handelt. Die Fürbitte für „uns“ in der Inschrift A läßt sogar den Schluß zu, daß eine weitere Scheibe mit der Darstellung von Philipps 1483 verstorbener Gattin Barbara existierte.3)

Der künstlerische Zusammenhang mit dem Schaffen des Hausbuchmeisters ist unumstritten, wenngleich man neuerdings nur an einen engen Schulzusammenhang denkt oder Gesicht und Kleidung des Geistlichen dem Meister selbst zuschreibt oder wenigstens dafür eigenhändige Vorlagen vermutet.4) Erst jüngst wurde auch der Bildnischarakter der Darstellungen geklärt.5) Die Datierungen, gekoppelt mit der Meisterfrage, reichen von Anfang 16. Jahrhundert,6) um 15007) zu um 1480.8) Wenn die Identifizierung stimmt, müßte man vor den August 1482 datieren, als Johann von Dalberg zum Bischof von Worms gewählt worden war; diese Tatsache hätte später wohl in die Darstellung Eingang gefunden.

Weder für den deutschen Reimvers(?) noch für den lateinischen Spruch des Geistlichen ließen sich direkte Vorlagen entdecken; biblische Anklänge von preces effundere in Ps. 101,1 und Zach. 12,10 stehen nicht im Zusammenhang mit Fürbitten; näher als Vergilsches fundit preces pectore ab imo liegt pro quo funde preces mente, legens titulum am Ende von Alkuins Epitaph.9) Auffallend häufig kommen auf Glasmalereien des 15. Jahrhunderts Stifterfürbitten vor.10)

Textkritischer Apparat

  1. s hochgestellt.
  2. xii eindeutig zu lesen, heißt ‚Zwölfbote‘ im Sinne von Apostel, nicht als (chr)i(st)i aufzulösen.

Anmerkungen

  1. Inv. Nr. 58/46 u. 58/45.
  2. Beschreibungen nach CVMA.
  3. Ebd. 80. Die Identifizierung mit Johann III. ist freilich noch nicht bewiesen. Zu Philipp u. Barbara vgl. auch Nr. 297, 332.
  4. Ebd. 80. Für eine stärkere Beteiligung des Meisters vgl. Vom Leben im späten Mittelalter. Der Forschungsstand zum Hausbuchmeister bei Hutchison, „Ex ungue Leonem“; nach Wentzel, Meisterwerke der Glasmalerei 271 handelt es sich um eine mittelrheinische Umprägung von Stilelementen Peter Hemmels von Andlau.
  5. Becksmann.
  6. Schmitz.
  7. Swarzenski.
  8. Dürkop, CVMA, Vom Leben im späten Mittelalter 1480-1485.
  9. Vergil, Aen. VI 55; E. Dümmler, in: MGH Poetae I 1. Berlin 1880, 350f.
  10. Als repräsentatives Beispiel vgl. Glasmalerei um 800-1900 im Hessischen Landesmuseum in Darmstadt, bearbeitet von S. Beeh-Lustenberger (Kataloge des Hessischen Landesmuseums 2) Frankfurt 1967, Abb. Nr. 101, 121f., 125, 127, 135, 139-141, 162, 180, 182f.

Nachweise

  1. H. Schmitz, Die Glasgemälde des königlichen Kunstgewerbemuseums in Berlin I. Berlin 1913, 114f. u. Abb. 197.
  2. G. Swarzenski, Die Kunstsammlung im Heylshof zu Worms. Beschreibender Katalog. Frankfurt a.M. 1927, Nr. 176f. Taf. 61.
  3. J. Dürkop, Der Meister des Hausbuches, in: Oberrheinische Kunst 5 (1932) 130.
  4. Hotz, Nikolaus Nievergalt 310 u. Abb. 4.
  5. Erwerbungsbericht des Badischen Landesmuseums. Karlsruhe 1964, 60.
  6. Badisches Landesmuseum. Katalog der Neuerwerbungen 1952-1965. Karlsruhe 1966, Nr. 68f.
  7. R. Becksmann, Fensterstiftungen und Stifterbilder in der deutschen Glasmalerei des Mittelalters, in: Vitrea dedicata. Das Stifterbild in der deutschen Glasmalerei des Mittelalters. Berlin 1975, 84 u. Textabb. 15.
  8. CVMA II 1 S. 79-81 u. Abb. 103-106.
  9. Vom Leben im späten Mittelalter. Der Hausbuchmeister oder Meister des Amsterdamer Kabinetts, Rijksmuseum Amsterdam 14. März – 9. Juni 1985, Städtische Galerie im Städelschen Kunstinstitut Frankfurt a.M. 5. September – 3. November 1985, hg. von Filedt Kok u.a. Amsterdam/Frankfurt 1985, 277 Nr. 138 u. 138a.

Zitierhinweis:
DI 29, Worms, Nr. 306 (Rüdiger Fuchs), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di029mz02k0030607.